Der Preis der Freiheit: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 18. Februar 2019, 13:59 Uhr

Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit von Vorlage:Wpd ist die erste zusammenhängende Geschichte Europas seit 1989 eines deutschen Historikers. In mancher Weise lässt sich das Werk als Fortsetzung von Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart von Tony Judt lesen, doch ist es deutlicher in die Behandlung der Bereiche politische, wirtschaftliche und kulturelle Geschichte gegliedert und stärker auf eine These zugespitzt, nämlich die, dass seit 1989 eine Entwicklung zur Freiheit stattgefunden habe: politisch, wirtschaftlich und finanziell (S.12).

Einführung

Dabei schließt Wirsching sich aber ausdrücklich nicht dem 'europäischen Fortschrittsnarrativ' (S.15) an, sondern betont die Offenheit der Entwicklung. Trotz des unverkennbaren Trends zur Konvergenz gleiche Europa "einer in die Zukunft gerichteten Vorstellung, die im selben Atemzug aus sich selbst heraus deren negatives, eben krisenhaftes Gegenbild hervorbringt." (S.17)

Pfadabhängigkeit

Aufgrund der Vorlage:Wpd der europäischen Einigung bestehe zwischen den Krisen Europas und seiner Konvergenz ein "systemischer Zusammenhang" (S.18).[1]

Vorlage:Meinung

Zu den Herausforderungen der Globalisierung

Zitat
Stets trat schließlich der Druck der internationalen Organisationen wie des Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und insbesondere der Europäischen Union hinzu. Ihre Ver­treter sprachen die «neoliberale» Sprache des Globalisierungsmodells, die in den westlichen Staaten zeitgleich zur Dominanz gelangte. Der massive Druck, den diese Sprache auf die ostmitteleuropäischen Akteure ausübte, kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Keine Frage, der Weg nach Europa war gepflastert mit den neoliberal definierten Gesetzmäßig­keiten der globalisierten Wirtschaft und den entsprechend formulierten Bedingungen der westlichen Partner.

(S.246) [...]

Geradezu brutal kam dies 2008/09 zum Ausdruck, als die Finanz/krise den Kapitalfluß abrupt unterbrach; subtiler aber noch und weitaus stiller äußerte sich die Kapitalabhängigkeit in den Erfahrungsräumen der Erwerbstätigen: Was in den westeuropäischen Ländern zunehmend be­klagt wurde, nämlich die erzwungene Flexibilisierung des Menschen in der Globalisierung, war für die Mehrzahl der ostmitteleuropäischen Arbeit­nehmer von Beginn an Realität. Wenig regulierte Arbeitsmärkte reduzier­ten die Arbeitsplatzsicherheit und erhöhten die Abhängigkeit vom Markt. Unsicherheit, biographische Risiken bis hin zur «Prekarisierung» der Exi­stenz waren die Folgen. (S.246/47)

[...] so konnte man 1987 auch in einer Anzeigenkampagne der Deutschen Bundespost lesen. «Die Fähigkeit, moderne Informations- und Kommunikationstechniken kreativ zu nutzen, wird [...] immer wichtiger.»/ Hieraus ergaben sich konkrete bildungspolitische Forderungen. Sie sind seit Beginn der 1980er Jahre bis in die jüngste Vergangenheit hinein regelmäßig und in allen westlichen Staaten erhoben worden und ziehen sich wie ein roter Faden durch die Debatte um die Globalisierung.

Unter dem Stichwort einer «neuen Bildungskrise» ging etwa der deutsche Informatiker und Politikberater Klaus Haefner schon 1984 davon aus, daß das traditio­nelle Bildungswesen definitiv seine Legitimation eingebüßt habe. In der Vergangenheit sei allein der Mensch in der Lage gewesen, informationsver­arbeitende Probleme zu lösen. Der hierauf beruhende Bildungskonsens sei mit der Heraufkunft des Computers nicht mehr haltbar. Denn es gebe «neben der Verfügbarkeit von Qualifikationen aus dem Bildungswesen eine andere Möglichkeit, kognitive Leistungen für Produktion und Ver­waltung zu nutzen: den Ankauf geeigneter Hard- und Software von der informationstechnischen Industrie!» S.247/48 [...]

Castells [konstatierte] bereits 1997 im Auftrage der OECD: « [...]/ Das neue Arbeitsmodell verlangt von den Arbeitnehmern, daß sie flexibel sind, spezialisiert und polyvalent. Heute ist der Arbeitsplatz weniger stabil und sicher als in der Vergangenheit. Die Vorstellung von einem <Arbeitsplatz auf Lebenszeit> ist der Überrest einer vergangenen Zeit. (S.248/49)
Wirsching: Der Preis der Freiheit, S.246-249
Zitat
Um zu erkennen, daß eine führende Produktivkraft wie "Wissen" rasch vom Kapital angesogen und seinem Verwertungsinteresse unterworfen wird, braucht man kein Marxist zu sein.
Wirsching: Der Preis der Freiheit, S.255

Zusammenfassung

Seine einleitenden Gedanken nimmt Wirsching in seiner Zusammenfassung wieder auf. Dabei äußert er Verständnis dafür, dass die politischen Akteure an der Meistererzählung "Europa auf dem Weg zu Fortschritt und Freiheit" festhalten, denn sie seien darauf angewiesen "um sich selbst zu legitimieren" und "um nicht an der Dauerkrise [...] zu verzweifeln". (S.409)

Europa habe keine Alternative als die bisher von ihm entwickelten Instrumente, um die Krise abzuwehren, die Entwicklung sei also pfadabhängig. Doch habe dieser Weg bisher in jeder Krise zu mehr Konvergenz geführt: "Die Krise Europas besteht in seinem Zusammenwachsen." (S.409)


Anmerkungen

  1. "Er treibt den Prozeß der Konvergenz und der Angleichung Europas ebenso an wie seine Krise." (S.18)

Bibliographische Informationen

Andreas Wirsching: Der Preis der Freiheit. Geschichte Europas in unserer Zeit, C.H.Beck 2012, 487 S. ISBN 9783406632525

Linkliste

Hans-Ulrich Wehler: Kontinent der Dienstklassen. Besprechung von Wirschings: Der Preis der Freiheit in der FAZ vom 10.03.2012 - "eine exzellente Geschichte Europas zwischen 1989 und 2011"