Wahrhaftigkeit und Katholische Religionslehre/Dreieinigkeit: Unterschied zwischen den Seiten

Aus ZUM-Unterrichten
(Unterschied zwischen Seiten)
Markierung: 2017-Quelltext-Bearbeitung
 
(-l)
 
Zeile 1: Zeile 1:
Dieser Lernpfad ist konzipiert als für Lernende gedachtes Begleitmaterial zu einem Artikel in ru-heute 1/2020.
Die Lehre der '''Dreieinigkeit''' (auch {{wpde|Dreifaltigkeit}} oder Trinität) Gottes ist das Herzstück der christlichen Theologie; sie hängt eng mit dem Glaubensbekenntnis zusammen, das von allen christlichen Konfessionen anerkannt wird. Dieser Artikel beschreibt einen argumentativen Zugang zur zentralen Lehre des [[Christentum]]s.
==Schnelle Technik - Langsame Reflexion==
Die Technik entwickelt sich schnell, und wir lernen schnell, sie zu nutzen und in unseren Alltag zu integrieren. Mit PCs, Laptops, Tablets und Smartphones, mit word, google, twitter, instagram und netflix gehen wir inzwischen selbstverständlich um, als sei es nie anders gewesen. Aber das Bewusstsein, die Reflektion kommt so schnell nicht hinterher, sagt der Sozialforscher Dirk Baecker.
{{Box|Aufgabe|
Geben Sie sich Rechenschaft über Ihre Mediennutzung
|Üben}}


{{LearningApp|app=p7c7bbvxc19|width=100%|height=400px}}
== Argumentativer Zugang zur Dreieinigkeitslehre ==
Es scheint vernünftig dreierlei zu unterscheiden:
* Gott, wie er in sich selbst ist
* Gott, wie er dem Menschen begegnet
* Gott, wie der Mensch ihn darstellt.<br>


{{Box|Recherche|
=== Gott, wie er in sich selbst ist ===
Sehen Sie sich eine [https://de.statista.com/infografik/19259/dauer-der-taeglichen-mediennutzung/ Statistik zur täglichen Mediennutzung] an und bewerten Sie den Befund.
Es ist möglich, über „Gott selbst“ Sätze zu formulieren: „Gott ist unendlich.
|Arbeitsmethode}}


{{Box|Frage|
Wenn man Christ ist, {{wpde|Jude}}, {{wpde|Muslim}} oder Anhänger z.B. der griechischen Philosophie des {{wpde|Aristoteles}}, dann wird man zu dem Urteil kommen: "Der Satz ist richtig."
Welche Interessen vermuten Sie hinter den Angeboten in Radio, Fernsehen und Netzwerken, vor allem, wenn Sie umsonst angeboten werden?
|Frage}}


{{Box|Nachdenken|
Aber wenn Menschen die {{wpde|Wahrheit}} eines Satzes beurteilen, erbringen sie unterschiedliche geistige Leistungen. Erkenntnis - im Unterschied zu Phantasie und Mutmaßung - bedeutet, einen Satz mit unserer Erfahrung zu vergleichen und daraufhin zu beurteilen, ob wir den Satz für wahr oder falsch halten sollen: Ich schaue aus dem Fenster und weiß dann, ob der Satz „Es ist schönes Wetter“ momentan wahr oder falsch ist.
Sehen Sie sich die [https://schleeh.de/2013/05/02/wenn-du-nichts-bezahlen-musst-bist-du-das-produkt/ Karikatur] von Hannes Schleeh an und beurteilen Sie, ob an dem Vergleich zwischen dem Schwein und dem Nutzer moderner Medien etwas dran ist.  
|Meinung}}


==Automatisierte Datennutzung==
Methodisch ausgefeilte Suche nach der Wahrheit und Unwahrheit von Sätzen nennen wir „{{wpde|Wissenschaft}}“. Aber die Wissenschaft geht nicht immer gleich vor, wenn sie sich mit der unbelebten und belebten Natur oder dem Menschen beschäftigt. Philosophisch besonders wichtig ist Immanuel Kants Unterscheidung der ''bestimmenden'' von der'' reflektierenden Urteilskraft'':
Aus [https://de.statista.com/statistik/daten/studie/267974/umfrage/prognose-zum-weltweit-generierten-datenvolumen/ Expertenschätzungen] wissen wir, wieviele Daten im Internet gespeichert sind: 33 Zettabyte, anders ausgedrückt 3,3 * 10^25 Zeichen. Etwa vier Milliarden (4 * 10^9) Menschen nutzen das Netz.  


{{Box|Berechnung|
* Die bestimmende Urteilskraft rekonstruiert die Natur in Form von mathematischen Modellen, Computersimulationen, durch Zeichnung und Nachbau. Da wir Gott nicht rekonstruieren können, kann die bestimmende Urteilskraft in der Gottesfrage gar nicht mitreden.  
Rechnen Sie aus, wie viele Daten pro Nutzer das Internet vorhält.
Auf eine Seite gehen ungefähr 2 * 10^3 Zeichen.
Wievielen Seiten entspricht die Datenmenge pro Nutzer.
|Frage}}


Daten diskriminieren, sagt der Soziologe Dirk Baecker.  
* Die reflektierende Urteilskraft beurteilt die Natur nach {{wpde|Analogie}} des eigenen Erlebens. Zum Beispiel sagen wir „Der Vogel frisst.“ weil wir aus eigenem Erleben wissen, was Nahrungsaufnahme ist.


{{Box|Beispiel|
Die reflektierende Urteilskraft reicht gerade aus, um uns dazu zu bewegen nach Gott zu suchen, aber sie kann nichts Inhaltliches sagen, wie er ist und sich zu uns verhält..<ref>[https://wiki.zum.de/wiki/ZBK/Gottesbeweis#Immanuel_Kant_.281724-1804.29 Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft]</ref> Denn die Analogie für Gott ist unsere menschliche Freiheit, und wer von einer freien Person etwas Entscheidendes erfahren will, muss mit ihr reden. Alle Annahmen über eine Person, die nicht auf Auskünften dieser Person selbst beruhen, sind Projektionen und Vorurteile.
Eine Zeugnisnote sagt etwas darüber aus, wieviele Punkte Sie bei verschiedenen Tests gemacht haben. Was noch?
Sie sagt nichts darüber, ob das Fach Sie interessiert oder ob Sie nur um der Note willen für den Test gelernt haben.
Welche für Sie wichtigen Dinge über die Schule verschweigt die Note noch?
|Hervorhebung}}


==Glauben und Wissen==
Philosophisch plausible Aussagen über Gott helfen uns wenig weiter; oben wurde schon formuliert „Gott ist unendlich“, einen solchen Satz erreichen wir durch folgende Operationen:
* Wir nehmen ein Adjektiv, das zu allem gehört, was in unserer Erfahrung vorkommt: „endlich“. Denn was nicht „endlich“ ist und begrenzte und messbare Eigenschaften wie Gewicht, Farbe, zeitliche Dauer hat, das kann in unserer Erfahrung, die auf Bezugssysteme wie Raum und Zeit angewiesen ist, nicht vorkommen.
* Wir negieren dieses Adjektiv, sagen „un-endlich“, und sagen dies von Gott aus.
* Vergleiche mit anderen Gegenständen unseres Geistes – zum Beispiel mit der „Unendlichkeit“ der Menge der natürlichen Zahlen oder der noch „mächtigeren Unendlichkeit“ der Menge der reellen und komplexen Zahlen -, weisen wir erneut zurück: „Gottes Unendlichkeit ist eine andere als die mathematische Unendlichkeit.“


{{Box|Definition|
Auf diese Weise können wir unser Bedürfnis artikulieren, dass es neben dem Endlichen auch etwas Unendliches gibt, neben allem, was faktisch existiert, aber auch nicht existieren könnte, etwas Absolutes. Man kann die Artikulation dieses Bedürfnisses auch als „{{wpde|Beweis}}“ akzeptieren, weil sie integraler Bestandteil unserer Art zu reden und zu denken ist. (''Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, solange wir noch an die Grammatik glauben'', sagte Friedrich Nietzsche.<ref>[http://de.wikiquote.org/wiki/Friedrich_Nietzsche Friedrich Nietzsche: Die Vernunft der Philosophie 5]</ref>) Doch dieser „Beweis“ funktioniert ganz anders als alle anderen Beweise, die sich auf definierbare Erfahrungsinhalte beziehen.
Im Religionsunterricht sollten Sie dem Begriff "Glauben" schon begegnet sein. Sehr verbreitet ist die Gegenüberstellung Glauben - Wissen. Dabei bedeutet Wissen eine Information, die methodisch, systematisch gewonnen wurde, etwa in der Wissenschaft durch Experimente und Beobachtungen oder im Journalismus durch Recherche und Überprüfung. Glauben hingegen beruht auf dem persönlichen Vertrauen. So glauben Liebende einander ihre Liebe. Im Christentum können gundlegende "Wahrheiten" wie die Auferstehung Jesu Christi nicht objektiv überprüft werden, sondern wir müssen den Zeugen glauben.
|Merksatz}}


Der Bereich des Glaubens, wo es um Liebe, Zorn, Vergebung, religiöse Gemeinschaft und dergleichen geht, und der Bereich des Wissens, wo es um Nachrichten und wissenschaftlichen Entdeckungen geht, sind durch Netzwerke wie facebook und twitter, durch Kundenkarten, Kreditkarten und andere Datenquellen etwas durcheinandergeraten.  
Der Versuch des Menschen, Gott durch Sätze zu beschreiben, ist nicht der einzige Weg, Gott zu vergegenwärtigen und darzustellen, nicht einmal der glaubwürdigste. Leichter fällt es, jemanden seine religiösen Überzeugungen „abzunehmen“, der sie durch ein vorbildliches Leben bewahrheitet, der sie in überwältigender Kunst und Musik ausdrückt, auch wenn darin "Gott" nicht einmal erwähnt wird.
Aber von allen Darstellungen Gottes gilt, dass die Urteilskraft des Menschen sie von „Gott selbst“ abtrennen kann, indem eine psychologische, soziologische oder historische (auch kunst-, musik- oder philosophiehistorische) Interpretation dieser Darstellungen vorgelegt wird, die den Bezug zu „Gott selbst“ nicht berücksichtigt oder gar ausschließt.
Reden über Gott selbst ausschließlich aufgrund von Argumenten der menschlichen Vernunft behält zwei Mängel:
* Wir können nie restlos sicher sein, ob unser Fürwahrhalten bedingt ist durch unseren begrenzten Horizont, oder ob wir über „Gott selbst“ etwas Wahres gesagt haben.
* Was wir über Gott sagen können, ist fast nichts; denn alles, was wir kennen und erfahren, müssen wir verneinen, und die rein negativen Adjektive - „unendlich“, „undefinierbar“, „absolut“, „jenseits alles Denkbaren“ – können wir dann von Gott aussagen.
Über diese Dürftigkeit hinweghelfen könnte uns nur, wenn Gott selbst das Gespräch mit uns suchte und uns Auskunft über sich gäbe.


{{Box|Anekdote|
=== Gott, wie er dem Menschen begegnet ===
Die New York Times berichtete 2012 über einen Teenager, der von der Supermarktkette ''Target'' Rabattcoupons für Babykleidung bekam, weil plötzliche Veränderungen im Einkaufsverhalten der Sechzehnjährigen darauf schließen ließen, dass sie schwanger sei. Das traf auch zu, war aber in ihrem Umfeld noch nicht bekannt und sorgte für erhebliche Unruhe. Was wir normalerweise zuerst vertrauten Mitmenschen offenbaren und was die anderen nichts angeht, wird also durch Algorithmen von Ferne kontrolliert und für unterschiedliche Geschäftsmodelle genauestens ausgewertet.
Wie begegnet Gott dem Menschen? – Schon {{wpde|Amos}} hat im achten Jahrhundert vor Christus darüber bereitwillig Auskunft gegeben: In der Auseinandersetzung mit dem Berufspriester Amazja betont er, dass er seine Prophetengabe nicht einer Ausbildung verdankt, sondern: ''Der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel!'' [Amos 7,10] Wie ist das zugegangen? – Amos drückt es in einem schrecklich zugespitzten Gedicht aus [3,3-8], das in den Versen gipfelt:<br>
''Der Löwe brüllt - wer fürchtet sich nicht? ''<br />
''Mein Herr, JHWH, redet - wer wird nicht Prophet?''<br />
Was der Prophet ausspricht, ist mit seiner Gottesbegegnung so wenig identisch, wie eine Traumerzählung mit dem Traum identisch ist.  


Sagen Sie Ihre Meinung zu dem geschilderten Fall.
Freud sagt, die Traumarbeit gebe dem Traum ein intelligibles Äußeres – die Bilder werden in eine zeitliche Reihenfolge gebracht in einem Raum über- und unter-, vor- und hintereinander angeordnet. Das Erzählen genügt Mindestbedingungen der Grammatik und Logik, wie phantastisch es auch anmuten mag.  
|Meinung}}


==Aphorismen==
Diese Erfahrung können wir auch dann machen, wenn eine überwältigende Erfahrung zur Sprache gebracht werden soll: Amos benutzt Vergleiche – Furcht vor dem brüllenden Löwen -, stiftet Beziehungen. Beziehungen stiften ist der eigentliche Sinn der Offenbarung.


{{Box|Aufgabe|
Jesu Prophetenbewusstsein ist geprägt vom Ende der Herrschaft des Bösen und dem Beginn der Herrschaft des einen lebendigen menschenfreundlichen Gottes:
Suchen Sie sich ein oder zwei der folgenden Zitate aus.
''Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel stürzen.'' [Lukas 10,18]
Machen Sie sich die Bedeutung der Aussagen am Beispiel klar.
''Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, ist dann nicht schon zu Euch gekommen Gottes Reich?'' [Lukas 11,20]
|Üben}}


*Dirk Baecker: ''Vor unserem Bildschirm beherrschen wir alle körperlich eine Technik, von der wir mental noch nicht wissen, was sie mit uns anstellt.''
In allen vier Evangelien bekommt der Eintritt Jesu in das Selbstbewusstsein, den Willen Gottes zu verwirklichen und das Gesetz zu erfüllen, den feierlichen Rahmen der Taufe am Jordan [z.B. Markus 1,9-11]. Die mit Jesu Auftrag verbundene Überwindung der bösen Mächte wird in die Versuchungsperikope „ausgelagert“ [Markus 1,12-13; angereichert in Lukas 4,1-13].


*Katharina Nocun: ''Nutzt euer Auskunftsrecht, - Es ist super spannend, ihr bekommt sehr viel Post, und ihr findet sehr viel über euch heraus, was ihr niemals wissen wolltet.''
Die Bekehrung des Paulus ist ein geschichtliches Ereignis wegen ihrer Wirkung: Der Mann aus Tarsus, der früh die Gefahr erkannt hat, die dem Judentum aus dem Christentum droht und entsprechende Maßnahmen ergreift, wird „umgedreht“ zu einem Apostel des Christus Jesus, der sich mehr als alle anderen abmüht, die Kirche bei Nichtjuden einzupflanzen.


*Peter Ustinov: ''Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen.''
Paulus selbst beschreibt die Ursache, die diese Wirkung hatte, sehr wortkarg; zwei Stellen:


*Monika Schwarz Friesel: ''Sie glauben, ohne zu wissen. Sie 'wissen', weil sie glauben. Sie glauben, weil sie fühlen. So ist der Hass der Ursprung ihrer abstrakten Denkprozesse.''
* ''Als letztem von allen erschien er – der Auferstandene Christus - auch mir, dem Unerwarteten, der Missgeburt.'' [1 Korinther 15,8]
* ''Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, offenbarte mir in seiner Güte seinen Sohn, damit ich ihn unter den Heiden verkündige…'' [Galater 1,15-16]


*Amélie Nothomb: ''Jeder erzählt die Geschichte, die er aushält.''
Die Apostelgeschichte beschreibt die Szene an zwei Stellen in leuchtenden Farben; ich zitiere die kürzere Fassung, die in einer Predigt des Paulus enthalten ist:


==Wissensgesellschaft==
''Als ich nun unterwegs war und mich Damaskus näherte, da geschah es, dass mich um die Mittagszeit plötzlich vom Himmel her ein helles Licht umstrahlte. Ich stürzte zu Boden und hörte eine Stimme zu mir sagen: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Ich antwortete: Wer bist du, Herr? Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der Nazoräer, den du verfolgst. Meine Begleiter sahen zwar das Licht, die Stimme dessen aber, der zu mir sprach, hörten sie nicht. Ich sagte: Herr, was soll ich tun? Der Herr antwortete: Steh auf, und geh nach Damaskus, dort wird dir alles gesagt werden, was du nach Gottes Willen tun sollst. Da ich aber vom Glanz jenes Lichtes geblendet war und nicht mehr sehen konnte, wurde ich von meinen Begleitern an der Hand geführt und gelangte so nach Damaskus.'' [Apostelgeschichte 22, 6-11]


{{Box|Definition|
An den Beispielen kann man ablesen, wie die biblischen Stoffe schon vor der schriftlichen Fixierung der Bibel selbst bearbeitet werden. Die Gemeinde hat ein Interesse an Bildern, an Riten; sie will ihre Vorbilder lebendig machen mit allen Mitteln der menschlichen Kultur. Sie will in ihren Bildern auch die Bedeutung der Ereignisse für ihren eigenen Bestand zu Ausdruck bringen, und diese Bedürfnisse werden in den unter frühen Christen kursierenden Erzählungen, die in die Bibel eingegangen sind, bedient.  
Der Begriff „Wissensgesellschaft“ (''knowledgeable society'') wurde von dem Politologen Robert Lane bereits 1966 geprägt und 1973 von dem Soziologen Daniel Bell als Bezeichnung für die Formation der „postindustriellen Gesellschaft“ populär gemacht. Darin drückt sich die gut belegbare Diagnose aus, dass die Produktion von Waren zukünftig einen geringeren Anteil an Wertschöpfung und Arbeitsvolumen haben wird als die Beschäftigung mit kognitiven Inhalten.
|Merksatz}}


{{Box|Aufgabe|
Der Schluss ist erlaubt:
Stelle Berufe, in denen etwas Materielles produziert wird, Berufen gegenüber, die ausschließlich mit Wissen arbeiten.
Urteile, auf welcher Seite der Unterscheidung sich die attraktiveren, einträglicheren, angeseheneren und zukunftsträchtigeren Berufe befinden.
|Üben}}


In hierarchischen Organisationen wird alles durch Befehl und Gehorsam geregelt. Prototypisch ist eine Armee: Der Soldat muss dem Befehl ohne Zögern folgen, selbst wenn er sich in Lebensgefahr begibt, weil er sonst wegen Befehlsverweigerung vor das Kriegsgericht gestellt wird. Beamtenapparate und Firmen zur Massenfertigung von Konsumgütern wurden oft ebenfalls hierarchisch organisiert. Aber man kann Menschen schlecht befehlen, dass sie ihr Wissen teilen, dass sie fair kooperieren und Konflikte offen austragen. Man kann niemandem befehlen, dass ihm etwas Gutes einfällt.  
Mit den Worten des Propheten darf und muss gearbeitet werden.
Das passiert vor der Niederschrift der Bibel und ist mit ihrer Niederschrift selbstverständlich nicht abgeschlossen. Das Christentum ist keine primäre, sondern eine sekundäre Schriftreligion:  
Die Schrift ist heilig, aber nicht so heilig wie der werden soll, der in ihr liest,  
und schon gar nicht so heilig wie der, der sich in ihr offenbart.


{{Box|Fragen|
Auch die Schrift gehört zu den Darstellungen Gottes, man darf seine Absolutheit nicht auf einzelne Aussagen der Schrift übertragen und erst recht nicht auf eine bestimmte Interpretation dieser Aussagen - auch nicht auf das angebliche "wörtlich nehmen". Daraus ergibt sich eine entscheidende Frage: Welche Bestandteile der biblischen Botschaft und ihrer Interpretation sind der Kultur geschuldet, in die die Botschaft hineinspricht, und in welchen Impulsen der Bibel drückt sich die Transzendenz Gottes aus, die allen Kulturen überlegen ist? - Woher nehmen wir uns zum Beispiel das Recht, eindeutige Gebote der Bibel direkt herumzudrehen? Die Steinigung als Strafe für Götzendienst ist im Gesetz [Deuteronomium 16,2-5, u.a.] vorgeschrieben; dagegen erklärt das Konzil: Die Kirche (...) verwirft jede Diskriminierung eines Menschen, jeden Gewaltakt gegen ihn um seiner (...) Religion willen, weil dies dem Geist Christi widerspricht.<ref name="Nostra-Aetate">II. Vatikanisches Konzil: [http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decl_19651028_nostra-aetate_ge.html Nostra Aetate 5]</ref> Das Verbot Zins zu nehmen [Lukas 6,30] wurde im ausgehenden Mittelalter aufgehoben; das Verbot der Scheidung [Matthäus 5,32] nicht. Welche Kriterien werden da jeweils angewendet? Wie können wir Aussagen, Gebote, Riten und Kunstwerke als authentische Darstellungen Gottes anderen gegenüberstellen, die wir als falsch, unmoralisch, kitschig oder gotteslästerlich verwerfen?
*Haben Sie Erfahrungen mit offener Kooperation?
*Haben Sie Erfahrungen mit einem System, das durch Befehl und Gehorsam (hierarchisch) strukturiert wird?
*Wie erleben Sie die Schule, den Religionsunterricht?
*Welche Unterrichtsmethoden stärken die Kooperation und wie kommen diese bei den Schülerinnen und Schülern an?
|Frage}}


{{Box|Aufgabe|
=== Gott, wie der Mensch ihn darstellt ===
Denken Sie darüber nach, welche Vor- und Nachteile kooperative und hierarchische Leitungsstrukturen haben, für welche Aufgaben sie sich eignen und wo sie fehl am Platz sind.  
Das Fürwahrhalten von irgendetwas, das Gott darstellt, kann nur dadurch gerechtfertigt werden, dass Gott selbst es bewirkt, dass Gott selbst die Urteilskraft des Menschen ist, durch die er richtig denkt und redet und malt und singt und handelt und betet. Diese Lehre, dass Gott nicht über den Wolken thront, sondern als inspirierende Kraft im Menschen lebt, ist die Pointe der Lehre von der Menschwerdung Gottes. Mit allen Mitteln versucht die Kirche diese Lehre zu vergegenwärtigen: Die Sakramente befassen unsere Sinne, die Riten fordern von den Künsten das Äußerste, die Lehre strengt unser Denken an, und die organisierte Diakonie verpflichtet unsere Moral. Und erst wenn in allen diesen Darstellungen, deren Kontext die Kirche ist, Gott selbst die Beziehung zum Menschen sucht, kann es etwas Wahres über Gott – ja überhaupt etwas wirklich Wahres am Menschen – geben. Andernfalls ist jeder Kontakt mit der Wahrheit ausgeschlossen, weil es gar keine Wahrheit unter uns gibt.
|Üben}}


==Bleibende Versuchung Narzissmus==
Wer christliche Theologie studiert, lernt ein Dutzend Bezeichnungen kennen für „Häresien“. Das sind Lehren, die das in unserem Glaubensbekenntnis beschriebene Verhältnis zwischen den göttlichen Personen verfehlt haben: Monophysitismus,Tritheismus, Arianismus, Nestorianismus, und wie sie alle heißen. Offenbar kann man christliche Theologie nicht betreiben, ohne die ihr opponierenden Fehlverständnisse zu definieren. Christliche Theologen sind trainiert an Irrlehren; sie lernen sie auswendig und entwickeln dadurch ein Frühwarnsystem für die Fallstricke der Logik. Vielleicht ist es zulässig, die der christlichen Theologie entgegenstehenden Irrlehren auf drei Möglichkeiten zu reduzieren:


[[Datei:Narzissen.jpg|400]]
[[Datei:Haer.jpg|thumb|center|400px|]]
Ursprung und Ziel aller Gottesdarstellung ist Gott selbst, der uns Menschen durch seinen Geist die Fähigkeit gibt, ihn darzustellen, ohne die Darstellung mit ihm selbst zu verwechseln. Kommen die Darstellungen allerdings ausschließlich vom Menschen, sind es gefälschte Gottesdarstellungen, die nur des Menschen Wünsche verabsolutieren in manipulativer Absicht.
* Im {{wpde|Polytheismus}} sind alle Gottesdarstellungen gleich gültig. Fälschungsverdacht und Erklärbarkeit aus menschlichen Bedürfnissen stören nicht, weil mit einem Polytheismus keine Reflexion auf die letzten Gründe des Fürwahrhaltens verbunden ist. Die Warumfragen werden innerhalb der Mythologien beantwortet, die nicht in Frage gestellt werden.
* Der {{wpde|Atheismus}} hält alle Gottesdarstellungen für gefälscht. Er interpretiert religiöse Äußerungen und Handlungen mit den Mitteln der psychologischen, historischen und soziologischen Wissenschaften und leitet sie aus den Bedürfnissen und Krankheiten der menschlichen Natur ab. Daher schließt er jede übernatürliche Wahrheit aus.
* Wir Christen sind näher bei den Atheisten als bei den Polytheisten, denn gefälschte Gottesdarstellungen sind gefährlicher als keine. Aber wir haben den Verdacht, dass der Verzicht auf Gott sich nicht durchhalten lässt und dass Werte, die nicht Gott sind, dann doch wieder mit einer Motivationskraft aufgeladen werden, als seien sie Gott, und so zur gefälschten Gottesdarstellung werden. Uns scheint, dass dem Weltlichen nur derjenige den weltlichen, kontingenten Charakter lassen kann, der sich auf das wirkliche Absolute stützt.
* Der {{wpde|Fundamentalismus}} ignoriert die Unterschiede zwischen der Gottesdarstellung des Menschen und Gott selbst. Sätze aus Offenbarungsschriften und bestimmte Interpretationen, Riten, ethische Gebote und Verhaltensregeln, auch andere Elemente der Religion werden behandelt wie Gott selbst, als unendlich, absolut, jenseits aller Veränderbarkeit. Dadurch wird aus der motivierenden Kraft göttlicher Transzendenz wieder ein Mittel der Manipulation, etwa wenn {{wpde|Rassismus}} durch interessegeleitete Bibelinterpretation als gottgewollt dargestellt wird.<br>
Die Theologie unterscheidet Gott, wie er in sich selbst ist, unaussprechlich und unfassbar, von Gott, wie er dem Menschen begegnet, sich auf unsere Endlichkeit und Begrenztheit so kompromisslos einlassend, dass er sogar das Schicksal unserer Sterblichkeit teilt, und beide von Gott, wie der Mensch ihm antwortet in Riten und Kunstwerken, Lehren und Liebestaten. Aber für diese Unterscheidung suchen wir nach Darstellungsformen, Bildern und Vergleichen, die zugleich die Einheit der drei Erscheinungsweisen Gottes beinhalten.


Symbole, die nur das Zahlenverhältnis spiegeln – Drei Flammen, eine Kerze; drei Köpfe, ein Körper -, springen zu kurz. Die Theologie lehrt uns, dass das Zählen insgesamt Gott nicht erreicht – weder wenn man ihn mit dem Grenzbegriff der numerischen Unendlichkeit, noch wenn man ihn mit der Eins identifiziert. Es ist die Liebe, die den Vater („Gott selbst“), den Logos („Gott, der dem Menschen begegnet“) und Geist („Gott in der Antwort des Menschen“) eins sein lässt und zugleich, da Liebe eine Beziehung ist, auch plural sein lässt. Und die Einheit von Einheit und Dreiheit - in Zahlen ausgedrückt 1=(3=1)- ist das, was wir über Gott lehren, von Gott erfahren und als Gott darstellen.


{{Box|Mythos|
Höher als die Einheit des Individuums, seine Unverwechselbarkeit und Unvertretbarkeit, schätzen wir die Einheit der Person, ihre Übereinstimmung mit sich selbst, ihren inneren Frieden, welcher den äußeren Frieden erst möglich macht. Und für diesen inneren und äußeren Frieden ist uns Gott das vollkommene Vorbild.
Narziss war das Kind einer Vergewaltigung. Seine Mutter, die Nymphe Liriope, wünschte sich für ihr Kind ein langes erfülltes Leben. Der Seher Tiresias sagte dem Knaben ein langes reifes Alter voraus unter der Bedingung, dass er sich nicht kennen lernt. So wuchs Narzissus heran zu einem Jugendlichen von einzigartiger Schönheit, und viele Frauen und Männer verliebten sich in ihn. Auch die Nymphe Echo verliebte sich in Narzissus, sobald sie ihm begegnete. Echo war aber dazu veruteilt, auf den ersten Schritt des Geliebten warten zu müssen, da sie nur antworten, nicht aber selbst die Initiative ergreifen konnte. Narziss hatte keinen Sinn für die anderen Menschen und war deshalb nicht in der Lage, Echos Liebe auch nur wahrzunehmen, geschweige denn zu erwidern. Echo erkrankte an ihrer unerfüllten Liebe und verlor ihren Körper, sodass man seither in den Wäldern nur noch ihre Stimme hört, die antwortet, was man ihr zuruft.  


Narziss bemerkte von alledem nichts. Er begab sich zu einer reinen unberührten Quelle, weil er dort trinken wollte und ihm der Ort gut gefiel. Indem er sich aber zu der Quelle niederbeugt, sieht er sein Spiegelbild im Wasser, in das er sich sofort heftig verliebt. Ganz entzückt ist er davon, dass sich sein Spiegelbild zum Kuss hoch reckt, wenn er sich niederbeugt, dass es mit ihm lacht und weint, und zum ersten Mal im Leben fühlt er sich vollkommen angenommen. Von der Liebe zu seinem Spiegelbild im Wasser ist er so eingenommen, dass er sich davon nicht mehr lösen kann, sodass er sich nicht mehr wegbewegt, nichts isst und trinkt. Um so verweifelter macht es ihn, dass er den Geliebten nicht umarmen kann, denn sobald er das Wasser berührt, verschwimmt das Bild. Diese Verzweiflung und die Vernachlässigung seines Körpers machen ihn krank, so dass er an der Quelle stirbt. Als man mit der Totenbahre eintrifft, um seinen Leichnam zu bestatten, ist da keiner mehr, sondern man findet eine Blume, in der Mitte safrangelb, umgeben von weißen Blütenblättern.
So überwinden wir alle drei Irrlehren: Dass Gottesdarstellungen per se gefälscht seien (wie der Atheismus sagt), dass bestimmte Gottesdarstellungen als Darstellungen die Eigenschaften Gottes selbst – Absolutheit, Unveränderbarkeit – beanspruchen dürften (wovon der Fundamentalismus ausgeht), oder dass sich bei Gottesdarstellungen die Frage der Wahrheit gar nicht stelle (was Prinzip des Polytheismus war).
|}}


==Aufruf zur Wahrhaftigkeit==
== Weblinks ==
==Fazit==
* {{wpde|Nostra Aetate|Nostra Aetate}}


[[Kategorie: Religion]]
== Einzelnachweise ==
[[Kategorie: Lernpfad]]
<references/>
[[Kategorie: Sekundarstufe 2]]
 
 
 
[[Kategorie:Katholische Religionslehre]]

Aktuelle Version vom 7. Dezember 2019, 04:45 Uhr

Die Lehre der Dreieinigkeit (auch DreifaltigkeitWikipedia-logo.png oder Trinität) Gottes ist das Herzstück der christlichen Theologie; sie hängt eng mit dem Glaubensbekenntnis zusammen, das von allen christlichen Konfessionen anerkannt wird. Dieser Artikel beschreibt einen argumentativen Zugang zur zentralen Lehre des Christentums.

Argumentativer Zugang zur Dreieinigkeitslehre

Es scheint vernünftig dreierlei zu unterscheiden:

  • Gott, wie er in sich selbst ist
  • Gott, wie er dem Menschen begegnet
  • Gott, wie der Mensch ihn darstellt.

Gott, wie er in sich selbst ist

Es ist möglich, über „Gott selbst“ Sätze zu formulieren: „Gott ist unendlich.“

Wenn man Christ ist, JudeWikipedia-logo.png, MuslimWikipedia-logo.png oder Anhänger z.B. der griechischen Philosophie des AristotelesWikipedia-logo.png, dann wird man zu dem Urteil kommen: "Der Satz ist richtig."

Aber wenn Menschen die WahrheitWikipedia-logo.png eines Satzes beurteilen, erbringen sie unterschiedliche geistige Leistungen. Erkenntnis - im Unterschied zu Phantasie und Mutmaßung - bedeutet, einen Satz mit unserer Erfahrung zu vergleichen und daraufhin zu beurteilen, ob wir den Satz für wahr oder falsch halten sollen: Ich schaue aus dem Fenster und weiß dann, ob der Satz „Es ist schönes Wetter“ momentan wahr oder falsch ist.

Methodisch ausgefeilte Suche nach der Wahrheit und Unwahrheit von Sätzen nennen wir „WissenschaftWikipedia-logo.png“. Aber die Wissenschaft geht nicht immer gleich vor, wenn sie sich mit der unbelebten und belebten Natur oder dem Menschen beschäftigt. Philosophisch besonders wichtig ist Immanuel Kants Unterscheidung der bestimmenden von der reflektierenden Urteilskraft:

  • Die bestimmende Urteilskraft rekonstruiert die Natur in Form von mathematischen Modellen, Computersimulationen, durch Zeichnung und Nachbau. Da wir Gott nicht rekonstruieren können, kann die bestimmende Urteilskraft in der Gottesfrage gar nicht mitreden.
  • Die reflektierende Urteilskraft beurteilt die Natur nach AnalogieWikipedia-logo.png des eigenen Erlebens. Zum Beispiel sagen wir „Der Vogel frisst.“ weil wir aus eigenem Erleben wissen, was Nahrungsaufnahme ist.

Die reflektierende Urteilskraft reicht gerade aus, um uns dazu zu bewegen nach Gott zu suchen, aber sie kann nichts Inhaltliches sagen, wie er ist und sich zu uns verhält..[1] Denn die Analogie für Gott ist unsere menschliche Freiheit, und wer von einer freien Person etwas Entscheidendes erfahren will, muss mit ihr reden. Alle Annahmen über eine Person, die nicht auf Auskünften dieser Person selbst beruhen, sind Projektionen und Vorurteile.

Philosophisch plausible Aussagen über Gott helfen uns wenig weiter; oben wurde schon formuliert „Gott ist unendlich“, einen solchen Satz erreichen wir durch folgende Operationen:

  • Wir nehmen ein Adjektiv, das zu allem gehört, was in unserer Erfahrung vorkommt: „endlich“. Denn was nicht „endlich“ ist und begrenzte und messbare Eigenschaften wie Gewicht, Farbe, zeitliche Dauer hat, das kann in unserer Erfahrung, die auf Bezugssysteme wie Raum und Zeit angewiesen ist, nicht vorkommen.
  • Wir negieren dieses Adjektiv, sagen „un-endlich“, und sagen dies von Gott aus.
  • Vergleiche mit anderen Gegenständen unseres Geistes – zum Beispiel mit der „Unendlichkeit“ der Menge der natürlichen Zahlen oder der noch „mächtigeren Unendlichkeit“ der Menge der reellen und komplexen Zahlen -, weisen wir erneut zurück: „Gottes Unendlichkeit ist eine andere als die mathematische Unendlichkeit.“

Auf diese Weise können wir unser Bedürfnis artikulieren, dass es neben dem Endlichen auch etwas Unendliches gibt, neben allem, was faktisch existiert, aber auch nicht existieren könnte, etwas Absolutes. Man kann die Artikulation dieses Bedürfnisses auch als „BeweisWikipedia-logo.png“ akzeptieren, weil sie integraler Bestandteil unserer Art zu reden und zu denken ist. (Ich fürchte, wir werden Gott nicht los, solange wir noch an die Grammatik glauben, sagte Friedrich Nietzsche.[2]) Doch dieser „Beweis“ funktioniert ganz anders als alle anderen Beweise, die sich auf definierbare Erfahrungsinhalte beziehen.

Der Versuch des Menschen, Gott durch Sätze zu beschreiben, ist nicht der einzige Weg, Gott zu vergegenwärtigen und darzustellen, nicht einmal der glaubwürdigste. Leichter fällt es, jemanden seine religiösen Überzeugungen „abzunehmen“, der sie durch ein vorbildliches Leben bewahrheitet, der sie in überwältigender Kunst und Musik ausdrückt, auch wenn darin "Gott" nicht einmal erwähnt wird. Aber von allen Darstellungen Gottes gilt, dass die Urteilskraft des Menschen sie von „Gott selbst“ abtrennen kann, indem eine psychologische, soziologische oder historische (auch kunst-, musik- oder philosophiehistorische) Interpretation dieser Darstellungen vorgelegt wird, die den Bezug zu „Gott selbst“ nicht berücksichtigt oder gar ausschließt. Reden über Gott selbst ausschließlich aufgrund von Argumenten der menschlichen Vernunft behält zwei Mängel:

  • Wir können nie restlos sicher sein, ob unser Fürwahrhalten bedingt ist durch unseren begrenzten Horizont, oder ob wir über „Gott selbst“ etwas Wahres gesagt haben.
  • Was wir über Gott sagen können, ist fast nichts; denn alles, was wir kennen und erfahren, müssen wir verneinen, und die rein negativen Adjektive - „unendlich“, „undefinierbar“, „absolut“, „jenseits alles Denkbaren“ – können wir dann von Gott aussagen.

Über diese Dürftigkeit hinweghelfen könnte uns nur, wenn Gott selbst das Gespräch mit uns suchte und uns Auskunft über sich gäbe.

Gott, wie er dem Menschen begegnet

Wie begegnet Gott dem Menschen? – Schon AmosWikipedia-logo.png hat im achten Jahrhundert vor Christus darüber bereitwillig Auskunft gegeben: In der Auseinandersetzung mit dem Berufspriester Amazja betont er, dass er seine Prophetengabe nicht einer Ausbildung verdankt, sondern: Der Herr hat mich von meiner Herde weggeholt und zu mir gesagt: Geh und rede als Prophet zu meinem Volk Israel! [Amos 7,10] Wie ist das zugegangen? – Amos drückt es in einem schrecklich zugespitzten Gedicht aus [3,3-8], das in den Versen gipfelt:
Der Löwe brüllt - wer fürchtet sich nicht?
Mein Herr, JHWH, redet - wer wird nicht Prophet?
Was der Prophet ausspricht, ist mit seiner Gottesbegegnung so wenig identisch, wie eine Traumerzählung mit dem Traum identisch ist.

Freud sagt, die Traumarbeit gebe dem Traum ein intelligibles Äußeres – die Bilder werden in eine zeitliche Reihenfolge gebracht in einem Raum über- und unter-, vor- und hintereinander angeordnet. Das Erzählen genügt Mindestbedingungen der Grammatik und Logik, wie phantastisch es auch anmuten mag.

Diese Erfahrung können wir auch dann machen, wenn eine überwältigende Erfahrung zur Sprache gebracht werden soll: Amos benutzt Vergleiche – Furcht vor dem brüllenden Löwen -, stiftet Beziehungen. Beziehungen stiften ist der eigentliche Sinn der Offenbarung.

Jesu Prophetenbewusstsein ist geprägt vom Ende der Herrschaft des Bösen und dem Beginn der Herrschaft des einen lebendigen menschenfreundlichen Gottes: Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel stürzen. [Lukas 10,18] Wenn ich mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, ist dann nicht schon zu Euch gekommen Gottes Reich? [Lukas 11,20]

In allen vier Evangelien bekommt der Eintritt Jesu in das Selbstbewusstsein, den Willen Gottes zu verwirklichen und das Gesetz zu erfüllen, den feierlichen Rahmen der Taufe am Jordan [z.B. Markus 1,9-11]. Die mit Jesu Auftrag verbundene Überwindung der bösen Mächte wird in die Versuchungsperikope „ausgelagert“ [Markus 1,12-13; angereichert in Lukas 4,1-13].

Die Bekehrung des Paulus ist ein geschichtliches Ereignis wegen ihrer Wirkung: Der Mann aus Tarsus, der früh die Gefahr erkannt hat, die dem Judentum aus dem Christentum droht und entsprechende Maßnahmen ergreift, wird „umgedreht“ zu einem Apostel des Christus Jesus, der sich mehr als alle anderen abmüht, die Kirche bei Nichtjuden einzupflanzen.

Paulus selbst beschreibt die Ursache, die diese Wirkung hatte, sehr wortkarg; zwei Stellen:

  • Als letztem von allen erschien er – der Auferstandene Christus - auch mir, dem Unerwarteten, der Missgeburt. [1 Korinther 15,8]
  • Gott, der mich schon im Mutterleib auserwählt und durch seine Gnade berufen hat, offenbarte mir in seiner Güte seinen Sohn, damit ich ihn unter den Heiden verkündige… [Galater 1,15-16]

Die Apostelgeschichte beschreibt die Szene an zwei Stellen in leuchtenden Farben; ich zitiere die kürzere Fassung, die in einer Predigt des Paulus enthalten ist:

Als ich nun unterwegs war und mich Damaskus näherte, da geschah es, dass mich um die Mittagszeit plötzlich vom Himmel her ein helles Licht umstrahlte. Ich stürzte zu Boden und hörte eine Stimme zu mir sagen: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Ich antwortete: Wer bist du, Herr? Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der Nazoräer, den du verfolgst. Meine Begleiter sahen zwar das Licht, die Stimme dessen aber, der zu mir sprach, hörten sie nicht. Ich sagte: Herr, was soll ich tun? Der Herr antwortete: Steh auf, und geh nach Damaskus, dort wird dir alles gesagt werden, was du nach Gottes Willen tun sollst. Da ich aber vom Glanz jenes Lichtes geblendet war und nicht mehr sehen konnte, wurde ich von meinen Begleitern an der Hand geführt und gelangte so nach Damaskus. [Apostelgeschichte 22, 6-11]

An den Beispielen kann man ablesen, wie die biblischen Stoffe schon vor der schriftlichen Fixierung der Bibel selbst bearbeitet werden. Die Gemeinde hat ein Interesse an Bildern, an Riten; sie will ihre Vorbilder lebendig machen mit allen Mitteln der menschlichen Kultur. Sie will in ihren Bildern auch die Bedeutung der Ereignisse für ihren eigenen Bestand zu Ausdruck bringen, und diese Bedürfnisse werden in den unter frühen Christen kursierenden Erzählungen, die in die Bibel eingegangen sind, bedient.

Der Schluss ist erlaubt:

Mit den Worten des Propheten darf und muss gearbeitet werden. Das passiert vor der Niederschrift der Bibel und ist mit ihrer Niederschrift selbstverständlich nicht abgeschlossen. Das Christentum ist keine primäre, sondern eine sekundäre Schriftreligion: Die Schrift ist heilig, aber nicht so heilig wie der werden soll, der in ihr liest, und schon gar nicht so heilig wie der, der sich in ihr offenbart.

Auch die Schrift gehört zu den Darstellungen Gottes, man darf seine Absolutheit nicht auf einzelne Aussagen der Schrift übertragen und erst recht nicht auf eine bestimmte Interpretation dieser Aussagen - auch nicht auf das angebliche "wörtlich nehmen". Daraus ergibt sich eine entscheidende Frage: Welche Bestandteile der biblischen Botschaft und ihrer Interpretation sind der Kultur geschuldet, in die die Botschaft hineinspricht, und in welchen Impulsen der Bibel drückt sich die Transzendenz Gottes aus, die allen Kulturen überlegen ist? - Woher nehmen wir uns zum Beispiel das Recht, eindeutige Gebote der Bibel direkt herumzudrehen? Die Steinigung als Strafe für Götzendienst ist im Gesetz [Deuteronomium 16,2-5, u.a.] vorgeschrieben; dagegen erklärt das Konzil: Die Kirche (...) verwirft jede Diskriminierung eines Menschen, jeden Gewaltakt gegen ihn um seiner (...) Religion willen, weil dies dem Geist Christi widerspricht.[3] Das Verbot Zins zu nehmen [Lukas 6,30] wurde im ausgehenden Mittelalter aufgehoben; das Verbot der Scheidung [Matthäus 5,32] nicht. Welche Kriterien werden da jeweils angewendet? Wie können wir Aussagen, Gebote, Riten und Kunstwerke als authentische Darstellungen Gottes anderen gegenüberstellen, die wir als falsch, unmoralisch, kitschig oder gotteslästerlich verwerfen?

Gott, wie der Mensch ihn darstellt

Das Fürwahrhalten von irgendetwas, das Gott darstellt, kann nur dadurch gerechtfertigt werden, dass Gott selbst es bewirkt, dass Gott selbst die Urteilskraft des Menschen ist, durch die er richtig denkt und redet und malt und singt und handelt und betet. Diese Lehre, dass Gott nicht über den Wolken thront, sondern als inspirierende Kraft im Menschen lebt, ist die Pointe der Lehre von der Menschwerdung Gottes. Mit allen Mitteln versucht die Kirche diese Lehre zu vergegenwärtigen: Die Sakramente befassen unsere Sinne, die Riten fordern von den Künsten das Äußerste, die Lehre strengt unser Denken an, und die organisierte Diakonie verpflichtet unsere Moral. Und erst wenn in allen diesen Darstellungen, deren Kontext die Kirche ist, Gott selbst die Beziehung zum Menschen sucht, kann es etwas Wahres über Gott – ja überhaupt etwas wirklich Wahres am Menschen – geben. Andernfalls ist jeder Kontakt mit der Wahrheit ausgeschlossen, weil es gar keine Wahrheit unter uns gibt.

Wer christliche Theologie studiert, lernt ein Dutzend Bezeichnungen kennen für „Häresien“. Das sind Lehren, die das in unserem Glaubensbekenntnis beschriebene Verhältnis zwischen den göttlichen Personen verfehlt haben: Monophysitismus,Tritheismus, Arianismus, Nestorianismus, und wie sie alle heißen. Offenbar kann man christliche Theologie nicht betreiben, ohne die ihr opponierenden Fehlverständnisse zu definieren. Christliche Theologen sind trainiert an Irrlehren; sie lernen sie auswendig und entwickeln dadurch ein Frühwarnsystem für die Fallstricke der Logik. Vielleicht ist es zulässig, die der christlichen Theologie entgegenstehenden Irrlehren auf drei Möglichkeiten zu reduzieren:

Haer.jpg

Ursprung und Ziel aller Gottesdarstellung ist Gott selbst, der uns Menschen durch seinen Geist die Fähigkeit gibt, ihn darzustellen, ohne die Darstellung mit ihm selbst zu verwechseln. Kommen die Darstellungen allerdings ausschließlich vom Menschen, sind es gefälschte Gottesdarstellungen, die nur des Menschen Wünsche verabsolutieren in manipulativer Absicht.

  • Im PolytheismusWikipedia-logo.png sind alle Gottesdarstellungen gleich gültig. Fälschungsverdacht und Erklärbarkeit aus menschlichen Bedürfnissen stören nicht, weil mit einem Polytheismus keine Reflexion auf die letzten Gründe des Fürwahrhaltens verbunden ist. Die Warumfragen werden innerhalb der Mythologien beantwortet, die nicht in Frage gestellt werden.
  • Der AtheismusWikipedia-logo.png hält alle Gottesdarstellungen für gefälscht. Er interpretiert religiöse Äußerungen und Handlungen mit den Mitteln der psychologischen, historischen und soziologischen Wissenschaften und leitet sie aus den Bedürfnissen und Krankheiten der menschlichen Natur ab. Daher schließt er jede übernatürliche Wahrheit aus.
  • Wir Christen sind näher bei den Atheisten als bei den Polytheisten, denn gefälschte Gottesdarstellungen sind gefährlicher als keine. Aber wir haben den Verdacht, dass der Verzicht auf Gott sich nicht durchhalten lässt und dass Werte, die nicht Gott sind, dann doch wieder mit einer Motivationskraft aufgeladen werden, als seien sie Gott, und so zur gefälschten Gottesdarstellung werden. Uns scheint, dass dem Weltlichen nur derjenige den weltlichen, kontingenten Charakter lassen kann, der sich auf das wirkliche Absolute stützt.
  • Der FundamentalismusWikipedia-logo.png ignoriert die Unterschiede zwischen der Gottesdarstellung des Menschen und Gott selbst. Sätze aus Offenbarungsschriften und bestimmte Interpretationen, Riten, ethische Gebote und Verhaltensregeln, auch andere Elemente der Religion werden behandelt wie Gott selbst, als unendlich, absolut, jenseits aller Veränderbarkeit. Dadurch wird aus der motivierenden Kraft göttlicher Transzendenz wieder ein Mittel der Manipulation, etwa wenn RassismusWikipedia-logo.png durch interessegeleitete Bibelinterpretation als gottgewollt dargestellt wird.

Die Theologie unterscheidet Gott, wie er in sich selbst ist, unaussprechlich und unfassbar, von Gott, wie er dem Menschen begegnet, sich auf unsere Endlichkeit und Begrenztheit so kompromisslos einlassend, dass er sogar das Schicksal unserer Sterblichkeit teilt, und beide von Gott, wie der Mensch ihm antwortet in Riten und Kunstwerken, Lehren und Liebestaten. Aber für diese Unterscheidung suchen wir nach Darstellungsformen, Bildern und Vergleichen, die zugleich die Einheit der drei Erscheinungsweisen Gottes beinhalten.

Symbole, die nur das Zahlenverhältnis spiegeln – Drei Flammen, eine Kerze; drei Köpfe, ein Körper -, springen zu kurz. Die Theologie lehrt uns, dass das Zählen insgesamt Gott nicht erreicht – weder wenn man ihn mit dem Grenzbegriff der numerischen Unendlichkeit, noch wenn man ihn mit der Eins identifiziert. Es ist die Liebe, die den Vater („Gott selbst“), den Logos („Gott, der dem Menschen begegnet“) und Geist („Gott in der Antwort des Menschen“) eins sein lässt und zugleich, da Liebe eine Beziehung ist, auch plural sein lässt. Und die Einheit von Einheit und Dreiheit - in Zahlen ausgedrückt 1=(3=1)- ist das, was wir über Gott lehren, von Gott erfahren und als Gott darstellen.

Höher als die Einheit des Individuums, seine Unverwechselbarkeit und Unvertretbarkeit, schätzen wir die Einheit der Person, ihre Übereinstimmung mit sich selbst, ihren inneren Frieden, welcher den äußeren Frieden erst möglich macht. Und für diesen inneren und äußeren Frieden ist uns Gott das vollkommene Vorbild.

So überwinden wir alle drei Irrlehren: Dass Gottesdarstellungen per se gefälscht seien (wie der Atheismus sagt), dass bestimmte Gottesdarstellungen als Darstellungen die Eigenschaften Gottes selbst – Absolutheit, Unveränderbarkeit – beanspruchen dürften (wovon der Fundamentalismus ausgeht), oder dass sich bei Gottesdarstellungen die Frage der Wahrheit gar nicht stelle (was Prinzip des Polytheismus war).

Weblinks

Einzelnachweise