Genie und Sturm und Drang: Unterschied zwischen den Seiten

Aus ZUM-Unterrichten
(Unterschied zwischen Seiten)
Main>ZUM-Wiki-Bot
(katfix AWB)
 
Keine Bearbeitungszusammenfassung
 
Zeile 1: Zeile 1:
==Was ist ein GENIE ?==


{{Zitat|Genie, Begriff der literaturtheoretischen Diskussion des 18. Jh.s zur Bezeichnung des mit überragendem schöpferischem Vermögen begabten Dichters oder Künstlers. Er ist eng mit der Periode des Sturm und Drang verbunden, die man früher auch Geniezeit nannte, und richtete sich gegen die Vorstellungen der klassizistischen Regelpoetik und ihren engen Begriff der Naturnachahmung (Mimesis);  die neuen Grundbegriffe der Poetik sind Erfindung, Originalität und Natur. (...) Autoren des Sturm und Drang wie Goethe...  nahmen diese Gedanken auf  ....  Das G. erschien ihnen als exemplarische Verwirklichung des allein aus sich schaffenden autonomen Individuums, das kraft seiner Autonomie von vornherein aller Beschränkungen durch konventionelle poetologische Regeln und Normen enthoben war.
'''Sturm und Drang''' ist die Bezeichnung für eine Epoche der deutschen Literatur.
|'''Volker Meid''': Sachwörterbuch der deutschen Literatur, Reclam, [Ort und Jahr ???], S. 415}}


{{Zitat|Genie (franz.), bezeichnet sowohl den höchsten Grad von schöpferischer Begabung, die wirksam ist als originale Kraft der Auffassung (Intuition), der Kombination (Phantasie), der schöperischen Gestaltung und Darstellung, als auch den mit dieser Begabung Begnadeten. In der deutschen Dichtung und Philosophie des 18. Jh bis hin zur Romantik ist das G. der überragende Ausnahmemensch. Kant nennt den genialen Menschen einen „Günstling der Natur“, G. die angeborene Gemütsanlage, durch welche die Natur nicht der Wissenschaft, sondern der (schönen) Kunst die Regel vorschreibt. (...)
== Definition ==
{{Box|Sturm und Drang|  
literarische Bewegung von der Mitte der 60er- bis zur Mitte der 80er-Jahre des 18. Jh.s. Ihren Höhepunkt erreichte sie, nach der Begegnung Johann Gottfried Herders und Goethes 1770 in Straßburg, in den 70er-Jahren. Die Bezeichnung Sturm und Drang geht auf Friedrich Maximilian Klingers gleichnamiges Drama von 1777 zurück, das eigentlich Wirrwarr heißen sollte. Der Sturm und Drang war eine Jugendbewegung, deren Gemeinsamkeiten u. a. in der Forderung nach einer größeren Autonomie und Freiheit, nach Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung und den daraus resultierenden sozialkritischen und [[Utopie|utopischen]] Tendenzen bestanden. Dabei ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Rebellion gegen die Welt der Väter und gesellschaftliche Unfreiheit und dem Bruch mit der herrschenden Ästhetik und Poetik.
:Volker Meid: Elektronisches Sachwörterbuch der deutschen Literatur, Reclam 2000 S.1051
|Zitat}}


Zu neuerer Zeit wurde bisweilen der Versuch unternommen, G. mit Irrsinn in Beziehung zu setzen (...), schon Platon spricht vom „göttlichen Wahnsinn“ der Dichter. Tatsächlich verfielen zahlreiche geniale Menschen dem Wahnsinn und wirklich hat der das G. zeitweilig überfallende Schaffensdrang Ähnlichkeit mit bestimmten originellen und gedanklich hochproduktiven Phasen aus den leichteren psychopathologischen Randgebieten (... Vorstadien der Schizophrenie).
==Autoren==
|'''Philosophisches Wörterbuch''', Kröner, Stuttgart 1991, S. 240/1}}
Die '''literarische Strömung''' des Sturm und Drang ist zu verstehen als gesellschaftskritische Bewegung einer '''jungen Generation von bürgerlichen Intellektuellen'''. Dazu gehörten
*Heinrich Leopold Wagner 1747-79
*Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832
*Jakob Michael Reinhold Lenz 1751-1792
*Friedrich Maximilian Klinger 1752-1831
*Friedrich Schiller 1759-1805


{{Aufgabe|Nenne Namen von Frauen und Männern, die nach diesen Definitionen als ''Genie'' bezeichnet werden können.
== Motive und Themen ==


Begründe deine Wahl.}}
Die '''zentralen Motive und Themen''' sind
* Das Recht auf 'Empfindsamkeit': Die Gefühlswelt des Individuums wird der Rationalität und dem Zweckdenken des aufgeklärten Bürgers entgegengestellt


==Und was sagt [[Immanuel Kant]]?==
* [[Genie]]kult: Verabsolutierung der individuellen Begabung, welche sich souverän über die gesellschaftliche Normen und Regeln hinwegsetzt und nur den eigenen Regeln (der >Natur<) folgt.
{{Zitat|Genie ist das Talent (Naturgabe), welches der Kunst die Regel gibt. Da das Talent, als angebornes produktives Vermögen des Künstlers, selbst zur Natur gehört, so könnte man sich auch so ausdrücken: Genie ist die angeborne Gemütsanlage (ingenium), durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt.


Was es auch mit dieser Definition für eine Bewandtnis habe, und ob sie bloß willkürlich, oder dem Begriffe, welchen man mit dem Worte Genie zu verbinden gewohnt ist, angemessen sei, oder nicht (welches in dem folgenden § erörtert werden soll): so kann man doch schon zum voraus beweisen, daß, nach der hier angenommenen Bedeutung des Worts, schöne Künste notwendig als Künste des Genies betrachtet werden müssen.
* Selbsthelfertum: Die gesellschaftlichen Institutionen haben keine Autorität mehr, ich selbst bin der Maßstab meines Handelns.Beispiele:
: Prometheus (der einzelne gegen die Götter)
: Goetz von Berlichingen (der Ritter stellt sein persönliches Rechtsempfinden dem kaiserlichen Fehderecht entgegen)
: Franz Moor (Räuberhauptmann aus persönlicher Gekränktheit der Außenseiter gegen die Gesellschaft)
: Faust (Bund mit den Mächten der Finsternis aus höherem Streben)


Denn eine jede Kunst setzt Regeln voraus, durch deren Grundlegung allererst ein Produkt, wenn es künstlich heißen soll, als möglich vorgestellt wird. Der Begriff der schönen Kunst aber verstattet nicht, daß das Urteil über die Schönheit ihres Produkts von irgendeiner Regel abgeleitet werde, die einen Begriff zum Bestimmungsgrunde habe, mithin einen Begriff von der Art, wie es möglich sei, zum Grunde lege. Also kann die schöne Kunst sich selbst nicht die Regel ausdenken, nach der sie ihr Produkt zustande bringen soll. Da nun gleichwohl ohne vorhergehende Regel ein Produkt niemals Kunst heißen kann, so muß die Natur im Subjekte (und durch die Stimmung der Vermögen desselben) der Kunst die Regel geben, d. i. die schöne Kunst ist nur als Produkt des Genies möglich.
* Soziale Anklage und Gesellschaftskritik: Opposition sowohl gegen die Privilegien und moralische Verderbtheit der höheren Stände als auch gegen den Krämergeist und Rechthaberei des bürgerlichen Standes


"Man sieht hieraus, daß Genie 1) ein Talent sei, dasjenige, wozu sich keine bestimmte Regel geben läßt, hervorzubringen: nicht Geschicklichkeitsanlage zu dem, was nach irgendeiner Regel gelernt werden kann; folglich daß Originalität seine erste Eigenschaft sein müsse. 2) Daß, da es auch originalen Unsinn geben kann, seine Produkte zugleich Muster, d. i. exemplarisch sein müssen; mithin, selbst nicht durch Nachahmung entsprungen, anderen doch dazu, d. i. zum Richtmaße oder Regel der Beurteilung, dienen müssen. 3) Daß es, wie es sein Produkt zustande bringe, selbst nicht beschreiben, oder wissenschaftlich anzeigen könne, sondern daß es als Natur die Regel gebe; und daher der Urheber eines Produkts, welches er seinem Genie verdankt, selbst nicht weiß, wie sich in ihm die Ideen dazu herbei finden, auch es nicht in seiner Gewalt hat, dergleichen nach Belieben oder planmäßig auszudenken, und anderen in solchen Vorschriften mitzuteilen (...). (Daher denn auch vermutlich das Wort Genie von genius, dem eigentümlichen einem Menschen bei der Geburt mitgegebenen, schützenden und leitenden Geist, von dessen Eingebung jene originale Ideen herrührten, abgeleitet ist.) ...
* Sprengung poetischer Normen: Weg mit dem Reim, her mit den freien Rhythmen (Klopstock), weg von den klassizistischen Normen des Theaters (drei Einheiten, Ständeklausel, tragische Fallhöhe), hin zu Shakespeares Dramen und Figuren, 'Bürgerliches Trauerspiel' statt Tragödie
|Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft (1790): §46 Schöne Kunst ist Kunst des Genies}}


{{Zitat|Wenn wir nach diesen Zergliederungen auf die (...) Erklärung dessen, was man Genie nennt, zurücksehen, so finden wir: erstlich, daß es ein Talent zur Kunst sei, nicht zur Wissenschaft, in welcher deutlich gekannte Regeln vorangehen und das Verfahren in derselben bestimmen müssen; zweitens, daß es, als Kunsttalent, einen bestimmten Begriff von dem Produkte, als Zweck, mithin Verstand, aber auch eine (wenn gleich unbestimmte) Vorstellung von dem Stoff, d. i. der Anschauung, zur Darstellung dieses Begriffs, mithin ein Verhältnis der Einbildungskraft zum Verstande voraussetze; daß es sich drittens nicht sowohl in der Ausführung des vorgesetzten Zwecks in Darstellung eines bestimmten Begriffs, als vielmehr im Vortrage, oder dem Ausdrucke ästhetischer Ideen, welche zu jener Absicht reichen Stoff enthalten, zeige, mithin die Einbildungskraft, in ihrer Freiheit von aller Anleitung der Regeln, dennoch als zweckmäßig zur Darstellung des gegebenen Begriffs vorstellig mache; daß endlich viertens die ungesuchte unabsichtliche subjektive Zweckmäßigkeit in der freien Übereinstimmung der Einbildungskraft zur Gesetzlichkeit des Verstandes eine solche Proportion und Stimmung dieser Vermögen voraussetze, als keine Befolgung von Regeln, es sei der Wissenschaft oder mechanischen Nachahmung, bewirken, sondern bloß die Natur des Subjekts hervorbringen kann.
* {{zum|http://www.zum.de/Faecher/D/BW/gym/sturmwerke Werke und Autoren des Sturm und Drang|}} - Wagner, Goethe, Schiller, Lenz


Nach diesen Voraussetzungen ist Genie: die musterhafte Originalität der Naturgabe eines Subjekts im freien Gebrauche seiner Erkenntnisvermögen. Auf solche Weise ist das Produkt eines Genies (nach demjenigen, was in demselben dem Genie, nicht der möglichen Erlernung oder der Schule, zuzuschreiben ist) ein Beispiel nicht der Nachahmung (denn da würde das, was daran Genie ist und den Geist des Werks ausmacht, verlorengehen), sondern der Nachfolge für ein anderes Genie, welches dadurch zum Gefühl seiner eigenen Originalität aufgeweckt wird, Zwangsfreiheit von Regeln so in der Kunst auszuüben, daß diese dadurch selbst eine neue Regel bekommt, wodurch das Talent sich als musterhaft zeigt. Weil aber das Genie ein Günstling der Natur ist, dergleichen man nur als seltene Erscheinung anzusehen hat; so bringt sein Beispiel für andere gute Köpfe eine Schule hervor, d. i. eine methodische Unterweisung nach Regeln, soweit man sie aus jenen Geistesprodukten und ihrer Eigentümlichkeit hat ziehen können: und für diese ist die schöne Kunst sofern Nachahmung, der die Natur durch ein Genie die Regel gab.
==Relevante Werke==
|ebd., §49 Von den Vermögen des Gemüts, welche das Genie ausmachen}}


{{Aufgabe|Arbeite Kants Ausführungen mit Lineal und Farbstift durch, unterstreiche die wesentlichen Merkmale des Genies und fasse dies in einem 100-Wörter-Text zusammen.}}
== Linkliste ==


==Siehe auch==
* {{wpd|Sturm und Drang}}
* [http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/sturm.htm Daten zur deutschen Literatur - Sturm und Drang] (Willi Vocke)
:eine gute kurze Übersicht
 
== Siehe auch ==
 
* [[Aufklärung]]
* [[Klassik]]
* [[Klassik]]
* [[Romantik]]
* [[Genie]]


[[Kategorie:Epochen der deutschen Literatur]]
[[Kategorie:Deutsch]][[Kategorie:Sekundarstufe 2]]

Version vom 1. April 2018, 11:20 Uhr

Sturm und Drang ist die Bezeichnung für eine Epoche der deutschen Literatur.

Definition

Sturm und Drang

literarische Bewegung von der Mitte der 60er- bis zur Mitte der 80er-Jahre des 18. Jh.s. Ihren Höhepunkt erreichte sie, nach der Begegnung Johann Gottfried Herders und Goethes 1770 in Straßburg, in den 70er-Jahren. Die Bezeichnung Sturm und Drang geht auf Friedrich Maximilian Klingers gleichnamiges Drama von 1777 zurück, das eigentlich Wirrwarr heißen sollte. Der Sturm und Drang war eine Jugendbewegung, deren Gemeinsamkeiten u. a. in der Forderung nach einer größeren Autonomie und Freiheit, nach Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung und den daraus resultierenden sozialkritischen und utopischen Tendenzen bestanden. Dabei ergibt sich ein Zusammenhang zwischen der Rebellion gegen die Welt der Väter und gesellschaftliche Unfreiheit und dem Bruch mit der herrschenden Ästhetik und Poetik.

Volker Meid: Elektronisches Sachwörterbuch der deutschen Literatur, Reclam 2000 S.1051

Autoren

Die literarische Strömung des Sturm und Drang ist zu verstehen als gesellschaftskritische Bewegung einer jungen Generation von bürgerlichen Intellektuellen. Dazu gehörten

  • Heinrich Leopold Wagner 1747-79
  • Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832
  • Jakob Michael Reinhold Lenz 1751-1792
  • Friedrich Maximilian Klinger 1752-1831
  • Friedrich Schiller 1759-1805

Motive und Themen

Die zentralen Motive und Themen sind

  • Das Recht auf 'Empfindsamkeit': Die Gefühlswelt des Individuums wird der Rationalität und dem Zweckdenken des aufgeklärten Bürgers entgegengestellt
  • Geniekult: Verabsolutierung der individuellen Begabung, welche sich souverän über die gesellschaftliche Normen und Regeln hinwegsetzt und nur den eigenen Regeln (der >Natur<) folgt.
  • Selbsthelfertum: Die gesellschaftlichen Institutionen haben keine Autorität mehr, ich selbst bin der Maßstab meines Handelns.Beispiele:
Prometheus (der einzelne gegen die Götter)
Goetz von Berlichingen (der Ritter stellt sein persönliches Rechtsempfinden dem kaiserlichen Fehderecht entgegen)
Franz Moor (Räuberhauptmann aus persönlicher Gekränktheit der Außenseiter gegen die Gesellschaft)
Faust (Bund mit den Mächten der Finsternis aus höherem Streben)
  • Soziale Anklage und Gesellschaftskritik: Opposition sowohl gegen die Privilegien und moralische Verderbtheit der höheren Stände als auch gegen den Krämergeist und Rechthaberei des bürgerlichen Standes
  • Sprengung poetischer Normen: Weg mit dem Reim, her mit den freien Rhythmen (Klopstock), weg von den klassizistischen Normen des Theaters (drei Einheiten, Ständeklausel, tragische Fallhöhe), hin zu Shakespeares Dramen und Figuren, 'Bürgerliches Trauerspiel' statt Tragödie

Relevante Werke

Linkliste

eine gute kurze Übersicht

Siehe auch