Texterschließung und Industrielle Revolution/Urbanisierung: Unterschied zwischen den Seiten

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{{Kurzinfo-1|Idee}}
__NOTOC__
Eine '''Texterschließung''' als Arbeitsform zielt im Unterschied zur [[Textwiedergabe]] nicht darauf ab, einen Text so klar und übersichtlich wie möglich vorzustellen, sondern aufzuzeigen, was man von einem vorliegenden schwierigen Text verstanden hat.  
Die '''Industrialisierung''' in Deutschland ging Hand in Hand mit der '''Urbanisierung'''. Sowohl Alleinstehende als auch ganze Familien zogen vom Land in die Städte, um dort Arbeit zu suchen. Infolge der fortschreitenden Verstädterung und Industrialisierung war bereits in den 1890er Jahren ein grundlegender Wandel in den Lebensumständen der Deutschen bemerkbar. Die Bevölkerung wuchs zwischen 1871 und 1911 um mehr als ein Drittel. Immer mehr Deutsche lebten in Ballungsgebieten, wobei nicht nur die absolute Zahl der Stadtbewohner stieg, sondern auch deren prozentualer Anteil an der Gesamtbevölkerung.


Das ist besonders interessant bei naturwissenschaftlichen Texten, kann im Deutschunterricht aber auch sinnvoll an überdurchschnittlich schwierigen Texten geübt und getestet werden.  
{{Aufgaben-blau|1=|2=
# Berechne, um wie viel Prozent die Einwohnerzahlen der Städte von 1800 - 1900 stiegen.
# Zeichne eine Tabelle und trage die Werte ein.
# Überlege, welche positiven und negativen Veränderungen das Wachstum der Städte mit sich brachte.  
}}


Zur Texterschließung gehören die Schritte:
== Einwohnerentwicklung ==
# Orientierung im Text
# Bildung von Verstehensinseln (Heraussuchen der Stellen, wo man etwas versteht)
# Verbindungen zwischen Verstehensinseln suchen
# den roten Faden suchen
# abschließend über das Verstandene reflektieren


Dies kann man an unterschiedlich schwierigen Texten üben. Für den Test empfiehlt sich ein etwas einfacherer Text, für den nur '''drei''' Schritte ausformuliert werden sollen: Thema (Worum geht es?), Textwiedergabe und roter Faden.
[[File:Berlin_population5.svg|miniatur|500px|links|Entwicklung der Einwohnerzahl in Berlin (1750–1880)]]


== Beispiel eines Tests zur Texterschließung ==
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{{Aufgabe|1=
[[File:Nuremberg_population.svg|miniatur|500px|links|Entwicklung der Einwohnerzahl in Nürnberg (1800–heute)]]
''Lessing in der [http://de.wikisource.org/wiki/Vorrede_zu_einem_Entwurf_einer_Abhandlung_%C3%BCber_%22Bibliolatrie%22 Vorrede] zu einem Entwurf einer Abhandlung über »Bibliolatrie« (Bibelverehrung) aus dem Jahre 1779:''


====Einordnung des Textes====
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''In diesem Entwurf zu einem Vorwort versucht Lessing im {{wpde|Fragmentenstreit|Fragmentenstreit}} sein Plädoyer für ein aufgeklärtes Verhältnis zu Religionen als einen Versuch der Vermittlung zwischen {{wpde|Orthodoxie|orthodoxem}} Bibelverständnis und radikaler {{wpde|Religionskritik|Religionskritik}} zu beschreiben. Insofern kann man den Text als eine rationale Rechtfertigung der Intention seines im selben Jahre erschienenen Theaterstücks [[Nathan der Weise]] verstehen.''
[[File:Einwohnerentwicklung_von_Witten.svg|miniatur|500px|links|Entwicklung der Einwohnerzahl in Witten (1750–heute)]]


===Text===
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{{Zitat|Der bessere Teil meines Lebens ist - glücklicher- oder unglücklicherweise? - in eine Zeit gefallen, in welcher Schriften für die Wahrheit der christlichen Religion gewissermaßen Modeschriften waren. Nun werden Modeschriften, die meistenteils aus Nachahmung irgendeines vortrefflichen Werks ihrer Art entstehen, das sehr viel Aufsehn macht, seinem Verfasser einen sehr ausgebreiteten Namen erwirbt, . . . nun werden Modeschriften, sag' ich, eben weil es Modeschriften sind, sie mögen sein, von welchem Inhalte sie wollen, so fleißig und allgemein gelesen, daß jeder Mensch, der sich nur in etwas mit Lesen abgibt, sich schämen muß, sie nicht auch gelesen zu haben. Was Wunder also, daß meine Lektüre ebenfalls darauf verfiel und ich gar bald nicht eher ruhen konnte, bis ich jedes neue Produkt in diesem Fache habhaft werden und verschlingen konnte. Ob ich daran gut getan, auch wenn es möglich gewesen wäre, daß bei dieser Unersättlichkeit, die nämliche wichtige Sache nur immer von einer Seite plädieren zu hören, die Neugierde nie entstanden wäre, endlich doch auch einmal zu erfahren, was von der andern Seite gesagt werde, will ich hier nicht entscheiden. Genug, was unmöglich ausbleiben konnte, blieb bei mir auch nicht einmal lange aus. Nicht lange, und ich suchte jede neue Schrift wider die Religion nun ebenso begierig auf und schenkte ihr ebendas geduldige unparteiische Gehör, das ich sonst nur den Schriften für die Religion schuldig zu sein glaubte. So blieb es auch eine geraume Zeit. Ich ward von einer Seite zur andern gerissen; keine befriedigte mich ganz. Die eine sowohl als die andere ließ mich nur mit dem festen Vorsatze von sich, die Sache nicht eher abzuurteln, quam utrinque plenius fuerit peroratum (als bis sie von beiden Seiten ausführlicher durchgesprochen wäre). Bis hieher, glaub' ich, ist es manchem andern gerade ebenso gegangen. Aber auch in dem, was nun kömmt?
[[File:Einwohnerentwicklung_von_Mülheim_an_der_Ruhr.svg|miniatur|500px|links|Entwicklung der Einwohnerzahl in Mülheim an der Ruhr (0 – heute)]]


Je zusetzender die Schriftsteller von beiden Teilen wurden - und das wurden sie so ziemlich in der nämlichen Progression; der neueste war immer der entscheidendste, der hohnsprechendste - desto mehr glaubte ich zu empfinden, daß die Wirkung, die ein jeder auf mich machte, diejenige gar nicht sei, die er eigentlich nach seiner Art hätte machen müssen. War mir doch oft, als ob die Herren, wie dort in der Fabel, Der Tod und Liebe, ihre Waffen vertauscht hätten! Je bündiger mir der eine das Christentum erweisen wollte, desto zweifelhafter ward ich. Je mutwilliger und triumphierender mir es der andere ganz zu Boden treten wollte, desto geneigter fühlte ich mich, es wenigstens in meinem Herzen aufrechtzuerhalten.
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Das konnte von einer bloßen Antiperistasis, von der natürlichen Gegenwirkung unsrer Seele, die mit Gewalt ihre Lage ändern soll, nicht herkommen. Es mußte folglich mit an der Art liegen, mit der jeder seine Sache verteidigte.
== Urbanisierung ==
|[http://de.wikisource.org/wiki/Vorrede_zu_einem_Entwurf_einer_Abhandlung_%C3%BCber_%22Bibliolatrie%22 Lessing in der Vorrede zu einem Entwurf einer Abhandlung über »Bibliolatrie« (Bibelverehrung) aus dem Jahre 1779]; 20.10.2006}}


=== Aufgabenstellung ===
{{3Spalten|
 
[[Datei:Map de berlin 1789.jpg|thumb|400px|Berlin um 1789]]
# Worüber schreibt Lessing im vorliegenden Text?
|
# Geben Sie den Text mit Ihren eigenen Worten wieder.
[[Datei:Meyers b2 s0752a.jpg|thumb|420px|Berlin um 1890]]
# Stellen Sie kurz den „roten Faden“ dar.
|
}}
}}


=== Beispiel für eine Lösung ===
{{3Spalten|
 
[[Datei:Berlin Alexanderplatz 1903.JPG|thumb|400px|Berlin Alexanderplatz 1903]]
{{Lösung|1=
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====Thema====
[[Datei:Potsdamerplatz3.jpg|thumb|420px|Berlin Potsdamer Platz um 1900]]
 
|}}
Über die Wirkung der Lektüre religiöser Schriften auf Lessing ''(Wortblock)''
 
Lessing schreibt darüber, weshalb er so viele Schriften über Wahrheit und Unwahrheit der Religion gelesen hat, und darüber, wodurch er in seinem Urteil verunsichert wurde. ''(Satz)''
 
====Textwiedergabe====


Lessing führt in seiner Vorrede zu einem Entwurf einer Abhandlung über Biblioatrie aus, die wesentliche Phase seines Lebens habe in einer Zeit gelegen, wo Schriften über das Christentum populär, ja geradezu Mode gewesen seien. Zu Modeschriften komme es meist, wenn ein hervorragendes Werk zu einem Gegenstand erschienen sei und sich andere an dessen Erfolg anzuschließen suchten. Weil in einem solchen Fall so viel zu diesem Thema erscheint, müsse jemand, der als informiert gelten wolle, sich auch damit beschäftigen. So habe auch er praktisch alles, was zu dieser Frage an Neuem erschienen sei, gelesen. Dadurch sei bei ihm allerdings die Neugier entstanden, zu erfahren, was gegen die Religion gesagt werde. Ob es insofern ein Fehler gewesen sei, so viele Schriften ''für'' das Christentum zu lesen, wolle er offen lassen. Jedenfalls habe er alle Schriften gegen die Religion ebenso unparteiisch gelesen wie die für das Christentum. So habe er bei dieser Lektüre einige Zeit zwischen beiden Seiten geschwankt, je nach dem, welche Schrift er gerade gelesen habe. Und so sei es wohl auch anderen ergangen.
=== Eisenbahn ===


Doch dann habe er festgestellt, dass die Texte, je polemischer sie wurden, auf ihn immer weniger den Eindruck machten, den sie anstrebten. Vielmehr hätten ihn die Schriften für das Christentum am Christentum zweifeln lassen, während die Schriften dagegen ihn dazu gebracht hätten, am Christentum festzuhalten.
{{3Spalten|
 
[[File:Berlin_Hamburger_Bahnhof_um_1850.jpg|thumb|400px|Berlin  Hamburger Bahnhof um 1850. Im Vordergrund die Berliner Verbindungsbahn auf der späteren Straßenbahntrasse.]]
Seiner Meinung nach kann das nicht allein an einer normalen Reaktion auf einen Druck, sich für eine Meinung entscheiden zu sollen, liegen, sondern muss auch mit der Argumentationsweise der Schriften zusammenhängen.  
|
 
<!---[[Datei:Potsdamerplatz3.jpg|thumb|420px|Berlin Potsdamer Platz um 1900]]--->
===Roter Faden===
|}}
 
Lessing schreibt, er habe viele Schriften über Religion gelesen, weil sie in Mode waren. Da er so viele davon gelesen habe, habe er auch Interesse für die Schriften der Gegenseite entwickelt und sich bei der Lektüre um ein gerechtes Urteil bemüht. Dabei sei er, je mehr Schriften er gelesen habe, desto mehr durch die Schriften ''für'' das Christentum gegen das Christentum eingenommen worden, dagegen von den Schriften ''gegen'' das Christentum darin bestärkt worden, am Christentum festzuhalten. Das müsse auch mit der Art, wie in diesen Schriften argumentiert worden sei, zusammenhängen.
}}


== Reflexion zur Aufgabenstellung ==


Es ist ''nicht'' ganz einfach zu erkennen, dass Lessing mit dieser Vorrede zu seiner geplanten Schrift über Bibelverehrung zu verstehen gibt, dass seiner Meinung nach die eifrigsten Verteidiger des Christentums dem Christentum den größten Schaden antun. Und das, obwohl er es in den letzten Sätzen ganz deutlich ausspricht.
=== Ausprägung industrieller Lebensräume: städtische Ballungszentren ===


Denn er hütet sich - wie auch in seiner Schrift "Über den Beweis des Geistes und der Kraft" - ''offen'' auszusprechen, dass er einen vernunftwidrigen Glauben an Wunder für ein Zeichen von Unverstand hält. Vielmehr verteilt er in dieser Vorrede die Kritik noch gleichmäßig auf Verteidiger und Kritiker des Christentums. Dass er als [[Aufklärung|Aufklärer]] aber kein Befürworter von Bibelverehrung ohne vernünftige Kritik sein kann, das kann man sich denken, auch wenn er aus Rücksicht auf die orthodoxe buchstabengläubige Mehrheit es vermeidet, das ganz deutlich auszusprechen.
* Einzug der technischen Zivilisation, Verkehrsgetümmel, schneller Lebensrhythmus


Er kündigt also keine Schrift für oder gegen das Christentum an, sondern eine Schrift über Bibelverehrung. Und dass diese kritisch ausfallen wird, rechtfertigt er in diesem Vorwort.
* Verstädterungs- und Urbanisierungsprozess (Definition!!!!)


== Unterrichtsreihen ==
* Leben in Mietswohnung wurde in Städten zur generell üblichen Wohnform
* [[DSB/Erschließung poetischer Texte – Kurzprosa|Erschließung poetischer Texte – Kurzprosa]] ([[Digitale Schule Bayern/Deutsch]])


== Weblinks ==
Problem: Ausbau hinkte der enormen Bevölkerungsexplosion hinterher
* [http://www.uni-koblenz.de/~odsleis/leseverstehen2004/ Josef Leisen: Leseverstehen in den naturwissenschaftlichen Fächern der Sekundarstufen]
** [http://www.uni-koblenz.de/~odsleis/leseverstehen2004/4.pdf Das Fünf-Phasen-Schema zur Texterschließung (pdf, 1 Seite)]


== Siehe auch ==
(Berlin: ''übelriechendste Hauptstadt Europas, deren Einwohner man schon am Geruch ihrer Kleidung erkennen konnte'')
* [[Arbeitstechniken]]
* [[Methoden im Deutschunterricht]]
* [[Reziprokes Lesen]]
* [[Unterrichtsmethoden]]


[[Kategorie:Methoden für Deutsch]]
{{Lernpfad Industrielle Revolution/Inhalt}}

Version vom 21. November 2017, 18:06 Uhr

Die Industrialisierung in Deutschland ging Hand in Hand mit der Urbanisierung. Sowohl Alleinstehende als auch ganze Familien zogen vom Land in die Städte, um dort Arbeit zu suchen. Infolge der fortschreitenden Verstädterung und Industrialisierung war bereits in den 1890er Jahren ein grundlegender Wandel in den Lebensumständen der Deutschen bemerkbar. Die Bevölkerung wuchs zwischen 1871 und 1911 um mehr als ein Drittel. Immer mehr Deutsche lebten in Ballungsgebieten, wobei nicht nur die absolute Zahl der Stadtbewohner stieg, sondern auch deren prozentualer Anteil an der Gesamtbevölkerung.

Vorlage:Aufgaben-blau

Einwohnerentwicklung

Entwicklung der Einwohnerzahl in Berlin (1750–1880)


Entwicklung der Einwohnerzahl in Nürnberg (1800–heute)


Entwicklung der Einwohnerzahl in Witten (1750–heute)


Entwicklung der Einwohnerzahl in Mülheim an der Ruhr (0 – heute)


Urbanisierung

Berlin um 1789
Berlin um 1890
Berlin Alexanderplatz 1903
Berlin Potsdamer Platz um 1900

Eisenbahn

Berlin Hamburger Bahnhof um 1850. Im Vordergrund die Berliner Verbindungsbahn auf der späteren Straßenbahntrasse.


Ausprägung industrieller Lebensräume: städtische Ballungszentren

  • Einzug der technischen Zivilisation, Verkehrsgetümmel, schneller Lebensrhythmus
  • Verstädterungs- und Urbanisierungsprozess (Definition!!!!)
  • Leben in Mietswohnung wurde in Städten zur generell üblichen Wohnform

Problem: Ausbau hinkte der enormen Bevölkerungsexplosion hinterher

(Berlin: übelriechendste Hauptstadt Europas, deren Einwohner man schon am Geruch ihrer Kleidung erkennen konnte)

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