Wanderjahre in Italien/Juden in Rom und Wahrhaftigkeit: Unterschied zwischen den Seiten

Aus ZUM-Unterrichten
< Wanderjahre in Italien(Unterschied zwischen Seiten)
main>Karl Kirst
K (kat)
 
Markierung: 2017-Quelltext-Bearbeitung
 
Zeile 1: Zeile 1:
== Allgemeine Situation der Juden in Rom ==
Dieser Lernpfad ist konzipiert als für Lernende gedachtes Begleitmaterial zu einem Artikel in ru-heute 1/2020:
Solange nach dem Untergang der römischen Herrschaft noch der Senat, also eine bloß bürgerliche Behörde, das Regiment der Stadt führte, mochten die Hebräer sich eines besseren Loses zu erfreuen haben; aber mit der Herrschaft der Päpste waren sie dem Fanatismus preisgegeben, welcher sich nach und nach bis zu einer durch das Gesetz geregelten Barbarei steigerte. Doch war in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters der Judenhaß noch nicht so groß, daß man die Hebräer als den Auswurf der Menschheit hätte betrachten und behandeln mögen. Auch gab es manchen Papst, der sie menschenfreundlich in Schutz nahm. Selbst noch zur Zeit Alexanders III. (1159-1185) lebten in Rom freie und angesehene Juden, zumal reiche Ärzte von großem Ruf. Benjamin von Tudela erzählt, daß er damals gegen 200 Juden in Rom gefunden habe, angesehene Männer, und keinem tributbar, worunter der Papst seine Diener habe. «Dort findet man», so sagt er, «sehr weise Leute, von denen der erste der große Rabbi Daniel, und Rabbi Dehiel des Papstes Minister sei, ein schöner Jüngling, klug und weise, der am Hof Alexanders aus und ein geht.»


Noch merkwürdiger ist, daß der Gegenpapst Aneklet II. (gest. 1138), Pier Leone, eines getauften Juden Enkel war. Sein Geschlecht spielte in Rom als eine der angesehensten Patrizierfamilien eine glänzende Rolle, und durch lange Jahrhunderte. [...]
"Wahrhaftigkeit. Die Masse der Daten und die Wahrheit des Menschen im Religionsunterricht der Oberstufe"
==Schnelle Technik - Langsame Reflexion==
Die Technik entwickelt sich schnell, und wir lernen schnell, sie zu nutzen und in unseren Alltag zu integrieren. Mit PCs, Laptops, Tablets und Smartphones, mit word, google, twitter, instagram und netflix gehen wir inzwischen selbstverständlich um, als sei es nie anders gewesen. Aber das Bewusstsein, die Reflektion kommt so schnell nicht hinterher, sagt der Sozialforscher Dirk Baecker.
{{Box|Aufgabe|
Geben Sie sich Rechenschaft über Ihre Mediennutzung
|Üben}}


Und bis ins 16. Jahrhundert finden sich jüdische Leibärzte im Vatikan trotz aller Bannbullen dieses oder jenes judenfeindlichen Papstes. Als Orientalen, als Verwandte der Araber standen die Juden überhaupt in aller Welt, auch bei Fürsten und Kaisern, im höchsten Ansehen ärztlicher Wissenschaft. Samuel Sarfadi, ein spanischer Rabbiner, war Leos X. Arzt, ein grundgelehrter und beredter Mann.
{{Box|Recherche|
Natürlich fiel ein Schimmer der päpstlichen Gnade, wenn sich der jüdische Arzt ihrer erfreute, auch auf das Judenvolk in Trastevere zurück. ''Aber bei der Natur des kirchlichen Regiments, welches persönlich ist, sah die römische Judenschaft ihr Los lediglich vom Charakter der jeweiligen Päpste abhängen, und diese wechselnde Behandlungsweise hielt sie in beständiger Aufregung, nährte oder erschlug ihre Hoffnung und gab sie einem fast gesetzlosen Zustande preis.''<ref>Hervorhebung durch Fontane44</ref>
Sehen Sie sich eine [https://de.statista.com/infografik/19259/dauer-der-taeglichen-mediennutzung/ Statistik zur täglichen Mediennutzung] an und bewerten Sie den Befund.  
Es hatten schon viele Konzilien im frühesten Mittelalter die Trennung der Juden von den Christen anbefohlen und ihnen ein Schandabzeichen zu tragen auferlegt; dies Gebot erneute Innocenz III. im Jahre 1215, ebenso andere Päpste. Solche Edikte umgingen die Juden meistens, oder sie kauften sich davon los. Bald auch stieß ein gnädiger Papst um, was ein feindlicher verordnet hatte. Johann XXII. hatte die Juden verfolgt, endlich auch ihren [[Talmud]] untersagt und öffentlich verbrennen lassen. Innocenz VII. dagegen war ihnen gnädig, und am meisten schützte sie Martin V., ein Römer von Geburt. Er gewährte ihnen wieder das Privilegium, Ärzte sein zu können, [...]
|Arbeitsmethode}}


== Entwürdigende Behandlung der Juden ==
{{Box|Frage|
Welche Interessen vermuten Sie hinter den Angeboten in Radio, Fernsehen und Netzwerken, vor allem, wenn Sie umsonst angeboten werden?
|Frage}}


{{Box|Nachdenken|
Sehen Sie sich die [https://schleeh.de/2013/05/02/wenn-du-nichts-bezahlen-musst-bist-du-das-produkt/ Karikatur von Hannes Schleeh] an und beurteilen Sie, ob an dem Vergleich zwischen dem Schwein und dem Nutzer moderner Medien etwas dran ist.
|Meinung}}


Für diese karnevalischen Spiele auf der Piazza Navona, am Hügel Testaccio und auf dem Corso hatte sich nach und nach die Sitte festgestellt, die Juden zur Volksbelustigung zu mißbrauchen. Nicht allein mußten sie sich der Entehrung unterwerfen, einen Trupp ihrer Ältesten, in Jacken oder Wämser gekleidet, der Kavalkade der Senatoren voranschreiten zu lassen, wenn diese den Corsozug eröffneten, sondern sie selbst mußten zur Schau rennen. Paul II., ein Venezianer, war es, welcher im festlich begangenen Friedensjahr 1468 den Römern zuerst die Corso-Rennschauspiele zum besten gab und auch die Juden öffentlich rennen ließ. Noch heute ist es Festsitte in den Städten Italiens, um die sogenannten Pallii zu rennen, das heißt, um den Preis von Teppichen und schönen Seidenstoffen, welche der Sieger davonträgt. Als Paul dieses Fest gab, liefen an jedem der acht Karnevalstage Pferde, Esel und Büffel, Greise, Jünglinge, Kinder und Juden. Man gab den Juden, wie man auch später zu tun pflegte, ehe sie rannten, reichlich zu essen, um den Lauf ihnen selbst beschwerlicher, dem Volk aber ergötzlicher zu machen. Sie liefen vom Arco Domiziano bis zur Kirche S. Marcus am Ende des Corso in voller Furie und unter dem Hetzgeschrei und dem Jubelgelächter Roms, während der Heilige Vater auf dem reichverzierten Ballon stand und herzlich lachte. Zwar möchte es scheinen, daß die allgemeine Teilnahme an dem Wettrennen, welchem sich auch Römer, Greise, Jünglinge und Kinder unterzogen, den Charakter der Entehrung entfernt habe; doch muß man wohl bedenken, daß dasselbe Vergnügen, welches Römern eine willige Lust war und als ein olympisches Spiel angesehen wurde, für die Juden als Schimpf galt. Wer nun je einem Corsorennen in Rom beigewohnt hat, wo jetzt der Lauf der Pferde an die Stelle des ehemaligen Judenlaufs getreten ist, und wer es gesehen hat, wie das Volk in fast furioser Aufregung mit Geschrei und grellem Gepfeife die hinwegstürzenden Tiere vorüberhetzt, der mag sich leicht vorstellen, wie in jenen barbarischen Zeiten die durch den Corso gehetzten Hebräer mehr als Spießruten laufen mußten.
==Automatisierte Datennutzung==
Aus [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/267974/umfrage/prognose-zum-weltweit-generierten-datenvolumen/ Expertenschätzungen] wissen wir, wieviele Daten im Internet gespeichert sind: 33 Zettabyte, anders ausgedrückt 3,3 * 10^25 Zeichen. Etwa vier Milliarden (4 * 10^9) Menschen nutzen das Netz.  


Später wollte das Volk den Judenlauf nicht mehr missen, und ich finde in Sprengers «Roma nova» (vom Jahre 1667) die Nachricht, daß die Juden nackt und nur mit einer Binde um die Lenden laufen mußten, und zwar, sagt er, rennen erst die Esel, dann die Juden, dann die Büffel, dann die Berberpferde.
{{Box|Berechnung|
Rechnen Sie aus, wie viele Daten pro Nutzer das Internet vorhält.
Auf eine Seite gehen ungefähr 2 * 10^3 Zeichen.
Wievielen Seiten entspricht die Datenmenge pro Nutzer.
|Frage}}


Gerade zwei Jahrhunderte lang erduldeten die Juden Roms diese empörende Entehrung, bis sie nach immer wiederholtem Flehen durch päpstliches Edikt davon erlöst wurden. Clemens IX. Rospigliosi befreite sie davon im Jahre 1668 und legte ihnen auf, statt des Rennens jährlich 300 Skudi zu bezahlen, und statt des Vorschreitens vor der Kavalkade des Senators, in der Thronkammer vor den Konservatoren Huldigung zu leisten und die Karnevalsprämien zu überreichen.
Daten diskriminieren, sagt der Soziologe Dirk Baecker.  


Am ersten Sonnabend des Karnevals pflegten die Häupter der Juden als Deputation der Judenschaft Roms vor den Konservatoren auf dem Kapitol zu erscheinen. Sie warfen sich vor ihrem Sessel nieder, und kniend überreichten sie einen Blumenstrauß und 20 Skudi, mit der Bitte, dies zur Auszier des Ballons zu verwenden, auf welchem der römische Senat auf der Piazza del Popolo seinen Sitz nahm. In gleicher Weise gingen sie zu dem Senator und flehten ihn nach hergebrachter Sitte um die Vergünstigung an, ferner in Rom bleiben zu dürfen. Der Senator setzte seinen Fuß auf ihre Stirn, befahl ihnen aufzustehen, und sagte nach hergebrachter Formel, daß die Juden in Rom nicht aufgenommen, doch aus Barmherzigkeit geduldet seien. Auch diese Demütigung ist gezwungen, aber auch jetzt kommen die Juden am ersten Sonnabend der Karnevalsfeste auf das Kapitol und leisten ihre Huldigung und Tribut für die Pallien der Pferde, welche sie zu beschaffen haben, in Erinnerung dessen, daß nun die Pferde an ihrer Statt das Volk belustigen.
{{Box|Beispiel|
Eine Zeugnisnote sagt etwas darüber aus, wieviele Punkte Sie bei verschiedenen Tests gemacht haben. Was noch?
Sie sagt nichts darüber, ob das Fach Sie interessiert oder ob Sie nur um der Note willen für den Test gelernt haben.
Welche für Sie wichtigen Dinge über die Schule verschweigt die Note noch?
|Hervorhebung}}


== Ghetto ==
==Glauben und Wissen==


Endlich errichtete Paul IV. den Ghetto oder Judenzwinger. Bis auf seine Zeit hatten die Juden die, wenn auch nicht ausgesprochene Freiheit, überall in Rom zu wohnen. Natürlich wohnten sie sehr selten in der Mitte der Stadt, noch unter den Christen, ihren Hassern, zerstreut, sondern hielten sich beieinander in Trastevere und an dem Flußufer bis zur Brücke Hadrians. Nun wies ihnen der Papst, nach Art der Venezianer, ein streng abgesperrtes Quartier an, welches wenige enge Straßen unmittelbar am Tiber umfaßte und von der Brücke Quattro Capi bis zum heutigen «Platz der Tränen» reichte. Mauern oder Tore sperrten das Judenviertel. Man nannte es zuerst «Vicus Judaeorum», dann kam der Name Ghetto dafür auf, der nicht mit der venezianischen Benennung Giudecca zusammenzuhängen scheint und wahrscheinlich aus dem talmudischen Wort «Ghet» gebildet ist, welches Absonderung heißt. Es war am 26. Juli 1556, als die Juden Roms in diesen Ghetto zogen, weinend und seufzend wie ihre Vorfahren, da man sie in die Gefangenschaft führte. [...]
{{Box|Definition|
Im Religionsunterricht sollten Sie dem Begriff "Glauben" schon begegnet sein. Sehr verbreitet ist die Gegenüberstellung Glauben - Wissen. Dabei bedeutet Wissen eine Information, die methodisch, systematisch gewonnen wurde, etwa in der Wissenschaft durch Experimente und Beobachtungen oder im Journalismus durch Recherche und Überprüfung. Glauben hingegen beruht auf dem persönlichen Vertrauen. So glauben Liebende einander ihre Liebe. Im Christentum können gundlegende "Wahrheiten" wie die Auferstehung Jesu Christi nicht objektiv überprüft werden, sondern wir müssen den Zeugen glauben.
|Merksatz}}


Als Caraffa im Jahr 1559 starb, und das römische Volk seine Wut an dem Toten auszulassen aufstand, das Haus der Inquisition plünderte und die Minerva, das Kloster der Dominikaner, stürmte, sah man auch die Juden, furchtsam Menschen, die sich an den Revolutionen selbst zur Zeit des Cola di Rienzo nie beteiligt hatten, aus ihrem Zwinger hervorkommen und Flüche auf das Andenken Pauls IV. schleudern. Ein Jude durfte es sogar wagen, der Statue des Papstes auf dem Kapitol den gelben Schandhut aufzusetzen; das Volk lachte, zertrümmerte die Bildsäule und schleifte ihren Kopf mit der Papstkrone durch den Kot. [...]
Der Bereich des Glaubens, wo es um Liebe, Zorn, Vergebung, religiöse Gemeinschaft und dergleichen geht, und der Bereich des Wissens, wo es um Nachrichten und wissenschaftlichen Entdeckungen geht, sind durch Netzwerke wie facebook und twitter, durch Kundenkarten, Kreditkarten und andere Datenquellen etwas durcheinandergeraten.  


In den Ghetto eingesperrt, waren die Juden in fremdes Eigentum eingezogen. Denn die Häuser des Viertels gehörten Römern; auch angesehene Familien wohnten daselbst, wie die Boccapaduli. Ausziehend, blieben diese Eigentümer, jene Mieter. Weil sie aber für immer in jene Straßen eingesperrt wurden, mußten sie ein dauerndes Mietverhältnis feststellen, denn ohne dasselbe konnte sich für die Juden zweierlei Not ereignen: Obdachlosigkeit, wenn es dem Eigentümer einfiel, dem hebräischen Mieter zu kündigen; unerträgliche Verschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, wenn er darauf verfiel, den Zins zu steigern. So entstand das Gesetz, welches verordnete: die Römer bleiben im Eigentum der an die Juden vermieteten Wohnungen, aber jene haben die Häuser in Erbpacht; niemals darf dem jüdischen Einwohner die Miete gekündigt werden, sobald er den Zins richtig gezahlt; niemals darf der Zins erhöht werden; der Jude kann nach seinem Willen das Haus verändern und erweitern. Man nannte und nennt dieses noch heute bestehende Recht das «Jus Gazzagà». Kraft desselben ist der Jude im Erbbesitz des Mietkontrakts und darf diesen an Verwandte oder andere verkaufen, und noch heutigentags gilt es als eine köstliche Habe, im Besitz des Jus Gazzagà oder eines erblichen Mietkontraktes zu sein, und hochgepriesen wird das Judenmädchen, welches ihrem Bräutigam als Mitgift ein solches Dokument aufzuweisen imstande ist. [...]
{{Box|Anekdote|
Die New York Times berichtete 2012 über einen Teenager, der von der Supermarktkette ''Target'' Rabattcoupons für Babykleidung bekam, weil plötzliche Veränderungen im Einkaufsverhalten der Sechzehnjährigen darauf schließen ließen, dass sie schwanger sei. Das traf auch zu, war aber in ihrem Umfeld noch nicht bekannt und sorgte für erhebliche Unruhe. Was wir normalerweise zuerst vertrauten Mitmenschen offenbaren und was die anderen nichts angeht, wird also durch Algorithmen von Ferne kontrolliert und für unterschiedliche Geschäftsmodelle genauestens ausgewertet.


== Judenbekehrungspredigten ==
Sagen Sie Ihre Meinung zu dem geschilderten Fall.
|Meinung}}


Mit Strenge hielt man im 18. Jahrhundert darauf, daß die Juden an bestimmten Tagen christlichen Bekehrungspredigten beiwohnten. Schon Gregor XIII. (1572) hatte die Verordnung erlassen, sie sollten gehalten sein, jede Woche eine Predigt anzuhören. Ein Jude selbst hatte diesen Gebrauch eingeführt, natürlich ein bekehrter, Andreas mit Namen, welcher mit hündischer Konvertitenseele in den Papst Gregor drang, jenes Edikt zu erlassen. Man sah also am Sabbat Häscher der Polizei in den Ghetto kommen und die Juden mit Peitschenhieben in die Kirche treiben, Männer, Weiber und Kinder, wenn diese über zwölf Jahre alt waren. Es mußten sich mindestens 100 Männer und 50 Weiber, später 300 an der Zahl, zur Predigt einfinden. Am Eingang der Kirche zählte ein Wächter die Eintretenden; in der Kirche selbst wachten Häscher über die Aufmerksamkeit der Anwesenden, und schien ein Jude teilnahmslos oder schlaftrunken, so weckten ihn Peitschenhiebe und Stöße. Ein Dominikaner hielt die Predigt, wobei das Allerheiligste vom Altar genommen war, er sprach über solche Texte des Alten Testaments, welche die Juden an demselben Tag in ihrer Synagoge hatten lesen oder erklären hören, damit auf die jüdische Erklärung die katholische unmittelbar folge, und der Hebräer imstande sei, die christliche Wahrheit zu erkennen. Diese Predigten wurden anfangs in San Benedetto alla Regola gehalten, später aber in jener Kirche Sant Angelo in Pescaria, vor der einst Cola di Rienzo seine ersten begeisterten Reden an die Römer hielt.
==Aphorismen==
Nach dieser Episode kehren wir zu den Judenpredigten zurück. Sie wurden später nur fünfmal im Jahr gehalten, und der Gebrauch wollte von selbst erlöschen, als Leo XII. Genga (1823-1829) ihn erneuerte. Heute ist auch diese Barbarei geschwunden, sie ward abgeschafft im ersten liberalen Regierungsjahr Pius' IX., wie man mir erzählte.
Dem zum Christentum bekehrten Juden lohnte natürlich die Erlösung aus dem Ghetto, das Bürgerrecht und alles Menschenrecht, welches dessen Folge ist. Es ereignete sich nicht selten, daß Juden aus dem Ghetto getauft wurden; dann wurden sie, wie das im Charakter von Konvertiten liegt, bekehrungssüchtiger als ihre Bekehrer. So liest man heute auf einer Kirche gegenüber dem Ghetto an der Brücke Quattro Capi, auf deren Fronte die Kreuzigung gemalt ist, in hebräischer und lateinischer Schrift den zweiten Vers aus dem 65. Kapitel des Jesaias: «Ich recke meine Hände aus den ganzen Tag zu einem ungehorsamen Volk, das seinen Gedanken nachwandelt auf einem Wege, der nicht gut ist.» Es ist dies eine Mahnung, welche ein bekehrten Jude, dem neuen Glauben zu schmeicheln, dort hat aufschreiben lassen.


([[Ferdinand Gregorovius]]: ''[[Wanderjahre in Italien (Gregorovius)]]'', 1856–1877 [http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=948&kapitel=36&cHash=98092c6ce22#gb_found Der Ghetto und die Juden in Rom] 1853)
{{Box|Aufgabe|
Suchen Sie sich ein oder zwei der folgenden Zitate aus.
Machen Sie sich die Bedeutung der Aussagen am Beispiel klar.
|Üben}}


== Fußnoten ==
*Dirk Baecker: ''Vor unserem Bildschirm beherrschen wir alle körperlich eine Technik, von der wir mental noch nicht wissen, was sie mit uns anstellt.''
<references/>


{{SORTIERUNG:{{SUBPAGENAME}}}}
*Katharina Nocun: ''Nutzt euer Auskunftsrecht, - Es ist super spannend, ihr bekommt sehr viel Post, und ihr findet sehr viel über euch heraus, was ihr niemals wissen wolltet.''
[[Kategorie:Judentum]]
 
[[Kategorie:Wanderjahre in Italien]]
*Peter Ustinov: ''Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen.''
 
*Monika Schwarz Friesel: ''Sie glauben, ohne zu wissen. Sie 'wissen', weil sie glauben. Sie glauben, weil sie fühlen. So ist der Hass der Ursprung ihrer abstrakten Denkprozesse.''
 
*Amélie Nothomb: ''Jeder erzählt die Geschichte, die er aushält.''
 
==Wissensgesellschaft==
 
{{Box|Definition|
Der Begriff „Wissensgesellschaft“ (''knowledgeable society'') wurde von dem Politologen Robert Lane bereits 1966 geprägt und 1973 von dem Soziologen Daniel Bell als Bezeichnung für die Formation der „postindustriellen Gesellschaft“ populär gemacht. Darin drückt sich die gut belegbare Diagnose aus, dass die Produktion von Waren zukünftig einen geringeren Anteil an Wertschöpfung und Arbeitsvolumen haben wird als die Beschäftigung mit kognitiven Inhalten.
|Merksatz}}
 
{{Box|Aufgabe|
Stelle Berufe, in denen etwas Materielles produziert wird, Berufen gegenüber, die ausschließlich mit Wissen arbeiten.
Urteile, auf welcher Seite der Unterscheidung sich die attraktiveren, einträglicheren, angeseheneren und zukunftsträchtigeren Berufe befinden.
|Üben}}
 
[[Datei:Fuehrungsmodelle.jpg]]
 
In hierarchischen Organisationen wird alles durch Befehl und Gehorsam geregelt. Prototypisch ist eine Armee: Der Soldat muss dem Befehl ohne Zögern folgen, selbst wenn er sich in Lebensgefahr begibt, weil er sonst wegen Befehlsverweigerung vor das Kriegsgericht gestellt wird. Beamtenapparate und Firmen zur Massenfertigung von Konsumgütern wurden oft ebenfalls hierarchisch organisiert. Aber man kann Menschen schlecht befehlen, dass sie ihr Wissen teilen, dass sie fair kooperieren und Konflikte offen austragen. Man kann niemandem befehlen, dass ihm etwas Gutes einfällt.
 
{{Box|Fragen|
*Haben Sie Erfahrungen mit offener Kooperation?
*Haben Sie Erfahrungen mit einem System, das durch Befehl und Gehorsam (hierarchisch) strukturiert wird?
*Wie erleben Sie die Schule, den Religionsunterricht?
*Welche Unterrichtsmethoden stärken die Kooperation und wie kommen diese bei den Schülerinnen und Schülern an?
|Frage}}
 
{{Box|Aufgabe|
Denken Sie darüber nach, welche Vor- und Nachteile kooperative und hierarchische Leitungsstrukturen haben, für welche Aufgaben sie sich eignen und wo sie fehl am Platz sind.
|Üben}}
 
==Bleibende Versuchung Narzissmus==
 
[[Datei:Narzissen.jpg|400]]
 
 
{{Box|Mythos|
Narziss war das Kind einer Vergewaltigung. Seine Mutter, die Nymphe Liriope, wünschte sich für ihr Kind ein langes erfülltes Leben. Der Seher Tiresias sagte dem Knaben ein langes reifes Alter voraus unter der Bedingung, dass er sich nicht kennen lernt. So wuchs Narzissus heran zu einem Jugendlichen von einzigartiger Schönheit, und viele Frauen und Männer verliebten sich in ihn. Auch die Nymphe Echo verliebte sich in Narzissus, sobald sie ihm begegnete. Echo war aber dazu verurteilt, auf den ersten Schritt des Geliebten warten zu müssen, da sie nur antworten, nicht aber selbst die Initiative ergreifen konnte. Narziss hatte keinen Sinn für die anderen Menschen und war deshalb nicht in der Lage, Echos Liebe auch nur wahrzunehmen, geschweige denn zu erwidern. Echo erkrankte an ihrer unerfüllten Liebe, und ihr Körper verwandelte sich in Fels, sodass man seither in den Wäldern nur noch ihre Stimme hört, die antwortet, was man ihr zuruft.
 
Narziss bemerkte von alledem nichts. Er begab sich zu einer reinen unberührten Quelle, weil er dort trinken wollte und ihm der Ort gut gefiel. Indem er sich aber zu der Quelle niederbeugt, sieht er sein Spiegelbild im Wasser, in das er sich sofort unentrinnbar verliebt. Ganz entzückt ist er davon, dass sich sein Spiegelbild zum Kuss hoch reckt, wenn er sich niederbeugt, dass es mit ihm lacht und weint, und zum ersten Mal im Leben erkennt er in dem Gegenüber ein Wesen, das ihm vollkommen entspricht. Von der Liebe zu seinem Spiegelbild im Wasser ist er so eingenommen, dass er sich davon nicht mehr lösen kann, sodass er sich nicht mehr wegbewegt, nichts isst und trinkt. Um so verweifelter macht es ihn, dass er den Geliebten nicht umarmen kann, denn sobald er das Wasser berührt, verschwimmt das Bild. Diese Verzweiflung und die Vernachlässigung seines Körpers machen ihn krank, so dass er an der Quelle stirbt. Als man mit der Totenbahre eintrifft, um seinen Leichnam zu bestatten, ist da keiner mehr, sondern man findet eine Blume, in der Mitte safrangelb, umgeben von weißen Blütenblättern.
 
(Ovid Metamorphoses Buch III, Zeile 340-511
 
nacherzählt in gekürzter Fassung von Karl Vörckel)
|Zitat}}
 
Fake-News, Verschwörungstheorien, Hassbotschaften finden Anklang, weil sie sich für den selbstverliebten Menschen richtig anfühlen. Es sind vor allem drei Faktoren, die dafür veranwortlich sind. Siehe dazu die folgende Grafik:
 
[[Datei:Negative Faktoren.jpg|400]]
 
===Bildungsdefizit===
 
{{Box|Fragen|
*Wie konnte der Brexit eine Mehrheit finden?
 
*Wie konnte Donald Trump amerikanischer Präsident werden?
 
*Was macht die AfD so erfolgreich?
|Frage}}
 
Gemeinsam ist den drei Ereignissen, dass ein schwer definierbares "Wir" sich wehrt gegen "das System", obwohl die Sprecher dieses "Wir" sich sehr einträglich im "System" bewegen. Eine rückwärtsgewandte Politik bedient sich paradoxerweise der modernsten Medien, um Menschen für sich zu gewinnen. Am Beispiel Brexit sollen Sie ausprobieren, wie kluge Meinungsbildung heute gelingen kann.
 
{{Box|Aufgabe|Bilden Sie sich eine Meinung zum Thema Brexit.
|Üben}}
 
{{Box|Recherche|
Entnehmen Sie zuerst dem [https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/eu/id_85553102/brexit-warum-woll-t-en-die-briten-ueberhaupt-raus-aus-der-eu-.html Artikel von t-online news], warum die Briten die Europäische Union verlassen wollten.
 
Mithilfe eines interaktiven Videos, ein Interview der Wirtschaftsjournalistin Jessica Schwarzer mit Sebastian Neckel, einem Abteilungsleiter der Deutschen Bank, können Sie die Einschätzung eines Experten zu den wirtschaftlichen Folgen des Brexit kennen lernen.
|Arbeitsmethode}}
 
{{H5p-zum|id=202|height=860}}
 
{{Box|Urteilen|
Vergleichen Sie die Erwartungen, die von den Brexit-Befürwortern geweckt wurden, mit den voraussichtlichen Folgen des Brexit.|Üben}}
 
Beachten Sie: Es sind nicht die Detailkenntnisse, die den Anhängern gefakter Botschaften fehlen, sondern so etwas wie ein Bewusstsein für Zusammenhänge. Man kann das vergleichen mit einem Schüler, der keinen Sinn für Zahlen hat. Er bekommt die Gleichung  x<sup>2</sup> - 5x + 4 = 0. und rechnet aus: Das ist X 200. Das ist aber nicht nur falsch, sondern verrät auch, dass er nicht mal abschätzen kann, in welchem Bereich die Lösung liegen muss.
 
Wer auf Aussagen wie die folgenden hereinfällt, kann auf technischen oder anderen Gebieten viel wissen, verrät aber eine Ignoranz politischer Zusammenhänge:
 
*''Wir werden eine Mauer bauen, mund Mexiko wird sie bezahlen. Sie wiessen es noch nicht, aber sie werden zahlen.'' (Donald Trump 2016)
*''Nach dem Brexit werden wir Woche für Woche 350 Millionen Pfund einsparen, die wir in das britische Gesundheitssystem stecken können.'' (UKIP 2016)
*''Deutschland entfernt sich unter Kanzlerin Merkel immer weiter von rechtsstaatlichen Grundsätzen.'' (Georg Pazderski, AfD-Bundesvorstand, 2019)
 
{{Box|Zusammenfassung|
Schreiben Sie auf, was Sie über gefakte Botschaften denken, wer Ihrer Meinung nach darauf hereinfällt, und wie man sich dagegen schützen kann.
|Arbeitsmethode}}
 
Wenn Sie mehr über Fake-News erfahren wollen und darüber, wie man sie erkennt, dann empfehle ich das [http://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/medienpaedagogik/243064/fake-news Web-Angebot der Bundeszentrale für Politische Bildung zum Thema]
 
===Microtargeting===
 
{{Box|Definition|
Unter Microtargeting (von gr. mikros - ''klein'' und engl. Target - ''Ziel'') versteht man die zielgenaue Adressierung von Botschaften.
 
Das kann harmlos sein. Wenn Sie sich z.B. für ein neues Fahrrad interessieren und entsprechende Suchanfragen bei Google eingeben und Seiten von Fahrradhändlern aufrufen, dann registriert das System diese Interessen, und sie werden ungefragt Werbung von Fahrradanbietern bekommen.
 
Weniger harmlos ist es, wenn Anbieter versuchen die Zahlungsbereitschaft potentieller Kunden herauszufinden und verschiedene Kunden ein und dasselbe Produkt zu unterschiedlichen Preisen angeboten bekommen.
 
Politische Parteien und Kandidaten können für ihre Wahlwerbung die politische Einstellung und psychische Disposition der Menschen in sozialen Netzwerken analysieren und ganz gezielt jedem '''nach dem Mund reden'''. Diese Taktik hat Donald Trumps Team in der Kampagne 2016 auf ziemlich dreiste Weise eingesetzt.
 
|Merksatz}}
 
===Ausschließung===
 
Familienbande, Geschlecht, Moral und Recht (Verbannung), Klassengegensätze, Parteien, Milieus sind in Gesellschafts- und Geschichtswissenschaft untersuchte historische Abgrenzungen, die heute durch weltweite Mobilität, Vernetzung und Kooperation nicht mehr richtig funktionieren.
 
[[Datei:Weltkarte Ein-und Auswanderung.png|mini|Die Weltkarte stellt die großen Wanderungsbewegungen unserer Zeit dar.]]
 
{{Box|Konkretisierung|
Tragen in die Weltkarte der Wanderungen (oben) Orte ein, an denen Menschen wohnen,
* die mit Ihnen verwandt sind,
* die sie aus anderen Gründen kennen (bitte benennen),
* und Orte, die sie bereits kennen
* oder unbedingt kennen lernen wollen.
|Hervorhebung}}
 
Soziale und berufliche Mobilität, Flucht und Vertreibung mischen die Weltbevölkerung durcheinander, Parteien gelingt es heute schlechter, eine ''Stammwählerschaft'' an sich zu binden, weil auch die sozialen Milieus in Auflösung begriffen sind:
 
*Nur noch wenige Katholiken und Protestanten am Ort treffen sich sonntags in der Kirche. Schon gar nicht heiraten sie untereinander und beschränken ihren Bekanntenkreis auf ein konfessionelles Milieu.
*Die Mehrheit der Menschen lebt heute in großen Städten; häufig wechseln die Nachbarn, die Gemeinschaft im ''Viertel'' hat für viele keine große Bedeutung.
 
Bindungen wie Arbeitsstelle und sexuelle Partnerschaft und Familie, die einmal lebenslang hielten, sind heute weniger verbindlich und werden häufig beispielsweise um der persönlichen Karriere willen aufgegeben.
 
Trotzdem gibt es '''Ausschließung''': ''Die gehören nicht zu uns.'' Daran ändert auch nichts, dass Versuche, das "wir" zu definieren, zum Beispiel als ''Volk'' oder als ''Leitkultur'' nicht eben erfolgreich sind.
 
{{Box|Beispiel|
Wenn Einwanderer aus der Türkei, die vor 60 Jahren nach Deutschland gekommen sind, nicht zum ''deutschen Volk'' gehören sollen, warum glauben dann [https://www.zdf.de/nachrichten/heute/russlanddeutsche-fuer-die-afd-im-visier-des-verfassungsschutzes-100.html Einwanderer aus Russland, die vor 20 Jahren eingewandert sind, definieren zu dürfen, wer dazugehört und wer nicht?]
|Frage}}
 
Eine extreme Form der Ausschließung sind Hass-Postings. Als krasser Fall soll die gerichtliche Auseinandersetzung der Grünen-Politikerin Renate Künast mit dem Hass auf sie im Netz diskutiert werden.
 
{{Box|Fallstudie|
Informieren Sie sich anhand des
[https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-09/gruenen-politikerin-renate-kuenast-beleidigungen-gerichtsurteil-meinungsfreiheit ZEIT-Artikels über den Fall Renate Künast] über Hass im Netz.
 
Beurteilen Sie den Fall aus Ihrer Sicht.
 
Was könnte die Folge sein, wenn Hass in dieser Form hingenommen werden muss, wie das Berliner Landgericht urteilt?|Hervorhebung}}
 
Eine facebookgruppe mit dem Hashtag #ichbinhier setzt sich durch Gegenrede für die Bekämpfung von Hass im Netz ein:
 
{{H5p-zum|id=318|height=600}}
 
==Aufruf zur Wahrhaftigkeit==
 
[[Datei:Alte Prinzipien.jpg|400]]
 
===Klugheit===
 
Eine Anekdote, die Sokrates zugeschrieben wird, kann das Konzept der Klugheit als Tugend vielleicht besser verdeutlichen als eine komplizierte Definition:
 
{{Box|Anekdote|
'''Die drei Siebe des Weisen'''
 
Der weise Sokrates ging gerne durch die Straßen von Athen, um die jungen Leute in philosophische Gespräche zu verstricken. Seine Lehrmethode lief darauf hinaus, dass er seinen Schülern zu der Entdeckung verhalf, dass sie den richtigen Zugang zur Wahrheit schon in sich selbst hatten. Sie mussten sich eben nur von ihren Vorurteilen lösen, dann stand die Wahrheit ganz klar vor ihnen. Diese Lehrmethode nannte Sokrates die '''Hebammenkunst,''' auf griechisch '''Maieutik'''.
 
Ein junger Mann, der schon ein paar Mal mit Sokrates geredet hatte, kam eines Tages aufgeregt hinter ihm hergelaufen und rief: ''Sokrates, Sokrates, hast Du schon die Geschichte von dem Glaukon gehört – die muss ich Dir unbedingt erzählen.'' Sokrates wurde aus seinen Gedanken gerissen und drehte sich zu seinem Schüler um: ''CHAIRE, sei gegrüßt mein Freund. Bevor du mit deiner Geschichte herausplatzt: Hast du das, was du mir sagen willst, durch '''die drei Siebe des Weisen''' gesiebt? Die drei Siebe,'' fragte der junge Mann ratlos: ''Welche drei Siebe?'' Sokrates erwiderte: ''Wollen wir mal sehen, ob das, was Du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht!'' Als der Gesprächspartner zögernd und verunsichert zustimmte, begann Sokrates: ''Das erste Sieb ist die '''Wahrheit''': Hast du das, was du auf dem Herzen hast, daraufhin überprüft, ob es wahr ist?'' Der junge Mann druckste herum: ''Na ja, ich hörte es von Alkibiades, und der hat es von Praxiteles, und von wem der es hat, weiß ich nicht...''
 
Sokrates stellte fest: ''Dann ist die Geschichte im ersten Sieb schon hängen geblieben, wir wollen aber auch das zweite anwenden, das Sieb der '''Güte'''; ist das, was du erzählen willst, gut?'' Da musste der junge Mann grinsen: ''Nein, es ist ganz schön gehässig, das kannst du dir doch denken.''
 
Sokrates fuhr fort: ''Dann wollen wir auch das dritte Sieb benutzen, es ist das Sieb der '''Nützlichkeit:''' Muss ich das wissen, was du mir sagen willst, habe ich irgendetwas davon?''
 
Der Schüler zuckte mit den Schultern: ''Eigentlich nicht; es ist halt Klatsch und Tratsch...''
 
Sokrates: Na denn, wenn deine Erzählung weder nützlich, noch gut, noch wahr ist, dann sollten wir uns mit etwas anderem beschäftigen – findest du nicht?
 
<small>Die Anekdote „Die drei Siebe des Weisen“ wird Sokrates zugeschrieben, aber auch anderen, zum Beispiel Nasreddin Hodscha, dem „türkischen Till Eulenspiegel“ des 14. Jahrhunderts. Es handelt sich also nicht um historischen Stoff, sondern eine gut erfundene Legende.</small>
|Zitat}}
 
{{Box|Aufgabe|
* Bilden Sie sich ein Urteil, inwiefern der Rat des Sokrates als ''klug'' bezeichnet werden muss.
* Überlegen Sie, welche Vorteile jemand haben würde, der Nachrichten durch die drei Siebe des Weisen filtert, bevor er sich mit ihnen befasst und sie weiterverbreitet.
|Üben}}
 
Eine ganze Reihe von Formaten in den Medien bedient die Schadenfreude der Zuschauer; zwei Beispiele
 
*[https://web.de/magazine/unterhaltung/tv-film/dschungelcamp/kandidaten/dschungelcamp-2020-kandidaten-stehen-fest-regenwald-sven-ottke-sonja-kirchberger-daniela-buechner-34169500 RTL Dschungelcamp]
*[https://www.youtube.com/channel/UCxaooSpyYdxDdMmfhA4UhNg Der YouTube-Kanal ViralmediaTube]
 
{{Box|Eigene Erfahrung|
Benennen Sie Ihnen bekannte Medien, die die Schadenfreude bedienen. Beschreiben Sie, wie Ihre Altersgenossen damit umgehen, welche Videos in den Schulpausen oder unter der Schulbank zirkulieren.
|Hervorhebung}}
 
{{Box|Meinung|
Formulieren Sie eine Beurteilung der Schadenfreude:
* Warum macht es Spaß, Medien anzusehen, anzuhören und weiterzugeben, die sich über die Missgeschicke der Mitmenschen lustig machen?
* Macht es auch Spaß, wenn andere sich über die eigenen Missgeschicke lustig machen?
* Der Volksmund sagt ''Lachen ist gesund,'' und da ist sicher etwas dran. Was aber unterscheidet positiven Humor von gehässigem Lachen?
|Meinung}}
 
===Menschlichkeit===
 
{{Box|Zitat|Heute wird von vielen Seiten eine größere Sicherheit gefordert. Doch solange die Ausschließung und die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft und unter den verschiedenen Völkern nicht beseitigt werden, wird es unmöglich sein, die Gewalt auszumerzen. Die Armen und die ärmsten Bevölkerungen werden der Gewalt beschuldigt, aber ohne Chancengleichheit finden die verschiedenen Formen von Aggression und Krieg einen fruchtbaren Boden, der früher oder später die Explosion verursacht. Wenn die lokale, nationale oder weltweite Gesellschaft einen Teil ihrer selbst in den Randgebieten seinem Schicksal überlässt, wird es keine politischen Programme, noch Ordnungskräfte oder ''Intelligence'' geben, die unbeschränkt die Ruhe gewährleisten können. Das geschieht nicht nur, weil die soziale Ungleichheit gewaltsame Reaktionen derer provoziert, die vom System ausgeschlossen sind, sondern weil das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht ist. Wie das Gute dazu neigt, sich auszubreiten, so neigt das Böse, dem man einwilligt, das heißt die Ungerechtigkeit, dazu, ihre schädigende Kraft auszudehnen und im Stillen die Grundlagen jeden politischen und sozialen Systems aus den Angeln zu heben, so gefestigt es auch erscheinen mag. Wenn jede Tat ihre Folgen hat, dann enthält ein in den Strukturen einer Gesellschaft eingenistetes Böses immer ein Potenzial der Auflösung und des Todes. Das in den ungerechten Gesellschaftsstrukturen kristallisierte Böse ist der Grund, warum man sich keine bessere Zukunft erwarten kann.
(Papst Franziskus: ''Evangelii Gaudium'' Nr. 59)
|Zitat}}
 
{{H5p-zum|id=320|height=200}}
 
{{Box|Aufgabe|
Benutzen Sie diese sieben Wörter, um in wenigen Sätzen die Absicht des Papstes zusammenzufassen.
|Üben}}
 
===Wahrhaftigkeit===
 
{{Box|Definition|<big>'''Wahrhaftigkeit meint die ehrliche Bemühung um die Wahrheit'''<br>
'''in Wahrnehmung und Kommunikation''' <br>
'''im Wissen, dass Sicherheit unerreichbar ist.'''</big>|Merke}}
 
====Tugend====
 
Wahrhaftigkeit ist, mit einem traditionellen Begriff bezeichnet - eine ''Tugend''. Das ist eine wünschenswerte menschliche Eigenschaft, etwas, das man sich antrainieren und angewöhnen soll.
 
{{Box|Frage|Welche ''Tugenden'' (wünschenswerte menschliche Eigenschaften) fallen Ihnen ein? |Frage}}
 
{{Box|Recherche|
Welche Tugenden den Menschen wichtig sind, wandelt sich in der Zeit. Man kann darüber viel erfahren, wenn man die Menschen fragt, welche Erziehungsziele sie für ihre Kinder anstreben.
 
Schauen Sie die [https://prezi.com/o2dmkkpmnil7/erziehung-im-wandel-der-zeit/ Präsentation "Erziehung im Wandel der Zeit"]
 
und [https://de.statista.com/graphic/1/914/erziehungsziele.jpg eine aktuelle Umfrage zu Erziehungszielen in Deutschland] an.
 
Fassen Sie zusammen, was Ihnen bemerkenswert erscheint.
 
Diskutieren Sie Ihre Zusammenfassung mit Ihren Mitschüler/innen.|Üben}}
 
====Mühe====
 
''Ehrlichkeit'' gehört zu den Eigenschaften, die als Erziehungsziele besonders wichtig genommen werden. In der Definition der Wahrhaftigkeit ist daher ergänzend von einer ''Mühe'' die Rede. Denn die mühevolle Erarbeitung einer realistischen Einschätzung der Wirklichkeit wird gerne verächtlich gemacht:
 
{{Box|Beispiele|
* Verachtung der Diplomatie und Bejubeln von Taten (oder deren vollmundiger Ankündigung)
* Verachtung demokatischer Meinungsbildung (in Parlamenten und Parteien) und Zustimmung zu markigen Parolen
* Verachtung wissenschaftlicher und journalistischer Sorgfalt und Vertrauen auf das ''Bauchgefühl''
|Meinung}}
 
Weil sich politische Gegner oft gegenseitig die Verfälschung der Wahrheit vorwerfen, muss derjenige, der ein realistisches Bild der Wirklichkeit aucht, selbst ein bisschen vom Recherchieren verstehen. Im Unterkapitel ''Bildungsdefizit'' hatten Sie Gelegenheit, sich entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen.
 
====Unsicherheit====
 
''Sicherheit'' ist ein Wachstumsmarkt. Als Beleg dafür dient [https://www.git-sicherheit.de/printpdf/29902 ein aktueller Bericht aus der Sicherheitsbranche].
 
{{Box|Überlegungen|
* Der Hintergrund des menschlichen Sicherheitsbedürfnis ist offenbar '''die Angst'''. Aber Maßnahmen, dich sich gegen bestimmte Befürchtungen richten - z.B. Versicherungen gegen Eigentumsverluste, Sicherheitseinrichtungen gegen Einbruch, usw. - können aus zwei Gründen die Angst kaum beseitigen:
** Die Maßnahme selbst erinnert an die Befürchtung.
** Keine Maßnahme kann '''alle''' bedrohlichen Möglichkeiten ausschließen. Der eigentliche Grund der Angst, die Ungewissheit der Zukunft, bleibt.
* Sicherheit ist mit der Endlichkeit des menschlichen Lebens, seiner Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten, nicht vereinbar. Hans Blumenberg hat gesagt: ''Das Leben im Zustand seiner definitiven Sicherheit, da kann man nur sagen: wenn man es hinter sich hat.''
* Denken Sie darüber nach.
|Meinung}}
 
====Trotzdem!====
 
{{Box|Bibel|
Und es geschah auf dem Weg nach Jerusalem: Jesus zog durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa.  Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie rein. Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samariter. Da sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.
 
Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.
(Lukas 17,11-21)
|Zitat}}
 
{{Box|Auslegung|
Einige Gesichtspunkte zur Auslegung der Stelle:
* Vor dem Dorf kommen Jesus zehn Menschen entgegen, die an ''Aussatz'' leiden, eine Krankheit, die systematische Ausschließung zur Folge hat: ''Der Aussätzige mit dem Anzeichen soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungekämmt lassen; er soll den Bart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein!  46 Solange das Anzeichen an ihm besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.''(Levitikus 13,45f) - Welche menschlichen Eigenschaften führen heute zur Ausschließung?
* Jesus schickt die Aussätzigen zu den Priestern, die nach den Bestimmungen von Levitikus 14 geheilte Aussätzige in einem aufwändigen, 14-tägigen Verfahren für rein erklären müssen, bevor sie in die Gemeinschaft zurückkehren dürfen. - Wer hat heute die Autorität, Ausgeschlossene in die Gemeinschaft einzugliedern?
* Nur einer der Geheilten kommt zu Jesus zurück, um sich zu bedanken und Gott zu loben. Er ergreift die Chance, in eine Gemeinschaft einzutreten, die Gott auf Erden vergegenwärtigt und die Grenzen, die Menschen gegeneinander errichten, überwindet. Jesus bemerkt, dass es diesen einen als Samaritaner Überwindung gekostet haben muss, zu dem Juden Jesus zu kommen, weil sein Volk der Verachtung der Juden ausgesetzt ist.
* ''Reich Gottes'' kommt nicht plötzlich als Sensation. Man muss aus der Rolle des passiven Beobachters heraustreten, Geduld und Mühe aufbringen, um es inmitten der Wirklichkeit zu entdecken, wenn Lügen zum Schweigen gebracht, Ausschließung und Grenzen überwunden und Kooperationen gestiftet werden. Denken Sie darüber nach, welches Engegament in diesem Sinne ''Reich Gottes'' vergegenwärtigen könnte.
* Jesus hat bei einem der Zehn Erfolg, die Begegnung mit den anderen verläuft enttäuschend, ja, kommt eigentlich gar nicht zustande. Begründen Sie, warum es den Menschen schwer fällt, mit solch unsicheren Erfolgsaussichten zu handeln. Suchen Sie Beispiele, wo professionelles und ehrenamtliches Engegement aber gerade diese Bereitschaft erfordert.
|Aufgabe}}
 
===Testen Sie Ihr Wissen===
 
 
[[Kategorie: Religion]]
[[Kategorie: Lernpfad]]
[[Kategorie: Sekundarstufe 2]]

Version vom 8. Januar 2020, 15:43 Uhr

Dieser Lernpfad ist konzipiert als für Lernende gedachtes Begleitmaterial zu einem Artikel in ru-heute 1/2020:

"Wahrhaftigkeit. Die Masse der Daten und die Wahrheit des Menschen im Religionsunterricht der Oberstufe"

Schnelle Technik - Langsame Reflexion

Die Technik entwickelt sich schnell, und wir lernen schnell, sie zu nutzen und in unseren Alltag zu integrieren. Mit PCs, Laptops, Tablets und Smartphones, mit word, google, twitter, instagram und netflix gehen wir inzwischen selbstverständlich um, als sei es nie anders gewesen. Aber das Bewusstsein, die Reflektion kommt so schnell nicht hinterher, sagt der Sozialforscher Dirk Baecker.

Aufgabe

Geben Sie sich Rechenschaft über Ihre Mediennutzung


Recherche

Sehen Sie sich eine Statistik zur täglichen Mediennutzung an und bewerten Sie den Befund.


Frage

Welche Interessen vermuten Sie hinter den Angeboten in Radio, Fernsehen und Netzwerken, vor allem, wenn Sie umsonst angeboten werden?


Nachdenken

Sehen Sie sich die Karikatur von Hannes Schleeh an und beurteilen Sie, ob an dem Vergleich zwischen dem Schwein und dem Nutzer moderner Medien etwas dran ist.

Automatisierte Datennutzung

Aus Expertenschätzungen wissen wir, wieviele Daten im Internet gespeichert sind: 33 Zettabyte, anders ausgedrückt 3,3 * 10^25 Zeichen. Etwa vier Milliarden (4 * 10^9) Menschen nutzen das Netz.


Berechnung

Rechnen Sie aus, wie viele Daten pro Nutzer das Internet vorhält. Auf eine Seite gehen ungefähr 2 * 10^3 Zeichen. Wievielen Seiten entspricht die Datenmenge pro Nutzer.

Daten diskriminieren, sagt der Soziologe Dirk Baecker.


Beispiel

Eine Zeugnisnote sagt etwas darüber aus, wieviele Punkte Sie bei verschiedenen Tests gemacht haben. Was noch? Sie sagt nichts darüber, ob das Fach Sie interessiert oder ob Sie nur um der Note willen für den Test gelernt haben. Welche für Sie wichtigen Dinge über die Schule verschweigt die Note noch?

Glauben und Wissen

Definition

Im Religionsunterricht sollten Sie dem Begriff "Glauben" schon begegnet sein. Sehr verbreitet ist die Gegenüberstellung Glauben - Wissen. Dabei bedeutet Wissen eine Information, die methodisch, systematisch gewonnen wurde, etwa in der Wissenschaft durch Experimente und Beobachtungen oder im Journalismus durch Recherche und Überprüfung. Glauben hingegen beruht auf dem persönlichen Vertrauen. So glauben Liebende einander ihre Liebe. Im Christentum können gundlegende "Wahrheiten" wie die Auferstehung Jesu Christi nicht objektiv überprüft werden, sondern wir müssen den Zeugen glauben.

Der Bereich des Glaubens, wo es um Liebe, Zorn, Vergebung, religiöse Gemeinschaft und dergleichen geht, und der Bereich des Wissens, wo es um Nachrichten und wissenschaftlichen Entdeckungen geht, sind durch Netzwerke wie facebook und twitter, durch Kundenkarten, Kreditkarten und andere Datenquellen etwas durcheinandergeraten.


Anekdote

Die New York Times berichtete 2012 über einen Teenager, der von der Supermarktkette Target Rabattcoupons für Babykleidung bekam, weil plötzliche Veränderungen im Einkaufsverhalten der Sechzehnjährigen darauf schließen ließen, dass sie schwanger sei. Das traf auch zu, war aber in ihrem Umfeld noch nicht bekannt und sorgte für erhebliche Unruhe. Was wir normalerweise zuerst vertrauten Mitmenschen offenbaren und was die anderen nichts angeht, wird also durch Algorithmen von Ferne kontrolliert und für unterschiedliche Geschäftsmodelle genauestens ausgewertet.

Sagen Sie Ihre Meinung zu dem geschilderten Fall.

Aphorismen

Aufgabe

Suchen Sie sich ein oder zwei der folgenden Zitate aus. Machen Sie sich die Bedeutung der Aussagen am Beispiel klar.

  • Dirk Baecker: Vor unserem Bildschirm beherrschen wir alle körperlich eine Technik, von der wir mental noch nicht wissen, was sie mit uns anstellt.
  • Katharina Nocun: Nutzt euer Auskunftsrecht, - Es ist super spannend, ihr bekommt sehr viel Post, und ihr findet sehr viel über euch heraus, was ihr niemals wissen wolltet.
  • Peter Ustinov: Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen.
  • Monika Schwarz Friesel: Sie glauben, ohne zu wissen. Sie 'wissen', weil sie glauben. Sie glauben, weil sie fühlen. So ist der Hass der Ursprung ihrer abstrakten Denkprozesse.
  • Amélie Nothomb: Jeder erzählt die Geschichte, die er aushält.

Wissensgesellschaft

Definition

Der Begriff „Wissensgesellschaft“ (knowledgeable society) wurde von dem Politologen Robert Lane bereits 1966 geprägt und 1973 von dem Soziologen Daniel Bell als Bezeichnung für die Formation der „postindustriellen Gesellschaft“ populär gemacht. Darin drückt sich die gut belegbare Diagnose aus, dass die Produktion von Waren zukünftig einen geringeren Anteil an Wertschöpfung und Arbeitsvolumen haben wird als die Beschäftigung mit kognitiven Inhalten.


Aufgabe

Stelle Berufe, in denen etwas Materielles produziert wird, Berufen gegenüber, die ausschließlich mit Wissen arbeiten. Urteile, auf welcher Seite der Unterscheidung sich die attraktiveren, einträglicheren, angeseheneren und zukunftsträchtigeren Berufe befinden.

Fuehrungsmodelle.jpg

In hierarchischen Organisationen wird alles durch Befehl und Gehorsam geregelt. Prototypisch ist eine Armee: Der Soldat muss dem Befehl ohne Zögern folgen, selbst wenn er sich in Lebensgefahr begibt, weil er sonst wegen Befehlsverweigerung vor das Kriegsgericht gestellt wird. Beamtenapparate und Firmen zur Massenfertigung von Konsumgütern wurden oft ebenfalls hierarchisch organisiert. Aber man kann Menschen schlecht befehlen, dass sie ihr Wissen teilen, dass sie fair kooperieren und Konflikte offen austragen. Man kann niemandem befehlen, dass ihm etwas Gutes einfällt.


Fragen
  • Haben Sie Erfahrungen mit offener Kooperation?
  • Haben Sie Erfahrungen mit einem System, das durch Befehl und Gehorsam (hierarchisch) strukturiert wird?
  • Wie erleben Sie die Schule, den Religionsunterricht?
  • Welche Unterrichtsmethoden stärken die Kooperation und wie kommen diese bei den Schülerinnen und Schülern an?


Aufgabe

Denken Sie darüber nach, welche Vor- und Nachteile kooperative und hierarchische Leitungsstrukturen haben, für welche Aufgaben sie sich eignen und wo sie fehl am Platz sind.

Bleibende Versuchung Narzissmus

400


Mythos

Narziss war das Kind einer Vergewaltigung. Seine Mutter, die Nymphe Liriope, wünschte sich für ihr Kind ein langes erfülltes Leben. Der Seher Tiresias sagte dem Knaben ein langes reifes Alter voraus unter der Bedingung, dass er sich nicht kennen lernt. So wuchs Narzissus heran zu einem Jugendlichen von einzigartiger Schönheit, und viele Frauen und Männer verliebten sich in ihn. Auch die Nymphe Echo verliebte sich in Narzissus, sobald sie ihm begegnete. Echo war aber dazu verurteilt, auf den ersten Schritt des Geliebten warten zu müssen, da sie nur antworten, nicht aber selbst die Initiative ergreifen konnte. Narziss hatte keinen Sinn für die anderen Menschen und war deshalb nicht in der Lage, Echos Liebe auch nur wahrzunehmen, geschweige denn zu erwidern. Echo erkrankte an ihrer unerfüllten Liebe, und ihr Körper verwandelte sich in Fels, sodass man seither in den Wäldern nur noch ihre Stimme hört, die antwortet, was man ihr zuruft.

Narziss bemerkte von alledem nichts. Er begab sich zu einer reinen unberührten Quelle, weil er dort trinken wollte und ihm der Ort gut gefiel. Indem er sich aber zu der Quelle niederbeugt, sieht er sein Spiegelbild im Wasser, in das er sich sofort unentrinnbar verliebt. Ganz entzückt ist er davon, dass sich sein Spiegelbild zum Kuss hoch reckt, wenn er sich niederbeugt, dass es mit ihm lacht und weint, und zum ersten Mal im Leben erkennt er in dem Gegenüber ein Wesen, das ihm vollkommen entspricht. Von der Liebe zu seinem Spiegelbild im Wasser ist er so eingenommen, dass er sich davon nicht mehr lösen kann, sodass er sich nicht mehr wegbewegt, nichts isst und trinkt. Um so verweifelter macht es ihn, dass er den Geliebten nicht umarmen kann, denn sobald er das Wasser berührt, verschwimmt das Bild. Diese Verzweiflung und die Vernachlässigung seines Körpers machen ihn krank, so dass er an der Quelle stirbt. Als man mit der Totenbahre eintrifft, um seinen Leichnam zu bestatten, ist da keiner mehr, sondern man findet eine Blume, in der Mitte safrangelb, umgeben von weißen Blütenblättern.

(Ovid Metamorphoses Buch III, Zeile 340-511

nacherzählt in gekürzter Fassung von Karl Vörckel)

Fake-News, Verschwörungstheorien, Hassbotschaften finden Anklang, weil sie sich für den selbstverliebten Menschen richtig anfühlen. Es sind vor allem drei Faktoren, die dafür veranwortlich sind. Siehe dazu die folgende Grafik:

400

Bildungsdefizit

Fragen
  • Wie konnte der Brexit eine Mehrheit finden?
  • Wie konnte Donald Trump amerikanischer Präsident werden?
  • Was macht die AfD so erfolgreich?

Gemeinsam ist den drei Ereignissen, dass ein schwer definierbares "Wir" sich wehrt gegen "das System", obwohl die Sprecher dieses "Wir" sich sehr einträglich im "System" bewegen. Eine rückwärtsgewandte Politik bedient sich paradoxerweise der modernsten Medien, um Menschen für sich zu gewinnen. Am Beispiel Brexit sollen Sie ausprobieren, wie kluge Meinungsbildung heute gelingen kann.


Aufgabe

Bilden Sie sich eine Meinung zum Thema Brexit.


Recherche

Entnehmen Sie zuerst dem Artikel von t-online news, warum die Briten die Europäische Union verlassen wollten.

Mithilfe eines interaktiven Videos, ein Interview der Wirtschaftsjournalistin Jessica Schwarzer mit Sebastian Neckel, einem Abteilungsleiter der Deutschen Bank, können Sie die Einschätzung eines Experten zu den wirtschaftlichen Folgen des Brexit kennen lernen.


Urteilen
Vergleichen Sie die Erwartungen, die von den Brexit-Befürwortern geweckt wurden, mit den voraussichtlichen Folgen des Brexit.

Beachten Sie: Es sind nicht die Detailkenntnisse, die den Anhängern gefakter Botschaften fehlen, sondern so etwas wie ein Bewusstsein für Zusammenhänge. Man kann das vergleichen mit einem Schüler, der keinen Sinn für Zahlen hat. Er bekommt die Gleichung x2 - 5x + 4 = 0. und rechnet aus: Das ist X 200. Das ist aber nicht nur falsch, sondern verrät auch, dass er nicht mal abschätzen kann, in welchem Bereich die Lösung liegen muss.

Wer auf Aussagen wie die folgenden hereinfällt, kann auf technischen oder anderen Gebieten viel wissen, verrät aber eine Ignoranz politischer Zusammenhänge:

  • Wir werden eine Mauer bauen, mund Mexiko wird sie bezahlen. Sie wiessen es noch nicht, aber sie werden zahlen. (Donald Trump 2016)
  • Nach dem Brexit werden wir Woche für Woche 350 Millionen Pfund einsparen, die wir in das britische Gesundheitssystem stecken können. (UKIP 2016)
  • Deutschland entfernt sich unter Kanzlerin Merkel immer weiter von rechtsstaatlichen Grundsätzen. (Georg Pazderski, AfD-Bundesvorstand, 2019)


Zusammenfassung

Schreiben Sie auf, was Sie über gefakte Botschaften denken, wer Ihrer Meinung nach darauf hereinfällt, und wie man sich dagegen schützen kann.

Wenn Sie mehr über Fake-News erfahren wollen und darüber, wie man sie erkennt, dann empfehle ich das Web-Angebot der Bundeszentrale für Politische Bildung zum Thema

Microtargeting

Definition

Unter Microtargeting (von gr. mikros - klein und engl. Target - Ziel) versteht man die zielgenaue Adressierung von Botschaften.

Das kann harmlos sein. Wenn Sie sich z.B. für ein neues Fahrrad interessieren und entsprechende Suchanfragen bei Google eingeben und Seiten von Fahrradhändlern aufrufen, dann registriert das System diese Interessen, und sie werden ungefragt Werbung von Fahrradanbietern bekommen.

Weniger harmlos ist es, wenn Anbieter versuchen die Zahlungsbereitschaft potentieller Kunden herauszufinden und verschiedene Kunden ein und dasselbe Produkt zu unterschiedlichen Preisen angeboten bekommen.

Politische Parteien und Kandidaten können für ihre Wahlwerbung die politische Einstellung und psychische Disposition der Menschen in sozialen Netzwerken analysieren und ganz gezielt jedem nach dem Mund reden. Diese Taktik hat Donald Trumps Team in der Kampagne 2016 auf ziemlich dreiste Weise eingesetzt.

Ausschließung

Familienbande, Geschlecht, Moral und Recht (Verbannung), Klassengegensätze, Parteien, Milieus sind in Gesellschafts- und Geschichtswissenschaft untersuchte historische Abgrenzungen, die heute durch weltweite Mobilität, Vernetzung und Kooperation nicht mehr richtig funktionieren.

Die Weltkarte stellt die großen Wanderungsbewegungen unserer Zeit dar.


Konkretisierung

Tragen in die Weltkarte der Wanderungen (oben) Orte ein, an denen Menschen wohnen,

  • die mit Ihnen verwandt sind,
  • die sie aus anderen Gründen kennen (bitte benennen),
  • und Orte, die sie bereits kennen
  • oder unbedingt kennen lernen wollen.

Soziale und berufliche Mobilität, Flucht und Vertreibung mischen die Weltbevölkerung durcheinander, Parteien gelingt es heute schlechter, eine Stammwählerschaft an sich zu binden, weil auch die sozialen Milieus in Auflösung begriffen sind:

  • Nur noch wenige Katholiken und Protestanten am Ort treffen sich sonntags in der Kirche. Schon gar nicht heiraten sie untereinander und beschränken ihren Bekanntenkreis auf ein konfessionelles Milieu.
  • Die Mehrheit der Menschen lebt heute in großen Städten; häufig wechseln die Nachbarn, die Gemeinschaft im Viertel hat für viele keine große Bedeutung.

Bindungen wie Arbeitsstelle und sexuelle Partnerschaft und Familie, die einmal lebenslang hielten, sind heute weniger verbindlich und werden häufig beispielsweise um der persönlichen Karriere willen aufgegeben.

Trotzdem gibt es Ausschließung: Die gehören nicht zu uns. Daran ändert auch nichts, dass Versuche, das "wir" zu definieren, zum Beispiel als Volk oder als Leitkultur nicht eben erfolgreich sind.


Beispiel

Wenn Einwanderer aus der Türkei, die vor 60 Jahren nach Deutschland gekommen sind, nicht zum deutschen Volk gehören sollen, warum glauben dann Einwanderer aus Russland, die vor 20 Jahren eingewandert sind, definieren zu dürfen, wer dazugehört und wer nicht?

Eine extreme Form der Ausschließung sind Hass-Postings. Als krasser Fall soll die gerichtliche Auseinandersetzung der Grünen-Politikerin Renate Künast mit dem Hass auf sie im Netz diskutiert werden.


Fallstudie

Informieren Sie sich anhand des ZEIT-Artikels über den Fall Renate Künast über Hass im Netz.

Beurteilen Sie den Fall aus Ihrer Sicht.

Was könnte die Folge sein, wenn Hass in dieser Form hingenommen werden muss, wie das Berliner Landgericht urteilt?

Eine facebookgruppe mit dem Hashtag #ichbinhier setzt sich durch Gegenrede für die Bekämpfung von Hass im Netz ein:


Aufruf zur Wahrhaftigkeit

400

Klugheit

Eine Anekdote, die Sokrates zugeschrieben wird, kann das Konzept der Klugheit als Tugend vielleicht besser verdeutlichen als eine komplizierte Definition:


Anekdote

Die drei Siebe des Weisen

Der weise Sokrates ging gerne durch die Straßen von Athen, um die jungen Leute in philosophische Gespräche zu verstricken. Seine Lehrmethode lief darauf hinaus, dass er seinen Schülern zu der Entdeckung verhalf, dass sie den richtigen Zugang zur Wahrheit schon in sich selbst hatten. Sie mussten sich eben nur von ihren Vorurteilen lösen, dann stand die Wahrheit ganz klar vor ihnen. Diese Lehrmethode nannte Sokrates die Hebammenkunst, auf griechisch Maieutik.

Ein junger Mann, der schon ein paar Mal mit Sokrates geredet hatte, kam eines Tages aufgeregt hinter ihm hergelaufen und rief: Sokrates, Sokrates, hast Du schon die Geschichte von dem Glaukon gehört – die muss ich Dir unbedingt erzählen. Sokrates wurde aus seinen Gedanken gerissen und drehte sich zu seinem Schüler um: CHAIRE, sei gegrüßt mein Freund. Bevor du mit deiner Geschichte herausplatzt: Hast du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe des Weisen gesiebt? Die drei Siebe, fragte der junge Mann ratlos: Welche drei Siebe? Sokrates erwiderte: Wollen wir mal sehen, ob das, was Du mir erzählen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht! Als der Gesprächspartner zögernd und verunsichert zustimmte, begann Sokrates: Das erste Sieb ist die Wahrheit: Hast du das, was du auf dem Herzen hast, daraufhin überprüft, ob es wahr ist? Der junge Mann druckste herum: Na ja, ich hörte es von Alkibiades, und der hat es von Praxiteles, und von wem der es hat, weiß ich nicht...

Sokrates stellte fest: Dann ist die Geschichte im ersten Sieb schon hängen geblieben, wir wollen aber auch das zweite anwenden, das Sieb der Güte; ist das, was du erzählen willst, gut? Da musste der junge Mann grinsen: Nein, es ist ganz schön gehässig, das kannst du dir doch denken.

Sokrates fuhr fort: Dann wollen wir auch das dritte Sieb benutzen, es ist das Sieb der Nützlichkeit: Muss ich das wissen, was du mir sagen willst, habe ich irgendetwas davon?

Der Schüler zuckte mit den Schultern: Eigentlich nicht; es ist halt Klatsch und Tratsch...

Sokrates: Na denn, wenn deine Erzählung weder nützlich, noch gut, noch wahr ist, dann sollten wir uns mit etwas anderem beschäftigen – findest du nicht?

Die Anekdote „Die drei Siebe des Weisen“ wird Sokrates zugeschrieben, aber auch anderen, zum Beispiel Nasreddin Hodscha, dem „türkischen Till Eulenspiegel“ des 14. Jahrhunderts. Es handelt sich also nicht um historischen Stoff, sondern eine gut erfundene Legende.


Aufgabe
  • Bilden Sie sich ein Urteil, inwiefern der Rat des Sokrates als klug bezeichnet werden muss.
  • Überlegen Sie, welche Vorteile jemand haben würde, der Nachrichten durch die drei Siebe des Weisen filtert, bevor er sich mit ihnen befasst und sie weiterverbreitet.

Eine ganze Reihe von Formaten in den Medien bedient die Schadenfreude der Zuschauer; zwei Beispiele


Eigene Erfahrung

Benennen Sie Ihnen bekannte Medien, die die Schadenfreude bedienen. Beschreiben Sie, wie Ihre Altersgenossen damit umgehen, welche Videos in den Schulpausen oder unter der Schulbank zirkulieren.


Meinung

Formulieren Sie eine Beurteilung der Schadenfreude:

  • Warum macht es Spaß, Medien anzusehen, anzuhören und weiterzugeben, die sich über die Missgeschicke der Mitmenschen lustig machen?
  • Macht es auch Spaß, wenn andere sich über die eigenen Missgeschicke lustig machen?
  • Der Volksmund sagt Lachen ist gesund, und da ist sicher etwas dran. Was aber unterscheidet positiven Humor von gehässigem Lachen?

Menschlichkeit

Zitat

Heute wird von vielen Seiten eine größere Sicherheit gefordert. Doch solange die Ausschließung und die soziale Ungleichheit in der Gesellschaft und unter den verschiedenen Völkern nicht beseitigt werden, wird es unmöglich sein, die Gewalt auszumerzen. Die Armen und die ärmsten Bevölkerungen werden der Gewalt beschuldigt, aber ohne Chancengleichheit finden die verschiedenen Formen von Aggression und Krieg einen fruchtbaren Boden, der früher oder später die Explosion verursacht. Wenn die lokale, nationale oder weltweite Gesellschaft einen Teil ihrer selbst in den Randgebieten seinem Schicksal überlässt, wird es keine politischen Programme, noch Ordnungskräfte oder Intelligence geben, die unbeschränkt die Ruhe gewährleisten können. Das geschieht nicht nur, weil die soziale Ungleichheit gewaltsame Reaktionen derer provoziert, die vom System ausgeschlossen sind, sondern weil das gesellschaftliche und wirtschaftliche System an der Wurzel ungerecht ist. Wie das Gute dazu neigt, sich auszubreiten, so neigt das Böse, dem man einwilligt, das heißt die Ungerechtigkeit, dazu, ihre schädigende Kraft auszudehnen und im Stillen die Grundlagen jeden politischen und sozialen Systems aus den Angeln zu heben, so gefestigt es auch erscheinen mag. Wenn jede Tat ihre Folgen hat, dann enthält ein in den Strukturen einer Gesellschaft eingenistetes Böses immer ein Potenzial der Auflösung und des Todes. Das in den ungerechten Gesellschaftsstrukturen kristallisierte Böse ist der Grund, warum man sich keine bessere Zukunft erwarten kann. (Papst Franziskus: Evangelii Gaudium Nr. 59)


Aufgabe

Benutzen Sie diese sieben Wörter, um in wenigen Sätzen die Absicht des Papstes zusammenzufassen.

Wahrhaftigkeit

Definition

Wahrhaftigkeit meint die ehrliche Bemühung um die Wahrheit
in Wahrnehmung und Kommunikation

im Wissen, dass Sicherheit unerreichbar ist.

Tugend

Wahrhaftigkeit ist, mit einem traditionellen Begriff bezeichnet - eine Tugend. Das ist eine wünschenswerte menschliche Eigenschaft, etwas, das man sich antrainieren und angewöhnen soll.


Frage
Welche Tugenden (wünschenswerte menschliche Eigenschaften) fallen Ihnen ein?


Recherche

Welche Tugenden den Menschen wichtig sind, wandelt sich in der Zeit. Man kann darüber viel erfahren, wenn man die Menschen fragt, welche Erziehungsziele sie für ihre Kinder anstreben.

Schauen Sie die Präsentation "Erziehung im Wandel der Zeit"

und eine aktuelle Umfrage zu Erziehungszielen in Deutschland an.

Fassen Sie zusammen, was Ihnen bemerkenswert erscheint.

Diskutieren Sie Ihre Zusammenfassung mit Ihren Mitschüler/innen.

Mühe

Ehrlichkeit gehört zu den Eigenschaften, die als Erziehungsziele besonders wichtig genommen werden. In der Definition der Wahrhaftigkeit ist daher ergänzend von einer Mühe die Rede. Denn die mühevolle Erarbeitung einer realistischen Einschätzung der Wirklichkeit wird gerne verächtlich gemacht:


Beispiele
  • Verachtung der Diplomatie und Bejubeln von Taten (oder deren vollmundiger Ankündigung)
  • Verachtung demokatischer Meinungsbildung (in Parlamenten und Parteien) und Zustimmung zu markigen Parolen
  • Verachtung wissenschaftlicher und journalistischer Sorgfalt und Vertrauen auf das Bauchgefühl

Weil sich politische Gegner oft gegenseitig die Verfälschung der Wahrheit vorwerfen, muss derjenige, der ein realistisches Bild der Wirklichkeit aucht, selbst ein bisschen vom Recherchieren verstehen. Im Unterkapitel Bildungsdefizit hatten Sie Gelegenheit, sich entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen.

Unsicherheit

Sicherheit ist ein Wachstumsmarkt. Als Beleg dafür dient ein aktueller Bericht aus der Sicherheitsbranche.


Überlegungen
  • Der Hintergrund des menschlichen Sicherheitsbedürfnis ist offenbar die Angst. Aber Maßnahmen, dich sich gegen bestimmte Befürchtungen richten - z.B. Versicherungen gegen Eigentumsverluste, Sicherheitseinrichtungen gegen Einbruch, usw. - können aus zwei Gründen die Angst kaum beseitigen:
    • Die Maßnahme selbst erinnert an die Befürchtung.
    • Keine Maßnahme kann alle bedrohlichen Möglichkeiten ausschließen. Der eigentliche Grund der Angst, die Ungewissheit der Zukunft, bleibt.
  • Sicherheit ist mit der Endlichkeit des menschlichen Lebens, seiner Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten, nicht vereinbar. Hans Blumenberg hat gesagt: Das Leben im Zustand seiner definitiven Sicherheit, da kann man nur sagen: wenn man es hinter sich hat.
  • Denken Sie darüber nach.

Trotzdem!

Bibel

Und es geschah auf dem Weg nach Jerusalem: Jesus zog durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie rein. Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samariter. Da sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.

Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch. (Lukas 17,11-21)


Auslegung

Einige Gesichtspunkte zur Auslegung der Stelle:

  • Vor dem Dorf kommen Jesus zehn Menschen entgegen, die an Aussatz leiden, eine Krankheit, die systematische Ausschließung zur Folge hat: Der Aussätzige mit dem Anzeichen soll eingerissene Kleider tragen und das Kopfhaar ungekämmt lassen; er soll den Bart verhüllen und ausrufen: Unrein! Unrein! 46 Solange das Anzeichen an ihm besteht, bleibt er unrein; er ist unrein. Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten.(Levitikus 13,45f) - Welche menschlichen Eigenschaften führen heute zur Ausschließung?
  • Jesus schickt die Aussätzigen zu den Priestern, die nach den Bestimmungen von Levitikus 14 geheilte Aussätzige in einem aufwändigen, 14-tägigen Verfahren für rein erklären müssen, bevor sie in die Gemeinschaft zurückkehren dürfen. - Wer hat heute die Autorität, Ausgeschlossene in die Gemeinschaft einzugliedern?
  • Nur einer der Geheilten kommt zu Jesus zurück, um sich zu bedanken und Gott zu loben. Er ergreift die Chance, in eine Gemeinschaft einzutreten, die Gott auf Erden vergegenwärtigt und die Grenzen, die Menschen gegeneinander errichten, überwindet. Jesus bemerkt, dass es diesen einen als Samaritaner Überwindung gekostet haben muss, zu dem Juden Jesus zu kommen, weil sein Volk der Verachtung der Juden ausgesetzt ist.
  • Reich Gottes kommt nicht plötzlich als Sensation. Man muss aus der Rolle des passiven Beobachters heraustreten, Geduld und Mühe aufbringen, um es inmitten der Wirklichkeit zu entdecken, wenn Lügen zum Schweigen gebracht, Ausschließung und Grenzen überwunden und Kooperationen gestiftet werden. Denken Sie darüber nach, welches Engegament in diesem Sinne Reich Gottes vergegenwärtigen könnte.
  • Jesus hat bei einem der Zehn Erfolg, die Begegnung mit den anderen verläuft enttäuschend, ja, kommt eigentlich gar nicht zustande. Begründen Sie, warum es den Menschen schwer fällt, mit solch unsicheren Erfolgsaussichten zu handeln. Suchen Sie Beispiele, wo professionelles und ehrenamtliches Engegement aber gerade diese Bereitschaft erfordert.

Testen Sie Ihr Wissen