Mit Gedichten arbeiten: Gestalten und Mit Gedichten arbeiten: Verdichten: Unterschied zwischen den Seiten

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[[Datei:Gedicht verdichtet.png|250px|rechts|Umformen und verdichten]]
==Prosa verdichten==
{{Box||
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:Gedichte sind über ein Blatt verteilte Zeilen!
Gedichte sind verdichtete Sprache.
:Wer in einem Buch eine Seite aufschlägt, erkennt ein Gedicht darin sofort an seiner typografischen Gestalt, auch dann, wenn es keine Strophen, Reime oder ein festes Metrum hat. Es liegt am Zeilenburch! Es ist nicht egal, wo und wie eine neue Zeile beginnt: Der Zeilenbruch ist ein bedeutungshaltiges Gestaltungsmittel, sozusagen das Privileg von Lyrik - wenn auch nicht immer (sofort) einleuchtend.
:In Gedichten herrscht Sprachökonomie, also Sparsamkeit und Genauigkeit bei der Verwendung von Wörtern und Sätzen. Dadurch können die Wörter in neue Sinnzusammenhänge, in ungewöhnlichere Assoziationsfelder gerückt werden.
:Aber: Ein Gedicht ist gestaltbar auch dann, wenn man nichts am Text ändert. Man kann es z.B. schön abschreiben und sich dabei überlegen, ob es mitten auf dem Blatt oder etwas verschoben stehen soll, ob ich Schreibschrift oder Blockschrift verwendet, die Strophenanfänge mit einer Initiale versehe, ob ich vielleicht Farben verwende und ob ich dem Gedicht einen Rahmen, eine Girlande oder auch ein Hintergrundbild verpasse.  
:Bei all dem ist es natürlich sinnvoll, wenn die Gestaltungsmittel auch zum Inhalt des Gedichtes passen. Dazu bedarf es eines Deutungsansatzes: Handelt es sich um ein trauriges, komisches, lustiges Gedicht, verbreitet es eine fröhliche Stimmung oder eine düstere Atmosphäre, gibt es darin ein ausdrucksstarkes Bild, eine überraschende Metapher. Fallen mir selbst weitere Bilder dazu ein?
|Hervorhebung1}}
|Hervorhebung1}}
<span class="brainy hdg-laptop01 fa-4x"></span>
:Zum Glück gibt es Computer mit tollen Programmen,
:* die einem das Schreiben mit der Hand abnehmen
:* und dazu noch eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen:
<pre>
• Schrifttypen: Serifen- und serifenlose Fonts und Font-Familien,
• Schriftattribute: normal, fett, kursiv,
• Schriftgrößen von klein bis riesig,
• Textanordnung: links-, rechtsbündig, zentriert, Blocksatz,
• Farben in allen Abstufungen.
• Rahmen und Schattierungen </pre>


==Unterrichtsidee==
==Unterrichtsidee==
Nehmen wir das Gedicht „Lautlos" von Linus Kefer (aus „Unterwegs Lesebuch 5“, Klett-Verlag, 1999 S. 75), weil es kurz ist, anschaulich und nicht ganz eindeutig:
{{Box|Von Prosa zum Gedicht|
<div class="grid"><div class="width-1-2" style="font-family: times, times new roman; background:#ffffdd; padding:15px; font-size:1.2em;">
:''Und jetzt, Sonntagnachmittag, die Wolken quirlten am Himmel, als drängten sie nach einem Ausgang, in den sie verströmen konnten, die Häuser standen lautloser als sonst, wie stumm und abweisend waren die Fenster geschlossen, unerschütterlich steckten die Scheiben zwischen den weißgestrichenen Rahmen, war das die einzige Antwort, die die Umgebung bereit hielt? Klirrende Kaffeetische, hinter Vorhängen verborgen, Familientreffen, Geplauder und Gekicher, das keinen Laut nach außen dringen ließ, wollten denn alle in Ruhe gelassen werden und sollte es immer so weiter gehen mit diesen höhlenhaften Sonntagen, in die ganze Generationen hineinkrochen, als wäre nie etwas geschehen, als könnte man, wenigstens in Gedanken, einen Sonntag an den nächsten reihen, stumm, auf einem Band, das alle ereignislosen Tage sammelte, um ein Leben ohne Gefahren herzustellen, Block an Block, fugenlos aneinandergeschmiegt, ohne Lücken. ohne Spalten zum Entkommen?''
<poem>


LAUTLOS
(aus Jürgen Theobaldy: Sonntags Kino, Rotbuch  Verlag Berlin 1978 S. 81/1)
 
  Das ist die weiße Mittagskatze!
  Über die glühenden Dächer
  des Sommers
  wandert sie lautlos
  auf nackten Zehen.
  Manchmal hebt sie
  die samtene Pfote und schlägt
  den Rauch aus dem Schornstein
  zu Boden.
 
</poem>
</div>
<div class="width-1-2">
{{Box|Aufgabe|
#Schau Dir dieses Gedicht an und überlege, wovon es handelt.
#Gestalte es nun am Computer, nutze dabei die zu Verfügung stehenden Angebote des Programms.
#Drucke das Ergebnis aus und überlege, was für eine Zeichnung, was für ein Bild Du dem Gedicht hinzufügen möchtest.
#Bereite Dich darauf vor, der Klasse Deine Gestaltungsideen zu erklären.
#Wichtig: Falls Du eine passende Grafik aus dem Internet einbauen möchtest, beachte zuerst die Urheberrechte und frage den Lehrer/die Lehrerin.
|Üben}}
</div></div>


'''Arbeitsanweisung:'''
#Betrachte diesen Prosatext als Material für ein Gedicht über das Thema "Sonntagnachmittag" (oder so ähnlich oder auch ganz anders)
#Unterstreiche, was Dir brauchbar erscheint. Schreibe das Unterstrichene auf ein Blatt und überlege, wie sich das am besten zusammenbauen („montieren") lässt. Verändere den Text, wenn nötig.
#Experimentiere mit den Tempora (Präsens? Präteritum?), achte auf Klangfarbe (Alliteration, Assonanz) und Sprech-Rhythmus. Gruppiere Zeilen zu Strophen.
#Überlege, ob Du ein lyrisches Ich einfügen möchtest und wie.
#Wiederhole den Vorgang des Unterstreichens, Heraus- und Zusammenschreibens ruhig mehrmals, bis zu Deiner (zumindest vorläufigen!) Zufriedenheit.
#Versuche '''nicht''' zu reimen.
{{Lösung versteckt|
{{Lösung versteckt|
1= [[Datei:Vier-mal-lautlos.png|550px|center|Mit Gedichten arbeiten: Gestalten]]
1=  
|2= Vier mal LAUTLOS - Anschauungsbeispiele |3=schließen}}
[[Datei:Vier-Sonntage.png|550px|center|Beispiele für die Umformung von Prosa in Lyrik]]
 
|2= Beispiele von Arbeitsergebnissen (Klasse 9)|3=schließen}}
Noch ein Gedicht: "Nachtlied" von Hans Georg Lenzen (aus „Unterwegs Lesebuch 6“, Klett-Verlag, 2004 S. 170), weil es bilderreich und phantasievoll ist:
 
<div class="grid"><div class="width-1-2" style="font-family: times, times new roman; background:#ddeeff; padding:7px; font-size:1em;">
<poem>
NACHTLIED
 
In dem Haus, an das wir denken
Zwitschern Vögel in den Schränken
 
In den Träumen, die wir träumen
Wachsen Sterne auf den Bäumen


In dem Zimmer, wo wir schlafen
'''Kurzkommentar''':
Wiegen Schiffe sich im Hafen


In der Wanduhr überm Tisch
Es ist hilfreich, wenn der vorliegende Prosatext schon eine gewisse '''atmosphärische Dichte''' besitzt, so dass er
Schwimmt der große Messingfisch
innere und äußere Bilder erzeugt, die sich herausschälen und typografisch gestalten lassen. Dialoge oder Aktionen geben das nicht so her, wohl aber Erzählerberichte und Schilderungen, wie sie oft am Anfang von Erzählabschnitten zu finden sind.


Haben Autos goldne Flügel
Hier noch ein etwas anderer Ausgangstext, selbstgemacht (K. Dautel):
Und die Stühle Pferdezügel
:'' Der Wecker scheppert, vom Bett her antwortet dumpfes Grunzen. Durch das Fenster quillt Straßenlärm und der Morgen graut ins Zimmer. Aufstehen! befiehlt der Wecker. Ein Bein zappelt in die Hose, ein Arm bohrt sich durch den Pullover, den Kopf kratzt ein Kamm. Aus dem Spiegel blicken trübe Augen, die Zahnbürste verbeult das Gesicht, links und recht und links und rechts, und scheuert Schaum aus dem Mund. Der Wecker verlangt: Auf Hochtouren kommen, gute Miene zum bösen Spiel, kühler Kopf und Sonne im Herzen. Der Wecker läutet den Tag ein: Es gilt, eine Chance wahrzunehmen, einen Erfolg zu verbuchen, eine gute Tat zu vollbringen. Alltägliches Morgengrauen: randvoll mit Rätseln, wie ein Vorhang, der darauf wartet, geöffnet zu werden, oder ein Loch, in das du fällst, wenn der Fuß nicht weiß wohin.''


Über unsre Betten ziehn
:<small>Anmerkung: Der Theobaldy-Text hat in meinen Stunden bessere Ergebnisse erbracht. Woran das wohl gelegen sein mag? Vielleicht, weil er einfach besser ist. (K. Dautel)</small>
Wolken weiß und leicht dahin
|Unterrichtsidee}}
</poem>
</div>
<div class="width-1-2">
{{Box|Aufgabe|
#Schau Dir dieses Gedicht an und überlege, wovon es handelt.
#Gestalte es nun am Computer, nutze dabei die zu Verfügung stehenden Angebote des Programms.
#Drucke das Ergebnis aus und überlege, was für eine Zeichnung, was für ein Bild Du dem Gedicht hinzufügen möchtest.
#Bereite Dich darauf vor, der Klasse Deine Gestaltungsideen zu erklären.  
#Wichtig: Falls Du eine passende Grafik aus dem Internet einbauen möchtest, beachte die Urheberrechte und frage den Lehrer/die Lehrerin.
|Üben}}
</div></div>


==Siehe auch==
==Siehe auch==
Zeile 89: Zeile 39:
*[[Mit Gedichten arbeiten: W-Fragen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: W-Fragen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Umformen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Umformen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Verdichten]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Wiederholen, verändern, fortsetzen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Wiederholen, verändern, fortsetzen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Vergleichen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Vergleichen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Gestalten]]


[[Kategorie: Deutsch]][[Kategorie: Lyrik]]
[[Kategorie: Deutsch]][[Kategorie: Lyrik]]

Aktuelle Version vom 17. Januar 2019, 05:58 Uhr

Umformen und verdichten

Prosa verdichten

Gedichte sind verdichtete Sprache.

In Gedichten herrscht Sprachökonomie, also Sparsamkeit und Genauigkeit bei der Verwendung von Wörtern und Sätzen. Dadurch können die Wörter in neue Sinnzusammenhänge, in ungewöhnlichere Assoziationsfelder gerückt werden.

Unterrichtsidee

Von Prosa zum Gedicht
Und jetzt, Sonntagnachmittag, die Wolken quirlten am Himmel, als drängten sie nach einem Ausgang, in den sie verströmen konnten, die Häuser standen lautloser als sonst, wie stumm und abweisend waren die Fenster geschlossen, unerschütterlich steckten die Scheiben zwischen den weißgestrichenen Rahmen, war das die einzige Antwort, die die Umgebung bereit hielt? Klirrende Kaffeetische, hinter Vorhängen verborgen, Familientreffen, Geplauder und Gekicher, das keinen Laut nach außen dringen ließ, wollten denn alle in Ruhe gelassen werden und sollte es immer so weiter gehen mit diesen höhlenhaften Sonntagen, in die ganze Generationen hineinkrochen, als wäre nie etwas geschehen, als könnte man, wenigstens in Gedanken, einen Sonntag an den nächsten reihen, stumm, auf einem Band, das alle ereignislosen Tage sammelte, um ein Leben ohne Gefahren herzustellen, Block an Block, fugenlos aneinandergeschmiegt, ohne Lücken. ohne Spalten zum Entkommen?

(aus Jürgen Theobaldy: Sonntags Kino, Rotbuch  Verlag Berlin 1978 S. 81/1)

Arbeitsanweisung:

  1. Betrachte diesen Prosatext als Material für ein Gedicht über das Thema "Sonntagnachmittag" (oder so ähnlich oder auch ganz anders)
  2. Unterstreiche, was Dir brauchbar erscheint. Schreibe das Unterstrichene auf ein Blatt und überlege, wie sich das am besten zusammenbauen („montieren") lässt. Verändere den Text, wenn nötig.
  3. Experimentiere mit den Tempora (Präsens? Präteritum?), achte auf Klangfarbe (Alliteration, Assonanz) und Sprech-Rhythmus. Gruppiere Zeilen zu Strophen.
  4. Überlege, ob Du ein lyrisches Ich einfügen möchtest und wie.
  5. Wiederhole den Vorgang des Unterstreichens, Heraus- und Zusammenschreibens ruhig mehrmals, bis zu Deiner (zumindest vorläufigen!) Zufriedenheit.
  6. Versuche nicht zu reimen.
Beispiele für die Umformung von Prosa in Lyrik

Kurzkommentar:

Es ist hilfreich, wenn der vorliegende Prosatext schon eine gewisse atmosphärische Dichte besitzt, so dass er innere und äußere Bilder erzeugt, die sich herausschälen und typografisch gestalten lassen. Dialoge oder Aktionen geben das nicht so her, wohl aber Erzählerberichte und Schilderungen, wie sie oft am Anfang von Erzählabschnitten zu finden sind.

Hier noch ein etwas anderer Ausgangstext, selbstgemacht (K. Dautel):

Der Wecker scheppert, vom Bett her antwortet dumpfes Grunzen. Durch das Fenster quillt Straßenlärm und der Morgen graut ins Zimmer. Aufstehen! befiehlt der Wecker. Ein Bein zappelt in die Hose, ein Arm bohrt sich durch den Pullover, den Kopf kratzt ein Kamm. Aus dem Spiegel blicken trübe Augen, die Zahnbürste verbeult das Gesicht, links und recht und links und rechts, und scheuert Schaum aus dem Mund. Der Wecker verlangt: Auf Hochtouren kommen, gute Miene zum bösen Spiel, kühler Kopf und Sonne im Herzen. Der Wecker läutet den Tag ein: Es gilt, eine Chance wahrzunehmen, einen Erfolg zu verbuchen, eine gute Tat zu vollbringen. Alltägliches Morgengrauen: randvoll mit Rätseln, wie ein Vorhang, der darauf wartet, geöffnet zu werden, oder ein Loch, in das du fällst, wenn der Fuß nicht weiß wohin.
Anmerkung: Der Theobaldy-Text hat in meinen Stunden bessere Ergebnisse erbracht. Woran das wohl gelegen sein mag? Vielleicht, weil er einfach besser ist. (K. Dautel)

Siehe auch