Anakreontik
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Erläuterungen
Bezeichnung für Nachahmungen der Anakreon (6. Jh.v.Chr.) zugeschriebenen reim- und strophenlosen Oden; im weiteren Sinne wird der Begriff auch verwendet für Gedichte, die eine Freude an Welt und Leben ausdrücken. In der deutschen Literatur bezeichnet Anakreontik oft auch die Lyrik des Rokoko (1740-1780), in welcher die rationale, der Aufklärung verpflichtete Weltsicht mit heiterer Lebensfreude und verfeinertem sinnlichem Erleben verbunden werden sollte. Anakreontische Lyrik ist ästhetisches Spiel und gesellige Literatur, die das Natürliche zum Ideal verklärt.
- "In Deutschland blieb die Wirkung der anakreontischen Lyrik zunächst auf die neulat. Literatur beschränkt. Seit Martin Opitz wurden entsprechende Versuche in dt. Sprache unternommen, die mit ihrer Diesseitigkeit und Sinnenfreude einen Kontrapunkt zum Ernst der religiösen Vanitasdichtung bildeten. Doch erst im 18. Jh., zwischen 1740 und 1770, kam es zu einer breiten, den Charakter einer literarischen Strömung annehmenden Rezeption und Adaption der anakreontischen Lyrik in Deutschland, deren Nachwirkungen noch im Biedermeier zu spüren waren. Friedrich v. Hagedorn gab mit seiner Sammlung Neuer Oden und Lieder (1742 ff.) den Anstoß; es folgten u. a. Johann Wilhelm Ludwig Gleim, der seinen Versuch in Scherzhaften Liedern (1744–45) mit dem programmatischen Gedicht Anakreon einleitete, Johann Peter Uz und Johann Nikolaus Götz, die neben eigenen Versuchen wichtige Übersetzungen der Anakreonteen vorlegten (Götz/Uz, Die Oden Anakreons in reimlosen Versen, 1746; Götz, Die Gedichte Anakreons und der Sappho Oden, 1760). Zahlreiche bedeutende Dichter der 2. Hälfte des 18. Jh.s machten eine anakreontische Jugendphase durch (Lessing, Heinrich Wilhelm v. Gerstenberg, Christoph Martin Wieland, Goethe, Schiller usw.)"
- Quelle: Volker Meid, Elektronisches Sachwörterbuch zur Deutschen Literatur, Reclam 2000 S.48
Beispiele
Friedrich von Hagedorn (1708 - 1754) (Hamburg)
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Christian Felix Weisse (1726-1804)
Der Kuß Ich war bei Chloen ganz allein,
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Johann Wolfgang von Goethe
Das Schreien Jüngst schlich ich meinem Mädchen nach,
Goethe Gedichte, Hamburger Ausgabe Bd.1 C.H.Beck S. 18 |
- Anmerkung: Bei diesem Goethe-Gedicht handelt es sich um ein "Frühwerk" (Annette, Goethes erste Gedichtsammlung 1767), das deutlich epigonal im Banne der anakreontischen Motivik und Technik steht. Es ist lohnenswert und aufschlussreich, dieses Gedicht mit dem wenig später entstandenen "Willkomm und Abschied" (1771) zu vergleichen, um daran zu erkennen, welche Wende sich darin widerspiegelt. Das konventionelle, auf Pointen ausgerichtete Schreiben und das bis dahin unzählige Male variierte Schäfer-Erotik-Motiv weichen der Darstellung individuellen Erlebens und Fühlens. Auch Natur (Hain <=> Berge, Eichen, Mond) bekommt eine Konkretheit und Intensität, die ganz eng mit der inneren Verfasstheit des lyrischen Ich korrespondiert. Anakreontik ist hier erkennbar an einen Endpunkt gekommen, der neue Erfahrungs- und Darstellungsweisen verlangt, und Goethes Sesenheimer Gedichte markieren eine solche Wende (K. Dautel).
Anakreontiker
Eine Auswahl:
- Johann Wilhelm Ludwig Gleim
- Johann Wolfgang von Goethe (in jungen Jahren)
- Friedrich von Hagedorn
- Christian Felix Weisse
- Christoph Martin Wieland (in jungen Jahren)
Weblinks
- Christian Felix Weisse im Leipzig-Lexikon
- Christian Felix Weiße Biografie, Gedichte (Scherzhafte Lieder) und Dramen