Industrielle Revolution/Hintergrund und Katholische Religionslehre/Religionslehre: Unterschied zwischen den Seiten

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"Religionslehre" ist ein Schulfach, nicht abgespeckte Theologie, nicht Mission, nicht Kirche in der Schule, nicht Katechese, nicht Konferenz, nicht Liturgie, nicht Meditation, obwohl ReligionslehrerInnen von allen genannten Alternativen selbstverständlich lernen können und müssen.


Die '''Industrielle Revolution''' wird in mehreren, sich teilweise überschneidenden Seiten behandelt:


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Die Inhalte der Religionslehre werden in Deutschland von gemischten Kommissionen der Kultusministerien und der Bischöfe bestimmt. Keine ReligionslehrerIn kann sich aber darauf beschränken diese Inhalte nach vorgesehenen Methoden den SchülerInnen zu präsentieren. Denn ReligionslehrerInnen sind Zeugen oder, wie Pius Siller mehrfach betont hat, wenigstens Bürgen der Wahrheit, um die es in ihrem Unterricht geht: Religion. Um exemplarisch aufzufächern, wie schillernd dieses Wort gebraucht wird, möchte ich mit ein paar „es gibt“-Sätzen einsteigen:
'''[[Industrielle Revolution]]'''
# [[Industrielle_Revolution/Bevölkerungsentwicklung|Bevölkerungsentwicklung]]
# [[Industrielle_Revolution/Urbanisierung|Urbanisierung]]
# [[Industrielle_Revolution/Lebenswelten|Lebenswelten]]
#* [[Industrielle_Revolution/Quiz: Lebenswelten|Quiz zur Selbstüberprüfung: Lebenswelten]]
# [[Industrielle_Revolution/Arbeitswelten|Arbeitswelten]]
#* [[Industrielle_Revolution/Fabrikzwang|Fabrikzwang]] 
#* [[Industrielle_Revolution/Quiz: Arbeitswelten|Quiz zur Selbstüberprüfung: Arbeitswelten]]
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'''[[Urbanisierung]]'''
# [[Urbanisierung/Meyers Hof|Mietskaserne am Bsp. Meyers Hof]]
# Wohnverhältnisse
# [[Urbanisierung/Schlafgänger|Schlafgänger]]
|
'''[[Soziale Frage]]'''
# [[Soziale Frage/Kernprobleme|Kernprobleme]]
# Lösungsversuche
## [[Soziale Frage/Lösungsversuche der Arbeitgeber|Lösungsversuche der Arbeitgeber]]
## [[Soziale Frage/Lösungsversuche der Kirchen|Lösungsversuche der Kirchen]]
## [[Soziale Frage/Staatliche Reformpolitik|Staatliche Reformpolitik]]
## [[Soziale Frage/Arbeiterbewegung|Arbeiterbewegung]]
# [[Soziale Frage/Ausblick|Ausblick (Warum kam es nicht zur Revolution?)]]
}}


Während der Lernpfad [[Industrielle Revolution]] die Veränderungen der Lebens- und Arbeitswelten thematisiert, versucht die Sequenz [[Urbanisierung]] die Wohnverhältnisse anhand von Beispielen und von Grafiken von Heinrich Zille zu beleuchten. Der Lernpfad [[Soziale Frage]] behandelt die Soziale Frage und ihre Lösungsversuche, die eine drohende Revolution letztendlich verhinderten.


* Es gibt Menschen, die etwas heilig halten, bewusst und emotional. Es gibt aber auch Menschen, die sehr ähnlich handeln und empfinden, aber das Adjektiv „heilig“ bewusst meiden würden; sie gehen mit dem Recht, dem Geld, der Sexualität, der Macht, dem Spaß, der Forschung oder der Kunst um wie wir Christen mit dem Sakrament, geprägt von Pathos und Ausschließlichkeit.
* Es gibt Menschen, die von „Religionsersatz“ reden. Das setzt voraus, man glaube zu wissen, was Religion sei. Dann können gesellschaftliche Systeme wie zum Beispiel Mode, Sport oder körperliche oder technische Perfektion analysiert werden als etwas, was zwar nicht Religion sei, weil deren vorgefasste Definition nicht zutrifft, was aber die Funktion der Religion erfülle.
* Es gibt die Rede vom „Aberglauben“, früher auch drastischer „Afterglauben“. Auch hier ist etwas vorausgesetzt, nämlich Kriterien für einen Glauben, den man vernünftigerweise haben kann; diese Kriterien erfüllt dann der Aberglaube nicht. Sehr ähnlich wird der Begriff der „Sekte“ zur Abgrenzung von einer Bewegung benützt, deren Merkmale einer ernst zu nehmenden Religionsgemeinschaft unwürdig seien wegen angeblicher Dummheit oder Gewaltsamkeit oder Geldgier oder Ausschließlichkeit oder aus anderen Gründen.
* Es gibt Menschen, die Kultur und Religion identifizieren, und solche, die geradezu einen Gegensatz darin sehen. Die Pädagogik erstrebt im weltanschaulich neutralen politischen System eine weltanschaulich neutrale Begründung ihrer Prinzipien, und es wird ihr entgegengehalten eine weltanschaulich neutrale Erziehung sei geradeso wie ein flügelloses Flugzeug oder ein wasserfreier See.
* Es gibt schließlich Elemente der Religion oder Weltanschauung – wie man will -, die tief unbewusst sind: Was verrät die unaufgebbar metaphorische Struktur der gesprochenen Sprache; was sagen Gruß- und Abschiedsriten aus, Sitten und Gebräuche, allgemein akzeptierte Ziele – „Lieber reich und gesund als arm und krank!“ -, ethische Universalien? – Wir müssen manchmal lange nachdenken, um uns der Weltanschauung bewusst zu werden, die in unserer Praxis unerkannt zum Ausdruck kommt.




Die Religionslehre konstatiert diese Realitäten und ist gewarnt, wie leicht man Vorurteile in Fragen der Religion mit allgemeingültigen Aussagen verwechselt. Um methodisch zu kontrollieren, wie vorgegangen wird und mit welchen Hintergründen, sollen als Ordnungsrahmen drei Ebenen dienen, die konkrete, von einer natürlichen Person bewusst und unbewusst praktizierte Religion immer ausmachen:
* '''Jede Religion ist individuell,'''
geprägt von Erfahrungen dessen, der sie ausübt: Es gibt nicht zwei Menschen, die regelmäßig Gottesdienste besuchen und dies aus exakt demselben Grund so halten; das gilt auch vom Fernbleiben und von allen anderen heiligen Handlungen, und es gilt sowohl von den Gründen, die jemand spontan äußern würde, und von Motiven, die man durch geschicktes Befragen vielleicht herausbekommen könnte.
*'''Jede Religion ist konfessionell,'''
geprägt von den Erfahrungen einer geschichtlichen Herkunft, die sich an bestimmten Texten, Symbolen und Riten auskristallisiert hat, aber von jedem auch wieder neu in ein anderes Leben integriert werden muss.
*'''Jede Religion ist universell,'''
geprägt von der Unvermeidlichkeit, dass das von mir Bejahte und Verneinte entweder wirklich wahr oder wirklich falsch ist, und das gälte dann für alle. Wie dieser unvermeidliche Universalitätsanspruch mit Toleranz zu vereinbaren, ja, Voraussetzung recht verstandener Toleranz ist, gehört zu den aktuell spannendsten Fragen der Religionen und dieses Lehrbuches.




== Industrielle Revolution ==
Die Religionslehre, die das [[ZUM-Wiki-Book Katholische Religionslehre]] darstellt, ist „katholisch“. Das Eigenschaftswort bezeichnet einerseits eine christliche Konfession, der die Autoren angehören und in deren Rahmen sie studiert und einen Beruf ausgeübt haben. Daraus folgt, dass eine von Katholiken erarbeitete Religionslehre von selbst „katholisch“ sein wird; sie fänden es befremdlich, eine katholische Religionslehre von einem evangelischen Christen oder einem Muslim zu lesen. Denn nur aus der Innenperspektive kann das Potential einer Religion ermessen werden. Den Islam von außen aufzufordern, eine wissenschaftliche Interpretation seiner Urschrift zuzulassen, ist etwas völlig anderes als wenn der iranische Reformtheologe Hassan Jussefi Eschkewari die dialektische Beziehung zwischen Text und Rezipient des Quran untersucht.<ref>(1)</ref>


==== Aspekte ====
[[Datei:Bonn-Cölner-Eisenbahn 1844.jpg|miniatur|hochkant=2.0|Der Eisenbahnbau als Ausdruck der industriellen Revolution (hier die [[Bonn-Cölner Eisenbahn]] um 1844)]]
[[Bild:Borsig 1847.jpg|thumb|Lokomotivfabrik von August Borsig (um 1847)]]




===== Entwicklung der Eisenbahn =====
„[[../Katholisch|Katholisch]]“ ist aber nicht nur mehr oder weniger zufällige Bezeichnung eines religionshistorischen Phänomens, sondern auch ein Prinzip, das mit der Wortübersetzung „umfassend“ gerade mal unscharf angedeutet ist. Es gilt, eine Religionsgemeinschaft zu beschreiben, die strukturell in der Lage ist, Menschen aller Kulturen zu integrieren, anders gesagt: Religion, die das Individuellste und Innerste im Menschen thematisiert, als Vernetzung über alle Kontinente und Ethnien und über alle Zeiten und Epochen hinweg effektiv zu organisieren. Da heute in jeder Region der Welt zahlreiche Kulturen und Ethnien miteinander leben, muss die Religionslehre, die in der öffentlichen Schule vermittelt wird, sich des Prinzips bewusst sein, von dem sie herkommt, hier also des katholischen.
Die Entwicklung des Eisenbahnetzes in Deutschland zeigt sehr anschaulich die folgenden animierte Karte, die auf den Seiten der IEG zu finden ist: [http://www.ieg-maps.uni-mainz.de/mapsp/mapebga0.htm Eisenbahnen in Deutschland 1835-1885].


===== {{wpde|Urbanisierung}}: hygienische Verhältnisse / ökologische Folgen =====
* Jan Oliver Krzywanek (FU Berlin): [http://www.elfenbeinturm.net/archiv/2004b/14.html Die Entstehung der Berliner Kanalisation]
: ''Vor mehr als einem Jahrhundert stank es in Berlin zum Himmel. Die Kloake schwamm zusammen mit dem Regenwasser durch die Rinnsteine der Stadt und sorgte neben dem üblen Gestank für katastrophale hygienische Verhältnisse. Erst der Einsatz von Hygieneexperten wie des Berliner Arztes Rudolf Virchow oder des Architekten James Hobrecht sorgte für die Einführung eines Abwassersystems, das gegen Ende des 19.&nbsp;Jahrhunderts zu einer wesentlichen Verbesserung der [[Hygiene|hygienischen]] Umstände führte und die Sterbe- und Krankheitsrate senkte. [...]''


===== Bevölkerungszuwachs =====
== Fußnoten ==
{{Zitat|''[...] Die Industrialisierung wurde im 19. Jahrhndert vom größten Bevölkerungszuwachs in der deutschen Geschichte begleitet, der zu Recht manchmal auch als „demografische Revolution“ [...] bezeichnet wird. Die Zahl der Einwohner auf dem Gebiet des Deutschen Reiches nahm zwischen 1816 und 1850 von 24,8 Millionen auf 35,5 Millionen um mehr als 40 % zu und schnellte dann nochmals auf knapp 65 Millionen im Jahr 1910 in die Höhe [...]. Die Bevölkerung nahm dramatisch zu, obwohl Deutschland seit dem frühen 19.&nbsp;Jahrhundert bis in die 1890er Jahre mehrere Auswanderungswellen erlebte [...].''|2=
<references/> Siehe dazu die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung „Reformislam. Akteure, Methoden und Themen progressiven Denkens im zeitgenössischen Islam“ (Nr. 155/2006) [http://www.isuk-islam.org/documents/ReformIslam.pdf mehr..]
* Rainer Geissler: [http://books.google.de/books?id=nj_u4XG0CukC&pg=PA32&lpg=PA32&dq=%22demografische+Revolution%22&source=bl&ots=RJsEwsBziH&sig=ULKYwgKsFP0liPOEM1JKhsIlTeg&hl=de&ei=scNjTLvJHMKSjAfQucyiCQ&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=36&ved=0CIcBEOgBMCM#v=onepage&q=%22demografische%20Revolution%22&f=false Die Sozialstruktur Deutschlands, Vs Verlag, 2008, Seite 32 f.]}}


=== Industrialisierung im Ruhrgebiet ===
[[Datei:Barmen (1870).jpg|miniatur|''Barmen um 1870 vom Ehrenberg aus gesehen'', Gemälde von August von Wille]]
[[Datei: Zeche Sterkrade Colliery0001.JPG|miniatur|Zeche Sterkrade, Foto, ca. 1910–1913]]


<gallery>
{{SORTIERUNG:{{SUBPAGENAME}}}}
Datei:Alfred Rethel 001.jpg|Mechanische Werkstätten von Friedrich Harkort in den Ruinen der Burg Wetter
[[Kategorie:ZUM-Wiki-Buch Katholische Religionslehre|!]]
Datei:Barmen (1870).jpg|''Barmen um 1870 vom Ehrenberg aus gesehen'', Gemälde von August von Wille
Datei: Zeche Sterkrade Colliery0001.JPG|Zeche Sterkrade, Foto, ca. 1910–1913
</gallery>
 
=== Arbeiterbewegung ===
 
{{Zitat| ''[...] 2. Das eherne ökonomische Gesetz, welches unter den heutigen Verhältnissen, unter der Herrschaft von [[Grundlagen_der_Volkswirtschaftslehre#Angebot_und_Nachfrage_bestimmen_den_Marktpreis|Angebot und Nachfrage]] nach Arbeit, den Arbeitslohn bestimmt, ist dieses: daß der durchschnittliche Arbeitslohn immer auf den [[Armut#Existenzminimum|notwendigen Lebensunterhalt reduziert bleibt, der in einem Volke gewohnheitsgemäß zur Fristung der Existenz]] und zur Fortpflanzung erforderlich ist. Dies ist der Punkt, um welchen der wirkliche Tageslohn in Pendelschwingungen jederzeit herum gravitiert, ohne sich jemals lange weder über denselben erheben, noch unter denselben hinunterfallen zu können. Er kann sich nicht dauernd über diesen Durchschnitt erheben — denn sonst entstände durch die leichtere, bessere Lage der Arbeiter eine Vermehrung der Arbeiterehen und der Arbeiterfortpflanzung, eine Vermehrung der Arbeiterbevölkerung und somit des Angebots von Händen, welche den Arbeitslohn wieder auf und unter seinen früheren Stand herabdrücken würde. [...]''|
* Ferdinand Lassalle: [http://www.marxistsfr.org/deutsch/referenz/lassalle/1863/03/antwortschreiben.htm Offenes Antwortschreiben.] An das Zentralkommitee zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses zu Leipzig, 1. März 1863.}}
 
== Einzelnachweise ==
<references/>
 
 
== Materialien ==
 
* [http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/wirtschaft_und_finanzen/industrialisierung/ Industrialisierung in Deutschland] (planet-wissen.de)
** [http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/wirtschaft_und_finanzen/industrialisierung/video_industrie_beginn.jsp Video: Der Beginn der Industrialisierung (1'57'')]
**:"In den 1760er Jahren begann in England der Prozess, den wir heute Industrialisierung nennen. Doch warum ausgerechnet dort und warum zu diesem Zeitpunkt? Der Wirtschaftshistoriker Dr. Hendrik Fischer nennt einige Gründe, die dazu geführt haben, dass England das Geburtsland der industriellen Revolution wurde."
* [http://www.bpb.de/publikationen/2OR8C7,0,Voraussetzungen_der_Industrialisierung_Entwicklung_der_Technik.html Voraussetzungen der Industrialisierung - Entwicklung der Technik - in: Informationen zur politischen Bildung (Heft 164)] (Bundeszentrale für politische Bildung)
 
 
== Lernpfadinhalte ==
 
Die nachfolgenden Einzelkapitel geben dir einen Einblick in die wichtigen Themenfelder zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Sie setzen sich mit folgenden Fragen auseinander:
* Welche Veränderungen bewirkte die Industrialisierung in den Lebens- und Arbeitsverhältnissen?
* Welche sozialen Spannungen und Konflikte entstanden im Zuge der Industrialisierung und welche Konsequenzen zogen die beteiligten Gruppierungen daraus?
* Welche Lösungsvorschläge wurden vorgebracht und umgesetzt?
 
'''Methodenarbeit:'''
 
* Kartenarbeit
* Arbeit mit Statistiken
* Bildanalyse und -interpretation
 
{{Lernpfad Industrielle Revolution}}
 
 
 
== Abschließender Wissenscheck zur Einheit==
 
Setze dich mit folgenden Aufgaben auseinander. Du kannst sie allerdings erst abarbeiten, wenn du die einzelnen Themengebiete wiederholt und gelernt hast.
 
# ''Erst zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte in Deutschland die Industrialisierung ein. Erkläre diesen Umstand unter Berücksichtigung der Ausgangssituation in Deutschland!''
# ''Stelle den Verlauf der industriellen Revolution in Deutschland dar!''
# ''Erörtere die Veränderungen der Lebensbedingungen im Verlauf der industriellen Revolution!''
# ''Erörtere die Problematik der sozialen Frage!''
# ''Diskutiere unterschiedliche Lösungsansätze zur sozialen Frage unter Berücksichtigung unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppierungen!''
 
 
 
{{Merke|
'''Grundwissen'''
 
Die folgenden Begriffe solltest du kennen:
 
Merkantilismus, Verlagswesen, Fabrik, soziale Frage, Sozialgesetzgebung, Sozialistengesetz, industrielle Revolution, Urbanisierung
 
}}
 
[[Kategorie:Revolution]]

Version vom 6. November 2019, 17:05 Uhr

Vorlage:Dieser Artikel

"Religionslehre" ist ein Schulfach, nicht abgespeckte Theologie, nicht Mission, nicht Kirche in der Schule, nicht Katechese, nicht Konferenz, nicht Liturgie, nicht Meditation, obwohl ReligionslehrerInnen von allen genannten Alternativen selbstverständlich lernen können und müssen.


Die Inhalte der Religionslehre werden in Deutschland von gemischten Kommissionen der Kultusministerien und der Bischöfe bestimmt. Keine ReligionslehrerIn kann sich aber darauf beschränken diese Inhalte nach vorgesehenen Methoden den SchülerInnen zu präsentieren. Denn ReligionslehrerInnen sind Zeugen oder, wie Pius Siller mehrfach betont hat, wenigstens Bürgen der Wahrheit, um die es in ihrem Unterricht geht: Religion. Um exemplarisch aufzufächern, wie schillernd dieses Wort gebraucht wird, möchte ich mit ein paar „es gibt“-Sätzen einsteigen:


  • Es gibt Menschen, die etwas heilig halten, bewusst und emotional. Es gibt aber auch Menschen, die sehr ähnlich handeln und empfinden, aber das Adjektiv „heilig“ bewusst meiden würden; sie gehen mit dem Recht, dem Geld, der Sexualität, der Macht, dem Spaß, der Forschung oder der Kunst um wie wir Christen mit dem Sakrament, geprägt von Pathos und Ausschließlichkeit.
  • Es gibt Menschen, die von „Religionsersatz“ reden. Das setzt voraus, man glaube zu wissen, was Religion sei. Dann können gesellschaftliche Systeme wie zum Beispiel Mode, Sport oder körperliche oder technische Perfektion analysiert werden als etwas, was zwar nicht Religion sei, weil deren vorgefasste Definition nicht zutrifft, was aber die Funktion der Religion erfülle.
  • Es gibt die Rede vom „Aberglauben“, früher auch drastischer „Afterglauben“. Auch hier ist etwas vorausgesetzt, nämlich Kriterien für einen Glauben, den man vernünftigerweise haben kann; diese Kriterien erfüllt dann der Aberglaube nicht. Sehr ähnlich wird der Begriff der „Sekte“ zur Abgrenzung von einer Bewegung benützt, deren Merkmale einer ernst zu nehmenden Religionsgemeinschaft unwürdig seien wegen angeblicher Dummheit oder Gewaltsamkeit oder Geldgier oder Ausschließlichkeit oder aus anderen Gründen.
  • Es gibt Menschen, die Kultur und Religion identifizieren, und solche, die geradezu einen Gegensatz darin sehen. Die Pädagogik erstrebt im weltanschaulich neutralen politischen System eine weltanschaulich neutrale Begründung ihrer Prinzipien, und es wird ihr entgegengehalten eine weltanschaulich neutrale Erziehung sei geradeso wie ein flügelloses Flugzeug oder ein wasserfreier See.
  • Es gibt schließlich Elemente der Religion oder Weltanschauung – wie man will -, die tief unbewusst sind: Was verrät die unaufgebbar metaphorische Struktur der gesprochenen Sprache; was sagen Gruß- und Abschiedsriten aus, Sitten und Gebräuche, allgemein akzeptierte Ziele – „Lieber reich und gesund als arm und krank!“ -, ethische Universalien? – Wir müssen manchmal lange nachdenken, um uns der Weltanschauung bewusst zu werden, die in unserer Praxis unerkannt zum Ausdruck kommt.


Die Religionslehre konstatiert diese Realitäten und ist gewarnt, wie leicht man Vorurteile in Fragen der Religion mit allgemeingültigen Aussagen verwechselt. Um methodisch zu kontrollieren, wie vorgegangen wird und mit welchen Hintergründen, sollen als Ordnungsrahmen drei Ebenen dienen, die konkrete, von einer natürlichen Person bewusst und unbewusst praktizierte Religion immer ausmachen:

  • Jede Religion ist individuell,

geprägt von Erfahrungen dessen, der sie ausübt: Es gibt nicht zwei Menschen, die regelmäßig Gottesdienste besuchen und dies aus exakt demselben Grund so halten; das gilt auch vom Fernbleiben und von allen anderen heiligen Handlungen, und es gilt sowohl von den Gründen, die jemand spontan äußern würde, und von Motiven, die man durch geschicktes Befragen vielleicht herausbekommen könnte.

  • Jede Religion ist konfessionell,

geprägt von den Erfahrungen einer geschichtlichen Herkunft, die sich an bestimmten Texten, Symbolen und Riten auskristallisiert hat, aber von jedem auch wieder neu in ein anderes Leben integriert werden muss.

  • Jede Religion ist universell,

geprägt von der Unvermeidlichkeit, dass das von mir Bejahte und Verneinte entweder wirklich wahr oder wirklich falsch ist, und das gälte dann für alle. Wie dieser unvermeidliche Universalitätsanspruch mit Toleranz zu vereinbaren, ja, Voraussetzung recht verstandener Toleranz ist, gehört zu den aktuell spannendsten Fragen der Religionen und dieses Lehrbuches.


Die Religionslehre, die das ZUM-Wiki-Book Katholische Religionslehre darstellt, ist „katholisch“. Das Eigenschaftswort bezeichnet einerseits eine christliche Konfession, der die Autoren angehören und in deren Rahmen sie studiert und einen Beruf ausgeübt haben. Daraus folgt, dass eine von Katholiken erarbeitete Religionslehre von selbst „katholisch“ sein wird; sie fänden es befremdlich, eine katholische Religionslehre von einem evangelischen Christen oder einem Muslim zu lesen. Denn nur aus der Innenperspektive kann das Potential einer Religion ermessen werden. Den Islam von außen aufzufordern, eine wissenschaftliche Interpretation seiner Urschrift zuzulassen, ist etwas völlig anderes als wenn der iranische Reformtheologe Hassan Jussefi Eschkewari die dialektische Beziehung zwischen Text und Rezipient des Quran untersucht.[1]


Katholisch“ ist aber nicht nur mehr oder weniger zufällige Bezeichnung eines religionshistorischen Phänomens, sondern auch ein Prinzip, das mit der Wortübersetzung „umfassend“ gerade mal unscharf angedeutet ist. Es gilt, eine Religionsgemeinschaft zu beschreiben, die strukturell in der Lage ist, Menschen aller Kulturen zu integrieren, anders gesagt: Religion, die das Individuellste und Innerste im Menschen thematisiert, als Vernetzung über alle Kontinente und Ethnien und über alle Zeiten und Epochen hinweg effektiv zu organisieren. Da heute in jeder Region der Welt zahlreiche Kulturen und Ethnien miteinander leben, muss die Religionslehre, die in der öffentlichen Schule vermittelt wird, sich des Prinzips bewusst sein, von dem sie herkommt, hier also des katholischen.


Fußnoten

  1. (1)

Siehe dazu die Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung „Reformislam. Akteure, Methoden und Themen progressiven Denkens im zeitgenössischen Islam“ (Nr. 155/2006) mehr..