Königlich Bayerisches Intelligenzblatt: Unterschied zwischen den Versionen

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== Das Intelligenzblatt als Auswanderungsquelle <ref>DIE '''NORDAMERIKAAUSWANDERUNG AUS NÜRNBERG IM 19.JAHRHUNDERT''' BIS 1871 UNTER PERSONENGESCHICHTLICHEN UND QUELLENTECHNISCHEN ASPEKTEN  
== Das Intelligenzblatt als Auswanderungsquelle <ref>DIE '''NORDAMERIKAAUSWANDERUNG AUS NÜRNBERG IM 19.JAHRHUNDERT''' BIS 1871 UNTER PERSONENGESCHICHTLICHEN UND QUELLENTECHNISCHEN ASPEKTEN  
von Friedrich Zellfelder, Zulassungsarbeit für das 1.Staatsexamen Lehramt Gymnasium im Fach Geschichte  WS 1987/88, aus Stadtarchiv Nürnberg, Av_5168_4</ref>==
von Friedrich Zellfelder, Zulassungsarbeit für das 1. Staatsexamen Lehramt Gymnasium im Fach Geschichte  WS 1987/88, aus Stadtarchiv Nürnberg, Av_5168_4</ref>==


Als eine der beliebtesten Quellen zur Eruierung von Auswanderern gelten seit langem die Intelligenzblätter der Kreise oder auch, wie im Falle Nürnbergs, der größeren Städte. Seit der Ministerialentschließung vom 1.Juni 1837 bestand für alle Auswanderer und Reisende nach außereuropäischen Staaten die Verpflichtung zur Schuldenliquidation, d.h. zur Befriedigung von Privatgläubigern.<ref>Rottmann S.52/53 und Krieg S.17</ref> Mittels Ausschreibung im zuständigen Intelligenzblatt, die auf Kosten des Antragstellers erfolgte,<ref>Signatur Intelligenzblatt der Stadt Nürnberg:AvPer 17; ab den frühen 50er Jahren erfolgte die Ausschreibung auch in der "Neuen Münchner Zeitung".</ref> mußte das Auswanderungsvorhaben öffentlich bekanntgemacht werden, um Gläubigern während einer 14tägigen Frist die Möglichkeit zur Anmeldung ihrer Forderungen zu geben. Die Ausschreibung erfolgte in der Regel dreimal innerhalb einer Woche. Die Befriedigung etwaiger Gläubiger, die sich bei der Magistratsbehörde zu melden hatten, war von dem Schuldner in eigener Regie durchzuführen und der Magistratsbehörde durch Quittung nachzuweisen.<ref>Als verschuldet erwiesen sich in Nürnberg vor allem die auswandernden Familien. In einigen Fällen, wie in dem des Feilenhauers Georg Schmidt (1853/2), meldeten sich bis zu 18 Schuldner mit Forderungen von z.T.mehreren hundert Gulden. Jedoch nur in wenigen Fällen führt die Schuldenlast allein zum Scheitern des Auswanderungsvorhabens. Beispiel (1846/27). </ref>
Als eine der beliebtesten Quellen zur Eruierung von Auswanderern gelten seit langem die Intelligenzblätter der Kreise oder auch, wie im Falle Nürnbergs, der größeren Städte. Seit der Ministerialentschließung vom 1.Juni 1837 bestand für alle Auswanderer und Reisende nach außereuropäischen Staaten die Verpflichtung zur Schuldenliquidation, d.h. zur Befriedigung von Privatgläubigern.<ref>Rottmann S.52/53 und Krieg S.17</ref> Mittels Ausschreibung im zuständigen Intelligenzblatt, die auf Kosten des Antragstellers erfolgte,<ref>Signatur Intelligenzblatt der Stadt Nürnberg:AvPer 17; ab den frühen 50er Jahren erfolgte die Ausschreibung auch in der "Neuen Münchner Zeitung".</ref> mußte das Auswanderungsvorhaben öffentlich bekanntgemacht werden, um Gläubigern während einer 14tägigen Frist die Möglichkeit zur Anmeldung ihrer Forderungen zu geben. Die Ausschreibung erfolgte in der Regel dreimal innerhalb einer Woche. Die Befriedigung etwaiger Gläubiger, die sich bei der Magistratsbehörde zu melden hatten, war von dem Schuldner in eigener Regie durchzuführen und der Magistratsbehörde durch Quittung nachzuweisen.<ref>Als verschuldet erwiesen sich in Nürnberg vor allem die auswandernden Familien. In einigen Fällen, wie in dem des Feilenhauers Georg Schmidt (1853/2), meldeten sich bis zu 18 Schuldner mit Forderungen von z.T.mehreren hundert Gulden. Jedoch nur in wenigen Fällen führt die Schuldenlast allein zum Scheitern des Auswanderungsvorhabens. Beispiel (1846/27). </ref>
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Die Ausschreibungen enthalten Angaben über Namen,Beruf, Ziel und die Anzahl der mitreisenden Familienangehörigen, wobei letztere meist nur ungenau aufgeführt sind. Die Benutzbarkeit dieser Quelle ist jedoch keineswegs unproblematisch. Bis 1847 bestand die Gestaltung der Ausschreibungsanzeige [in der Nürnberger Ausgabe] aus einem kurzen, nicht eigens gekennzeichneten Text, der lediglich mit der Überschrift "Bekanntmachung" versehen war und sich daher in der äußeren Form nicht von Bekanntmachungen anderer Art unterschied.  
Die Ausschreibungen enthalten Angaben über Namen,Beruf, Ziel und die Anzahl der mitreisenden Familienangehörigen, wobei letztere meist nur ungenau aufgeführt sind. Die Benutzbarkeit dieser Quelle ist jedoch keineswegs unproblematisch. Bis 1847 bestand die Gestaltung der Ausschreibungsanzeige [in der Nürnberger Ausgabe] aus einem kurzen, nicht eigens gekennzeichneten Text, der lediglich mit der Überschrift "Bekanntmachung" versehen war und sich daher in der äußeren Form nicht von Bekanntmachungen anderer Art unterschied.  


Eine Auswertung ist außerordentlich erschwert, da sie im Grunde das Durchlesen zehntausender Seiten nötig macht; ein Aufwand,der bei gleichzeitigem Vorhandensein anderer Quellen kaum mehr gerechtfertigt erscheint. Erst nachdem mit Verordnung vom 3.9.1847 die Tabellenform als verbindlich festgelegt wurde, ist die Auswertung der Intelligenzblätter in einem sinnvollem Zeit-Nutzen -Verhältnis möglich. Vergleichswerte zwischen den Angaben in den Auswanderungsakten und den Intelligenzblättern konnten daher nur für den Zeitraum 1848 -1871 erarbeitet werden.  
Eine Auswertung ist außerordentlich erschwert, da sie im Grunde das Durchlesen zehntausender Seiten nötig macht; ein Aufwand,der bei gleichzeitigem Vorhandensein anderer Quellen kaum mehr gerechtfertigt erscheint. Erst nachdem mit Verordnung vom 3.9.1847 die Tabellenform als verbindlich festgelegt wurde, ist die Auswertung der Intelligenzblätter in einem sinnvollem Zeit-Nutzen-Verhältnis möglich. Vergleichswerte zwischen den Angaben in den Auswanderungsakten und den Intelligenzblättern konnten daher nur für den Zeitraum 1848 -1871 erarbeitet werden.  


Aufgrund dieses Vergleiches wird vor allem '''eines deutlich: Von den 127 aktenkundig gewordenen Auswanderungsfällen des Vergleichszeitraumes wurden lediglich 42 öffentlich ausgeschrieben'''. Da ähnliche Vergleiche für andere Gebiete nicht vorliegen, ist es nicht möglich eine allgemeingültige Schlußfolgerung anzustellen. Das Ergebnis reicht jedoch aus, um den Charakter der Intelligenzblätter als relativ sichere Quelle stark in Zweifel zu ziehen.<ref>Struck S.123/124,weist auf die besondere Bedeutung der Auswertung von Intelligenzblättern hin,da die Heranzie-hung von Akten zu zeitraubend sei.Von einem auch nur stich-probenartigen Vergleich der beiden Quellen ist bei ihm nicht die Rede.Als Nachteil der Int.Bl.führt er an,daß in diesen auch unterbliebene Auswanderungen verzeichnet seien.Im Falle Nürnbergs wurden jedoch auch die Akten gescheiterter Auswanderungen aufbewahrt.(Insgesamt 22) Es handelt sich um Auswanderungsvorhaben, die zumeist wegen zu geringen Barvermögens nicht genehmigt bzw.von den Antragstellern trotz Erlaubnis nicht verwirklicht wurden.<br>Bei einigen kann wegen des Verschwindens des Antragstellers heimliche Auswanderung angenommen werden. Der Vergleich zeigt, daß eine Beschränkung auf einen Quellentyp,wie Struck ihn vorschlägt, unweigerlich ein verzerrtes Bild des Gesamtwanderungsvorganges liefern muß.  </ref>  
Aufgrund dieses Vergleiches wird vor allem '''eines deutlich: Von den 127 aktenkundig gewordenen Auswanderungsfällen des Vergleichszeitraumes wurden lediglich 42 öffentlich ausgeschrieben'''. Da ähnliche Vergleiche für andere Gebiete nicht vorliegen, ist es nicht möglich eine allgemeingültige Schlußfolgerung anzustellen. Das Ergebnis reicht jedoch aus, um den Charakter der Intelligenzblätter als relativ sichere Quelle stark in Zweifel zu ziehen.<ref>Struck S.123/124,weist auf die besondere Bedeutung der Auswertung von Intelligenzblättern hin, da die Heranziehung von Akten zu zeitraubend sei. Von einem auch nur stichprobenartigen Vergleich der beiden Quellen ist bei ihm nicht die Rede.Als Nachteil der Int.Bl.führt er an,daß in diesen auch unterbliebene Auswanderungen verzeichnet seien. Im Falle Nürnbergs wurden jedoch auch die Akten gescheiterter Auswanderungen aufbewahrt.(Insgesamt 22) Es handelt sich um Auswanderungsvorhaben, die zumeist wegen zu geringen Barvermögens nicht genehmigt bzw. von den Antragstellern trotz Erlaubnis nicht verwirklicht wurden.<br>Bei einigen kann wegen des Verschwindens des Antragstellers heimliche Auswanderung angenommen werden. Der Vergleich zeigt, daß eine Beschränkung auf einen Quellentyp, wie Struck ihn vorschlägt, unweigerlich ein verzerrtes Bild des Gesamtwanderungsvorganges liefern muß.  </ref>  
Dasselbe muß, wenn auch nicht in so starkem Maße für die Nürnberger Personalakten festgestellt werden, da anhand der Intelligenzblätter für den fraglichen Zeitraum 17 zusätzliche, in den Akten nicht registrierte, Auswanderungsfälle mit 28 beteiligten Personen festgestellt werden konnten.  
Dasselbe muß, wenn auch nicht in so starkem Maße für die Nürnberger Personalakten festgestellt werden, da anhand der Intelligenzblätter für den fraglichen Zeitraum 17 zusätzliche, in den Akten nicht registrierte, Auswanderungsfälle mit 28 beteiligten Personen festgestellt werden konnten.  


Das heißt, daß auch dieser Quellenbestand nicht vollständig erhalten ist. Ähnlich ernüchternd ist das Ergebnis bei den Reisen: Von den 220 registrierten Nordamerikareisen sind im Vergleichszeitraum 1854-1871 ganze 30 öffentlich ausgeschrieben worden. Im Gegensatz zu den Auswanderungsakten erwies sich das Reisepaßverzeichnis jedoch insoweit als zuverlässig, als alle ausgeschriebenen Reisen im Gesamtverzeichnis aufgeführt sind. Für den durch das Reisepaßverzeichnis nicht abgedeckten Zeitraum von 1848-1853 ließen sich 19 zusätzliche Fälle mit 31 beteiligten Personen feststellen, deren sozialer Hintergrund sich nicht von dem der übrigen Nordamerikareisenden unterscheidet. Entsprechend dieser Quellenlage muß also noch mit einer Auswanderungsgruppe gerechnet werden, die weder in den Ausschreibungen des Intelligenzblattes noch in den Akten des Magistrats registriert ist und über deren Umfang keinerlei Vermutungen angestellt werden können. Da die Zusammensetzung der Ausgeschriebenen, es finden sich sowohl einzelwandernde Frauen und Männer, auch Familien, als auch arme und reiche Personen unter ihnen, keinerlei Schlüße zuläßt, muß der Frage nachgegangen werden,bei welchen Fällen seitens der Behörden von einer Ausschreibung abgesehen wurde und warum. Als einzig gesetzlich vorgesehene Möglichkeit ist die Stellung eines solventen Bürgen vorgesehen, der sich schriftlich bereitzuerklären hatte für alle möglicherweise auftretenden Verbindlichkeiten des Auswanderers aufzukommen. Die Existenz eines wohlhabenden Bürgen, und nur solche wurden von den Behörden akzeptiert, steht dabei keineswegs in einem Zusammenhang mit Beruf und Vermögen des Auswanderers.  
Das heißt, daß auch dieser Quellenbestand nicht vollständig erhalten ist. Ähnlich ernüchternd ist das Ergebnis bei den Reisen: Von den 220 registrierten Nordamerikareisen sind im Vergleichszeitraum 1854-1871 ganze 30 öffentlich ausgeschrieben worden. Im Gegensatz zu den Auswanderungsakten erwies sich das Reisepaßverzeichnis jedoch insoweit als zuverlässig, als alle ausgeschriebenen Reisen im Gesamtverzeichnis aufgeführt sind. Für den durch das Reisepaßverzeichnis nicht abgedeckten Zeitraum von 1848-1853 ließen sich 19 zusätzliche Fälle mit 31 beteiligten Personen feststellen, deren sozialer Hintergrund sich nicht von dem der übrigen Nordamerikareisenden unterscheidet. Entsprechend dieser Quellenlage muß also noch mit einer Auswanderungsgruppe gerechnet werden, die weder in den Ausschreibungen des Intelligenzblattes noch in den Akten des Magistrats registriert ist und über deren Umfang keinerlei Vermutungen angestellt werden können. Da die Zusammensetzung der Ausgeschriebenen, es finden sich sowohl einzelwandernde Frauen und Männer, auch Familien, als auch arme und reiche Personen unter ihnen, keinerlei Schlüße zuläßt, muß der Frage nachgegangen werden, bei welchen Fällen seitens der Behörden von einer Ausschreibung abgesehen wurde und warum. Als einzig gesetzlich vorgesehene Möglichkeit ist die Stellung eines solventen Bürgen vorgesehen, der sich schriftlich bereitzuerklären hatte für alle möglicherweise auftretenden Verbindlichkeiten des Auswanderers aufzukommen. Die Existenz eines wohlhabenden Bürgen, und nur solche wurden von den Behörden akzeptiert, steht dabei keineswegs in einem Zusammenhang mit Beruf und Vermögen des Auswanderers.  


Als Bürgen fungieren neben den Eltern häufig auch Bekannte, entfernte Verwandte oder Vormünder.<ref>Die Solvenz des Bürgen wurde stets durch Befragung des zuständigen Distriktvorstehers überprüft. Umgekehrt konnte es auch,wie im Falle des Wagnergesellen Karl Österreicher (1854/5) trotz eines "bürgschafts-fähigen Hintergrundes" zur Ausschreibung kommen.</ref> Die geringe Zahl der Ausschreibungen läßt daher im Falle der Nürnberger Auswanderung nur den Schluß zu, daß die meisten in irgendeiner Form über Beziehungen verfügten, welche den Schritt der Auswanderung in sekundärer Hinsicht erleichtert haben mochten, wenn sie auch nicht ausreichten die Auswanderung als solche zu verhindern. In einigen Fällen konnte der Auswanderungslustige, da vermögend,die öffentliche Bekanntmachung durch Stellung einer Kaution selbst umgehen. Gelegentlich waren die Behörden auch der Ansicht, daß auf Grund des jugendlichen Alters des Antragstellers davon ausgegangen werden könne, daß er noch keine Schulden gemacht haben konnte. Beide Ausnahmemöglichkeiten waren jedoch in den gesetzlichen Verordnungen nicht vorgesehen. Offensichtlich bedienten sich die städtischen Behörden eines gewissen Ermessensspielraumes, bei dessen Handhabung nicht selten genauere Informationen über den Auswanderer vorgelegen haben mochten, als es die Akten selbst wiederspiegeln.<ref>Krieg weist daraufhin,daß die Handhabung der Ausschreibungsvorschriften "nicht immer eine gleichmäßige" gewesen sei.S.17 Fußnote 2.<br>Mit Vorsicht ist daher auch die im Staatsarchiv Nbg ange-legte Namenskartei mittelfränkischer Auswanderer zu benutzen, da diese ausschließlich aus dem "Kreisamtsblatt für Mittelfranken"erstellt wurde.</ref> Inwieweit die auffallend hohe Zahl vermögender Bürgen ein Nürnberger oder ein städtisches Spezifikum darstellt, kann wegen der fehlenden Vergleichsmöglichkeiten nicht entschieden werden. Fest steht jedoch, daß dieses Faktum eine zusätzliche Erleichterung, ähnlich wie die Existenz vorausgewanderter Angehöriger, darstellte, das den Entschluß zur Auswanderung nicht unwesentlich befördert haben dürfte.
Als Bürgen fungieren neben den Eltern häufig auch Bekannte, entfernte Verwandte oder Vormünder.<ref>Die Solvenz des Bürgen wurde stets durch Befragung des zuständigen Distriktvorstehers überprüft. Umgekehrt konnte es auch, wie im Falle des Wagnergesellen Karl Österreicher (1854/5) trotz eines "bürgschaftsfähigen Hintergrundes" zur Ausschreibung kommen.</ref> Die geringe Zahl der Ausschreibungen läßt daher im Falle der Nürnberger Auswanderung nur den Schluß zu, daß die meisten in irgendeiner Form über Beziehungen verfügten, welche den Schritt der Auswanderung in sekundärer Hinsicht erleichtert haben mochten, wenn sie auch nicht ausreichten die Auswanderung als solche zu verhindern. In einigen Fällen konnte der Auswanderungslustige, da vermögend,die öffentliche Bekanntmachung durch Stellung einer Kaution selbst umgehen. Gelegentlich waren die Behörden auch der Ansicht, daß auf Grund des jugendlichen Alters des Antragstellers davon ausgegangen werden könne, daß er noch keine Schulden gemacht haben konnte. Beide Ausnahmemöglichkeiten waren jedoch in den gesetzlichen Verordnungen nicht vorgesehen. Offensichtlich bedienten sich die städtischen Behörden eines gewissen Ermessensspielraumes, bei dessen Handhabung nicht selten genauere Informationen über den Auswanderer vorgelegen haben mochten, als es die Akten selbst wiederspiegeln.<ref>Krieg weist daraufhin,daß die Handhabung der Ausschreibungsvorschriften "nicht immer eine gleichmäßige" gewesen sei. S.17 Fußnote 2.<br>Mit Vorsicht ist daher auch die im Staatsarchiv Nbg angelegte Namenskartei mittelfränkischer Auswanderer zu benutzen, da diese ausschließlich aus dem "Kreisamtsblatt für Mittelfranken"erstellt wurde.</ref> Inwieweit die auffallend hohe Zahl vermögender Bürgen ein Nürnberger oder ein städtisches Spezifikum darstellt, kann wegen der fehlenden Vergleichsmöglichkeiten nicht entschieden werden. Fest steht jedoch, daß dieses Faktum eine zusätzliche Erleichterung, ähnlich wie die Existenz vorausgewanderter Angehöriger, darstellte, das den Entschluß zur Auswanderung nicht unwesentlich befördert haben dürfte.


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Aktuelle Version vom 18. August 2022, 18:16 Uhr

Das 'Königlich Bayerisches Intelligenzblattist eine Veröffentlichung, die als IntelligenzblattWikipedia-logo.png offizielle Dokumente wie Gesetze und Erlässe, aber auch Fahndungsaufrufe veröffentlichte. Sie erschien von ... bis ... wöchentlich in verschiedenen Ausgaben für jeden bayerischen Bezirk.

Recherche

Sie kann heute in Archiven, aber auch digital eingesehen werden. Dabei ist zu beachten, dass die Digitalisate Bild-Dateien sind. Deshalb können die Texte nicht einfach nach Vorkommen eines Worts (genauer: einer Zeichenkette) untersucht werden. Auf Bavarikon.de können Begriffe mittels „Bild-Ähnlichkeit“ ermittelt werden. Häufig klappt das gut. „Auswanderungen“ wird aber nicht von „Auswanderung“ erfasst; manche der Suchtreffer haben einen Versatz zur Seite oder nach oben, andere sind gar nicht mit der Fundstelle zu identifizieren.

Königlich Bayerisches Intelligenzblatt Nr. 56 vom 14. Juli 1841 - Titelseite


Beilage


3. Bekanntmachung der beabsichtigten Auswanderungen

Polizei-Bezirk Wohnort Name und Stand Mitauswandernde Familienmitglieder
Herrieden Thann Thomas Engelhard, Schmidmeister und dessen Ehefrau Maria Eva Engelhard 6 Kinder

Wer an diese Personen eine Forderung zu machen hat, wird hiermit aufgefordert, solche bei Vermeidung des Ausschlusses

am 19. Juli Vormittags 8Uhr

dahier anzumelden und nachzuweisen.

Das Intelligenzblatt als Auswanderungsquelle [1]

Als eine der beliebtesten Quellen zur Eruierung von Auswanderern gelten seit langem die Intelligenzblätter der Kreise oder auch, wie im Falle Nürnbergs, der größeren Städte. Seit der Ministerialentschließung vom 1.Juni 1837 bestand für alle Auswanderer und Reisende nach außereuropäischen Staaten die Verpflichtung zur Schuldenliquidation, d.h. zur Befriedigung von Privatgläubigern.[2] Mittels Ausschreibung im zuständigen Intelligenzblatt, die auf Kosten des Antragstellers erfolgte,[3] mußte das Auswanderungsvorhaben öffentlich bekanntgemacht werden, um Gläubigern während einer 14tägigen Frist die Möglichkeit zur Anmeldung ihrer Forderungen zu geben. Die Ausschreibung erfolgte in der Regel dreimal innerhalb einer Woche. Die Befriedigung etwaiger Gläubiger, die sich bei der Magistratsbehörde zu melden hatten, war von dem Schuldner in eigener Regie durchzuführen und der Magistratsbehörde durch Quittung nachzuweisen.[4]

Die Ausschreibungen enthalten Angaben über Namen,Beruf, Ziel und die Anzahl der mitreisenden Familienangehörigen, wobei letztere meist nur ungenau aufgeführt sind. Die Benutzbarkeit dieser Quelle ist jedoch keineswegs unproblematisch. Bis 1847 bestand die Gestaltung der Ausschreibungsanzeige [in der Nürnberger Ausgabe] aus einem kurzen, nicht eigens gekennzeichneten Text, der lediglich mit der Überschrift "Bekanntmachung" versehen war und sich daher in der äußeren Form nicht von Bekanntmachungen anderer Art unterschied.

Eine Auswertung ist außerordentlich erschwert, da sie im Grunde das Durchlesen zehntausender Seiten nötig macht; ein Aufwand,der bei gleichzeitigem Vorhandensein anderer Quellen kaum mehr gerechtfertigt erscheint. Erst nachdem mit Verordnung vom 3.9.1847 die Tabellenform als verbindlich festgelegt wurde, ist die Auswertung der Intelligenzblätter in einem sinnvollem Zeit-Nutzen-Verhältnis möglich. Vergleichswerte zwischen den Angaben in den Auswanderungsakten und den Intelligenzblättern konnten daher nur für den Zeitraum 1848 -1871 erarbeitet werden.

Aufgrund dieses Vergleiches wird vor allem eines deutlich: Von den 127 aktenkundig gewordenen Auswanderungsfällen des Vergleichszeitraumes wurden lediglich 42 öffentlich ausgeschrieben. Da ähnliche Vergleiche für andere Gebiete nicht vorliegen, ist es nicht möglich eine allgemeingültige Schlußfolgerung anzustellen. Das Ergebnis reicht jedoch aus, um den Charakter der Intelligenzblätter als relativ sichere Quelle stark in Zweifel zu ziehen.[5] Dasselbe muß, wenn auch nicht in so starkem Maße für die Nürnberger Personalakten festgestellt werden, da anhand der Intelligenzblätter für den fraglichen Zeitraum 17 zusätzliche, in den Akten nicht registrierte, Auswanderungsfälle mit 28 beteiligten Personen festgestellt werden konnten.

Das heißt, daß auch dieser Quellenbestand nicht vollständig erhalten ist. Ähnlich ernüchternd ist das Ergebnis bei den Reisen: Von den 220 registrierten Nordamerikareisen sind im Vergleichszeitraum 1854-1871 ganze 30 öffentlich ausgeschrieben worden. Im Gegensatz zu den Auswanderungsakten erwies sich das Reisepaßverzeichnis jedoch insoweit als zuverlässig, als alle ausgeschriebenen Reisen im Gesamtverzeichnis aufgeführt sind. Für den durch das Reisepaßverzeichnis nicht abgedeckten Zeitraum von 1848-1853 ließen sich 19 zusätzliche Fälle mit 31 beteiligten Personen feststellen, deren sozialer Hintergrund sich nicht von dem der übrigen Nordamerikareisenden unterscheidet. Entsprechend dieser Quellenlage muß also noch mit einer Auswanderungsgruppe gerechnet werden, die weder in den Ausschreibungen des Intelligenzblattes noch in den Akten des Magistrats registriert ist und über deren Umfang keinerlei Vermutungen angestellt werden können. Da die Zusammensetzung der Ausgeschriebenen, es finden sich sowohl einzelwandernde Frauen und Männer, auch Familien, als auch arme und reiche Personen unter ihnen, keinerlei Schlüße zuläßt, muß der Frage nachgegangen werden, bei welchen Fällen seitens der Behörden von einer Ausschreibung abgesehen wurde und warum. Als einzig gesetzlich vorgesehene Möglichkeit ist die Stellung eines solventen Bürgen vorgesehen, der sich schriftlich bereitzuerklären hatte für alle möglicherweise auftretenden Verbindlichkeiten des Auswanderers aufzukommen. Die Existenz eines wohlhabenden Bürgen, und nur solche wurden von den Behörden akzeptiert, steht dabei keineswegs in einem Zusammenhang mit Beruf und Vermögen des Auswanderers.

Als Bürgen fungieren neben den Eltern häufig auch Bekannte, entfernte Verwandte oder Vormünder.[6] Die geringe Zahl der Ausschreibungen läßt daher im Falle der Nürnberger Auswanderung nur den Schluß zu, daß die meisten in irgendeiner Form über Beziehungen verfügten, welche den Schritt der Auswanderung in sekundärer Hinsicht erleichtert haben mochten, wenn sie auch nicht ausreichten die Auswanderung als solche zu verhindern. In einigen Fällen konnte der Auswanderungslustige, da vermögend,die öffentliche Bekanntmachung durch Stellung einer Kaution selbst umgehen. Gelegentlich waren die Behörden auch der Ansicht, daß auf Grund des jugendlichen Alters des Antragstellers davon ausgegangen werden könne, daß er noch keine Schulden gemacht haben konnte. Beide Ausnahmemöglichkeiten waren jedoch in den gesetzlichen Verordnungen nicht vorgesehen. Offensichtlich bedienten sich die städtischen Behörden eines gewissen Ermessensspielraumes, bei dessen Handhabung nicht selten genauere Informationen über den Auswanderer vorgelegen haben mochten, als es die Akten selbst wiederspiegeln.[7] Inwieweit die auffallend hohe Zahl vermögender Bürgen ein Nürnberger oder ein städtisches Spezifikum darstellt, kann wegen der fehlenden Vergleichsmöglichkeiten nicht entschieden werden. Fest steht jedoch, daß dieses Faktum eine zusätzliche Erleichterung, ähnlich wie die Existenz vorausgewanderter Angehöriger, darstellte, das den Entschluß zur Auswanderung nicht unwesentlich befördert haben dürfte.

Weblinks

  1. DIE NORDAMERIKAAUSWANDERUNG AUS NÜRNBERG IM 19.JAHRHUNDERT BIS 1871 UNTER PERSONENGESCHICHTLICHEN UND QUELLENTECHNISCHEN ASPEKTEN von Friedrich Zellfelder, Zulassungsarbeit für das 1. Staatsexamen Lehramt Gymnasium im Fach Geschichte WS 1987/88, aus Stadtarchiv Nürnberg, Av_5168_4
  2. Rottmann S.52/53 und Krieg S.17
  3. Signatur Intelligenzblatt der Stadt Nürnberg:AvPer 17; ab den frühen 50er Jahren erfolgte die Ausschreibung auch in der "Neuen Münchner Zeitung".
  4. Als verschuldet erwiesen sich in Nürnberg vor allem die auswandernden Familien. In einigen Fällen, wie in dem des Feilenhauers Georg Schmidt (1853/2), meldeten sich bis zu 18 Schuldner mit Forderungen von z.T.mehreren hundert Gulden. Jedoch nur in wenigen Fällen führt die Schuldenlast allein zum Scheitern des Auswanderungsvorhabens. Beispiel (1846/27).
  5. Struck S.123/124,weist auf die besondere Bedeutung der Auswertung von Intelligenzblättern hin, da die Heranziehung von Akten zu zeitraubend sei. Von einem auch nur stichprobenartigen Vergleich der beiden Quellen ist bei ihm nicht die Rede.Als Nachteil der Int.Bl.führt er an,daß in diesen auch unterbliebene Auswanderungen verzeichnet seien. Im Falle Nürnbergs wurden jedoch auch die Akten gescheiterter Auswanderungen aufbewahrt.(Insgesamt 22) Es handelt sich um Auswanderungsvorhaben, die zumeist wegen zu geringen Barvermögens nicht genehmigt bzw. von den Antragstellern trotz Erlaubnis nicht verwirklicht wurden.
    Bei einigen kann wegen des Verschwindens des Antragstellers heimliche Auswanderung angenommen werden. Der Vergleich zeigt, daß eine Beschränkung auf einen Quellentyp, wie Struck ihn vorschlägt, unweigerlich ein verzerrtes Bild des Gesamtwanderungsvorganges liefern muß.
  6. Die Solvenz des Bürgen wurde stets durch Befragung des zuständigen Distriktvorstehers überprüft. Umgekehrt konnte es auch, wie im Falle des Wagnergesellen Karl Österreicher (1854/5) trotz eines "bürgschaftsfähigen Hintergrundes" zur Ausschreibung kommen.
  7. Krieg weist daraufhin,daß die Handhabung der Ausschreibungsvorschriften "nicht immer eine gleichmäßige" gewesen sei. S.17 Fußnote 2.
    Mit Vorsicht ist daher auch die im Staatsarchiv Nbg angelegte Namenskartei mittelfränkischer Auswanderer zu benutzen, da diese ausschließlich aus dem "Kreisamtsblatt für Mittelfranken"erstellt wurde.