Chaos und Fraktale und Bodenhistorie/Albrecht Thaer: Theorien zum Boden und Fortschritte in der Landwirtschaft: Unterschied zwischen den Seiten

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{{Kasten blass|
Dieses Themengebiet wurde für den '''Mathe-Tag''' an der '''Universität Würzburg''' ausgearbeitet.  Die Sieger der Fümo-Mathematik-Olympiade durften einen Tag an der Uni verbringen um gemeinsam  mit Professoren und Lehrern unterhaltsame und interessante Themen der Mathematik zu entdecken. Drei Kurse wurden in einem Stationenbetrieb durchlaufen (jeweils 1 Stunde). Kurs 1 war ein Lernpfad im Computerraum. Die Themenstellungen in Kurs 2 und Kurs 3 wurden mit Schüler anhand von Arbeitsblättern erarbeitet.
;Hinweis
Es empfiehlt sich die Links in einem neuem Fenster öffnen. Halte dazu die Shift-Taste gedrückt, wenn du auf den Links klickst.}}


== Kurs 1: Chaotische Bäume interaktiv ==
==Ackerbauvereine und ein neues Bodenbewertungssystem==
Informiere dich [http://www.matheprisma.uni-wuppertal.de/Module/Fraktal/pages/node3.htm hier] über die Begriffe Chaos und Fraktale.


Fraktale sind also geometrische Formen, deren Struktur sich immer wieder - allerdings verkleinert - wiederholt. Vergrößert man umgekehrt Teile der Figur, so stößt man stets auf die gleiche Grundstruktur und dieses Vergrößern kann beliebig oft geschehen.
Nicht zuletzt die Gründung von Ackerbauvereinen in Deutschland und England dokumentiert deutlich den Wandel hin zur Wissenschaftlichkeit, hin zum Industriezeitalter. Das berühmte [http://www.lib.uwaterloo.ca/society/history/1793boa.html '''Board of Agriculture'''] wurde 1793 <ref>'''Sinclair, J. (1796)'''. Account of the origin of the Board of Agriculture and its progress for three years after its establishment. London: W. Bulmer and Co.</ref> in London gegründet. In Deutschland waren es die [http://www.lib.uwaterloo.ca/society/history/1792lgos.html '''Liefländer gemeinnützige und ökonomische Societät (1796)'''], der Mecklenburgische landwirtschaftliche, patriotische Verein (1797), die Bauernversammlung zu Altenburg und Mecklenburg (1797), die Südpreußisch—ökonomische Gesellschaft (1805) und der landwirtschaftliche Verein zu Möglin (1808), dem Albrecht Thaer angehörte. Theorie und Praxis rückten ein gutes Stück enger zusammen.  


=== Pythagoras-Baum mit 60°-Winkel ===
Zielsetzung der akademischen Vereine war es, die Landwirtschaft als Ganzes zu reformieren und zu intensivieren. Dies geschah dann auch durch die Einführung besserer landwirtschaftlicher Verfahren zur Bodenbearbeitung, durch die Ausweitung des Futterpflanzenbaues, durch Bodenentwässerungsmaßnahmen etc. In die Reformbestrebungen wurde der Bauer miteinbezogen, was damals keinesfalls selbstverständlich war. <ref>'''Volker Klemm''' und Günther Meyer: Albrecht Thaer - Pionier der Landwirtschaftswissenschaften in Deutschland - VEB Max Niemeyer Verlag Halle 1968 S. 197 ff.</ref>
Öffne das folgenes [http://mathematica.ludibunda.ch/Fractale-de2.html  Applet] in einem neuen Fenster und beantworte die folgenden Arbeitsaufträge:
* Durch mehrmaliges Klicken auf "Draw" entsteht eine Figur. Beschreibe diese Figur. Wie sieht sie aus?
* Lösche die Figur mit der Reset-Taste. Lasse nun nur die erste Stufe anzeigen. Aus welchen geometrischen Formen ist sie aufgebaut? Beschreibe diese möglichst genau! Wo ist der 60°-Winkel zu finden?
* Lasse die Figur jetzt Stufe für Stufe zeichnen und beschreibe jeweils, wie jede weitere Stufe aus der vorhergehenden entsteht.
*Woher kommt der Name [[Mathematik-digital/Pythagorasbaum|Pythagorasbaum]]?


=== Pythagoras-Baum und verschiedene Winkel===
[[Datei:Aussaat1.jpg|thumb|left|200 px|'''Aussaat (England)''']]
Verändere nun in dem [http://mathematica.ludibunda.ch/Fractale-de2.html  Applet] auch den Winkel:
*Untersuche die Bäume für 10° und 80°. Welcher Zusammenhang besteht?
*Bei welchem Winkel wird der Baum achsensymmetrisch?
*Wie verändert sich das Aussehen der Bäume bei Winkeln zwischen 1° und 45°?
===Spielen im pythagoräischen Garten ===
Durch ziehen am roten Punkt dieses [http://www.ies.co.jp/math/java/geo/pytree/pytree.html Applets] kannst du den Pythagorasbaum verändern. Findest du den Broccoli?


=== Farne ===
{{wpde|Thaer|'''Thaer'''}} leitete Anfang des 19. Jahrhunderts die landwirtschaftliche Ver— suchsanstalt in Celle und später die in Möglin. Neben den acker- und pflanzenbaulichen Versuchen, wobei der Boden selbstverständlich mit in die Überlegungen einbezogen wurde, beschäftigte Thaer sich intensiv mit bodenkundlich-ökonomischen Überlegungen. Durch die {{wpde|preußische Reformen|'''preußische Agrarreform'''}} am Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Bodenpreise und die Pachtpreise in Bewegung geraten. Sein neues Bodenbeurteilungssystem fiel in eine Zeit, als alte Rechte zur gemeinsamen (extensiven) Landbewirtschaftung von Ländereien abgelöst wurden, indem das Land privatisiert wurde. Dadurch sollte die Produktion nachhaltig gesteigert werden ("Beförderung einer höheren Kultur"). Das Land musste im Rahmen eines {{wpde|Flurbereinigung|'''Flurbereinigsverfahrens'''}} neu aufgeteilt werden. Die Taxation ist auch heute noch der wichtigste Teil eines solchen Verfahrens, denn kein Bauer gibt Land ab, wenn er sich nicht sicher wähnen kann, gleichwertiges wiederzubekommen. Wie schon erwähnt, sah Thaer den Boden als Renditeobjekt. Eine möglichst genaue Beurteilung war eine wichtige Voraussetzung für den Kauf oder Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks. Albrecht Thaer:
[[bild:Farn.jpg|Farn|left]]
Es gibt auch Fraktale, die Ähnlichkeit mit einem Farn haben.<br>
Eine Möglichkeit diese Pflanzen nachzubilden zeigt folgendes [http://www.uni-flensburg.de/mathe/zero/fgalerie/fraktale/fraktaler_baum.html Applet].<br>
Die Ausgangsfigur besteht hier jeweils aus Strecken. <br>
Versuche durch Ziehen an den Endpunkten das folgende Bild zu erzeugen.
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=== Weitere Informationen ===
{{Zitat|"Was dem Manufakturgewerbe das rohe Material, das ist dem landwirtschaftlichen der Grund und Boden. Wie der Fabrikant jenes aussucht, auswählt und vorerst im allgemeinen abschätzt, um es nur nicht über seinem wahren Wert zu bezahlen, so auch der Landwirt. Einmal im Besitz desselben untersucht er es aber genauer, sortiert und bestimmt für jede Sorte die richtige Waare, durch welche das Material nicht nur, sondern auch die darauf zu verwendende Arbeit am höchsten bezahlt wird. Er würde Arbeit verschwenden, wenn er aus haariger Volle feines Tuch verfertigen wollte, und Material, wenn er aus feinem grobes wirkte. Zu dieser Aussonderung ist eine weit genauere Sachkenntnis nöthig, wie nur zum Ankauf der Masse. |Quelle:'''Albrecht Thaer'''Grundsätze der rationellen Landwirtschaft/Zweiter Band. Drittes Hauptstück: Agronomie oder die Lehre von den Bestandtheilen, physikalischen Eigenschaften, der Beurtheilung und Werthschätzung des Bodens Berlin 1810 und Grundsätze der rationellen Landwirthschaft
*[http://www.connect-ed.de/~ernstgro/fraktale/PythagorasbaumApplet.html Bunter Baum]
Von Albrecht Daniel Thaer, Guido Krafft
*[http://www.fh-friedberg.de/users/boergens/marken/04_01/pythagorasfraktal.htm Phythagoras-Baum FH Friedeberg]
Veröffentlicht von Wiegant, Hempel, & Parey, 1880
*[http://www.connect-ed.de/~ernstgro/fraktale/DrachenApplet.html Applet bis Stufe 12]
Original von University of Wisconsin - Madison
*[http://www.pk-applets.de/fra/folgen/folge3.html Weitere Farne]
Digitalisiert am 10. Juni 2008
*[http://www.jjam.de/Java/Applets/Fraktale/Pythagoras_Baum.html Applet]
1100 Seiten
*[http://www.mathe-knapp.de/Applet-Galerie/Bunter%20Pythagorasbaum.html Applet 90°, 3 variable Punkte]
hier:Seite 350
*[http://md-martin.de/schule/informatik/Applets/Applets/Igel/PythagorasBaum.html Applet, Länge, Winkel variabel]
}}
Anwendungen<br>
*[http://www.quarks.de/dyn/3955.phtml Chaos und Verkehr]
*[http://www.quarks.de/dyn/3882.phtml Chaos und Wetter]
*[http://www.quarks.de/dyn/3894.phtml Lebendiges Chaos]
*[http://www.quarks.de/dyn/3903.phtml Ordnung im Chaos (Küstenlinien, Börsenkurse, Apfelmännchen)]
*[http://www.matheprisma.uni-wuppertal.de/Module/Fraktal/pages/node5.htm Operationen am Farnblatt]


== Kurs 2: Drachenfalten einmal anders ==
In das Thaersche Bewertungssystem sind physikalische und chemische Eigenschaften der Böden miteinbezogen, Faktoren, die heute Bodenart und Bodenzustand genannt werden. Sein System ist viel differenzierter als das alte preußische Bodenbeurteilungssystem.
'''Arbeitsblätter mit Lösungen'''
*[[Media:Drachenfalten_Mathetag.pdf|Arbeitsblätter zu Kurs 2]]
*[[Media:Drachenfalten_Lösung.pdf|Lösung]]
*{{pdf|Drachenfalten_Lösung.pdf}} Lösung
'''Weitere Links'''
*[http://www.oberleitner.de/martin/chaos/entw/entw.htm Animation bis Stufe 4]
*[http://www.oberleitner.de/martin/chaos/stuf/dr01.htm Farbiges Applet bis Stufe 14]
*[http://did.mat.uni-bayreuth.de/~alfred/Dragon/d1.html Applet]
*[http://www.cevis.uni-bremen.de/education/PapDra15.gif Stufen 1 - 5]
*[http://www.cevis.uni-bremen.de/education/PapDra67.gif Stufe 6 und 7]


== Kurs 3: Dreimal Sierpinski ==
;Altes preußisches System
'''Arbeitsblätter mit Lösungen'''
 
*{{pdf|Sierpinski_Mathetag.pdf}} Arbeitsblätter
{| class="wikitable"
*{{pdf|Sierpinski_Lösung.pdf}} Lösung
 
'''Weitere Links'''
|Weizenboden                      ||a)  stärker ||  b)schwächer
*[http://www.uni-flensburg.de/mathe/zero/fgalerie/fraktale/sierpinski_dreieck.html Sierpinski Dreieck, Eckpunkte variierbar, bis Stufe 6]
|-              
*[http://www.jjam.de/Java/Applets/Fraktale/Sierpinski_Dreieck.html Sierpinski Dreieck Stufen unbegrenzt]
| Gerstenboden                    ||a)  stärker || b)schwächer
*[http://matheuropa.lfs-koeln.de/pascal/muster.htm Pascalsches Dreieck]
|-          
*[http://www.virtuelle-schule-de.bnv-bamberg.de/vmu1/mathevs/sierpinski.htm noch mehr Sierpinski]
|Haferboden                      ||a)  stärker || b)schwächer
*[http://www.virtuelle-schule-de.bnv-bamberg.de/vmu1/mathevs/pascal.htm Pascal und Sierpinski]
|-
Maria Eirich und Andrea Schellmann, 21.07.2006
|dreijähriger Roggenboden          ||a)  stärker||  b)schwächer
|}
;Das Thaersche System berücksichtigte folgende Punkte
# Bodenart
# Beschaffung des Untergrundes
# Oberflächengestaltung
# Bodenfeuchtigkeit
# Klimaverhältnisse
# Konzentration
# Lage der Fläche zum Markt
Wir haben in Deutschland das Thaersche Bodenbeurteilungssystes, das über 150 Jahre alt ist, teilweise in die heutige Bodenschätzung übernommen. Was in der alten Taxonomie gänzlich fehlte, das war die Berücksichtigung der Bodenentstehung (alluviale Böden, diluviale Böden etc.). Ausgehend vom ökonomischen Ansatz, stellte Thaer Wertproportionalzahlen nach dem Grad der Bodenfruchtbarkeit auf. Diese Zahlen sind dem Punktiersystem der Reichsbodenschätzung (100 Punkte—System) ähnlich.
 
 
==Thaersche Humuswirtschaft==
 
Sie wurde nicht von Thaer erfunden. Es war eine Richtung in der Bodenbewirtschaftung der vergangenen 250 Jahre, die überwiegend aus der praktischen Erfahrung resultierte, wobei die Wissenschaft erst nachträglich Begründungen und Erklärungen lieferte. Da Albrecht Thaer der Agrarwissenschaftler seiner Zeit war, hat sein Werben für eine geregelte Humuswirtschaft zu einer weiteren Verbreitung dieser Ackerbaumethode beigetragen. Seine Grundauffassung über die Entstehung des Humus lautete: “Die vegetablische und animalische Materie wird, wenn das Leben sie verlassen hat, durch den fauligen Gärungsprozeß zersetzt und das Produkt desselben ist der Moder.“ (Mit Moder bezeichnetete Thaer den Humus). Dass Bakterien die organische Substanz zersetzen, war Anfang des 19. Jahrhunderts noch unbekannt. Er sah nur den chemischen Prozess.
 
Als chemische Bestandteil im Humus vermutete Thaer eine Verbindung von Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff nebst geringen Mengen an Phosphor, Schwefel und einigen weiteren Salzen. Er glaubte, weil der Humus sich verhältnismäßig einfach chemisch zersetzen ließ, dass der Humusextrakt für das Leben der Pflanzen eine entscheidende Rolle spielen müsse, neben den bekannten physikalisch wirkenden Eigenschaften (Wasserhaltefähigkeit etc.). "Es (gemeint ist der Extraktivstoff) scheint also wohl diejenige Form zu sein, in welcher die Nahrung und insbesondere der Kohlenstoff den Pflanzen zugeführt wird.Beweise für die Nährwirkung gab es im strengeren Sinn noch nicht; sie sind der jüngeren Forschung vorbehalten.
 
Die Vermutungen Thaers waren eher eine Anlehnung an alte Theorien, insbesondere an die Kohlenstofftheorie und die Erdtheorie. Der Kern der [[Humustheorie]] war die Annahme, dass der lösliche Teil des Humus (Extraktivstoff genannt)‚ dabei insbesondere der Kohlenstoffanteil, als Nährstoffe angesehen wurden, während die mineralischen Bodenbestandteile nur der Pflanze den nötigen Halt geben sollten.
 
Eine Möglichkeit, die Bildung von möglichst viel Extraktivstoff im Boden zu beeinflussen, sah Thaer in einer Förderung der Bodentätigkeit, womit er nicht die biologische, sondern die chemische Aktivität im Boden meinte. Auch andere Forscher maßen den im Humus enthaltenen Kohlenstoff eine außerordentliche Bedeutung bei. {{wpde|Humphry Davy|'''Humphry Davy'''}}<ref>'''Sir Humphry Davy''' (* 17. Dezember 1778 in Penzance, England; † 29. Mai 1829 in Genf, Schweiz) war ein englischer Chemiker</ref> (geb. 1778):
 
{{Zitat|"Die extraktive Substanz der Gartenerde, von zersetzenden Vegetablien herrührend, wird aus der Erde von Wasser angezogen und scheint eine der vorzüglichsten Ursachen der Bodenfruchtbarkeit auszumachen."| Quelle: "Elemente der Agrikultur-Chemie in einer Reihe von Vorlesungen gehalten vor der Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues". Aus dem Englischen übersetzt von Friedrich Wolff, mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von dem Königlich Preußischen Staatsrath Albrecht Thaer. Berlin 1814."}}  
 
Thaers Empfehlungen an die Ackerbauern, den Hackfruchtanbau und den Leguminosenanbau auszuweiten, die Empfehlung, mit Stallmist zu düngen und Kalk und Mergel zu streuen, laufen sowohl auf eine biologische als auch chemische Bodenaktivierung hinaus. Sie wurden von der Praxis angenommen und sind auch heute noch durchaus aktuell.
 
==Thaers Ansichten über mineralische Bodenstoffe==
 
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Image:Chalcanthite-cured.JPG|'''Eisenvitriol'''
Datei:Jean Louis Théodore Géricault 007.jpg|'''Gipsbrennerei in Deutschland 1822-1823'''
Datei:Bunter Mergel.jpg|'''Bunter Mergel'''
Datei:Halit-Kristalle.jpg|'''Steinsalzkristalle''
Datei:Chilisalpeter (Sodium nitrate).jpg|hier:Chilesalpeter (ab 1860 angewendet)
</gallery>
 
Die Arbeiten des Schweizer Pflanzenphysioloqen {{wpde|Nicolas-Théodore de Saussure|'''Nicolas-Théodore de Saussure (1768-1845)'''}} waren dem Wissenschaftler Thaer wahrscheinlich bekannt, denn sein Mitarbeiter Schrader arbeitete auf dem gleichen Gebiet, indem er versuchte, Mineralstoffe aus den Pflanzenaschen zu analysieren. Offensichtlich stimulierten Aschen das Pflanzenwachstum. Thaer führte die Wirkung auf eine indirekte Beeinflussung der Pflanzen zurück, ähnlich der Wirkung eines Katalysators sollten die Aschensalze wirken. Gleichzeitig sollten die Mineralstoffe die Zersetzung des Humus in "Extraktivstoff" beschleunigen. Zu den mineralischen Düngemitteln rechnete Thaer: {{wpde|Kalk|'''Kalk'''}}, {{wpde|Mergel|'''Mergel'''}}, {{wpde|Gips|'''Gips'''}}, {{wpde|Kochsalz|'''Kochsalz'''}}, {{wpde|Salpeter|'''Salpeter'''}}, {{wpde|Eisenvitriol|'''Eisenvitriol'''}}, Säuren und verschiedene Aschenarten. Auf seinen Reisen durch Schleswig—Holstein hatte Thaer die Mergeldüngung kennengelernt. Er empfahl selbst die Anwendung von Kalk auf den kalkarmen, sauren Böden der Mark Brandenburg und warnte gleichzeitig vor einer Überkalkung. Mergel sollte seiner Meinung nach nach Möglichkeit bei der Anwendung auf leichten Böden mit einer Mist— oder Gründüngung verbunden werden.
 
Die Erfolge der Kalkdüngung lösten bei Thaer dann doch den Verdacht aus, dass auch mineralische Stoffe direkt als Nährstoffe wirksam werden könnten. Er rang sich zu der Meinung durch, kohlensaurer Kalk sei ebenfalls ein Pflanzendünger, wobei er die Hauptwirkung dem Kohlensäuregehalt zusprach.
 
[[Datei:Basenanreicherung1.jpg|thumb|400 px|center|'''Obere Skizze: Basenverarmung als natürliche Tendenz im humiden Klima''']]
 
Thaers Vorstellungen über die Bodenchemie waren noch recht lückenhaft (dem Stand der Wissenschaft in seiner Zeit entsprechend), und Kenntnisse der Bodenbiologie waren vermutlich kaum vorhanden. Sein Schüler {{wpde|Carl Sprengel|'''Carl Sprengel (1787 — 1859)'''}} konnte aber den Erkenntnisstand ausbauen. Er wurde zum Wegbereiter der Liebigschen Mineralstofflehre. Thaer bestritt die Nährwirkung der Mineralstoffe. Liebig bestritt 30 Jahre später die Nährwirkung des Humus. Heute wissen wir, dass beide Stoffe nährend wirken.
 
==Anmerkungen==
<references/>
 
 
[[Kategorie:19. Jahrhundert]]

Version vom 17. Mai 2009, 16:31 Uhr


Ackerbauvereine und ein neues Bodenbewertungssystem

Nicht zuletzt die Gründung von Ackerbauvereinen in Deutschland und England dokumentiert deutlich den Wandel hin zur Wissenschaftlichkeit, hin zum Industriezeitalter. Das berühmte Board of Agriculture wurde 1793 [1] in London gegründet. In Deutschland waren es die Liefländer gemeinnützige und ökonomische Societät (1796), der Mecklenburgische landwirtschaftliche, patriotische Verein (1797), die Bauernversammlung zu Altenburg und Mecklenburg (1797), die Südpreußisch—ökonomische Gesellschaft (1805) und der landwirtschaftliche Verein zu Möglin (1808), dem Albrecht Thaer angehörte. Theorie und Praxis rückten ein gutes Stück enger zusammen.

Zielsetzung der akademischen Vereine war es, die Landwirtschaft als Ganzes zu reformieren und zu intensivieren. Dies geschah dann auch durch die Einführung besserer landwirtschaftlicher Verfahren zur Bodenbearbeitung, durch die Ausweitung des Futterpflanzenbaues, durch Bodenentwässerungsmaßnahmen etc. In die Reformbestrebungen wurde der Bauer miteinbezogen, was damals keinesfalls selbstverständlich war. [2]

Aussaat (England)

ThaerWikipedia-logo.png leitete Anfang des 19. Jahrhunderts die landwirtschaftliche Ver— suchsanstalt in Celle und später die in Möglin. Neben den acker- und pflanzenbaulichen Versuchen, wobei der Boden selbstverständlich mit in die Überlegungen einbezogen wurde, beschäftigte Thaer sich intensiv mit bodenkundlich-ökonomischen Überlegungen. Durch die preußische AgrarreformWikipedia-logo.png am Anfang des 19. Jahrhunderts waren die Bodenpreise und die Pachtpreise in Bewegung geraten. Sein neues Bodenbeurteilungssystem fiel in eine Zeit, als alte Rechte zur gemeinsamen (extensiven) Landbewirtschaftung von Ländereien abgelöst wurden, indem das Land privatisiert wurde. Dadurch sollte die Produktion nachhaltig gesteigert werden ("Beförderung einer höheren Kultur"). Das Land musste im Rahmen eines FlurbereinigsverfahrensWikipedia-logo.png neu aufgeteilt werden. Die Taxation ist auch heute noch der wichtigste Teil eines solchen Verfahrens, denn kein Bauer gibt Land ab, wenn er sich nicht sicher wähnen kann, gleichwertiges wiederzubekommen. Wie schon erwähnt, sah Thaer den Boden als Renditeobjekt. Eine möglichst genaue Beurteilung war eine wichtige Voraussetzung für den Kauf oder Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks. Albrecht Thaer:

Zitat
"Was dem Manufakturgewerbe das rohe Material, das ist dem landwirtschaftlichen der Grund und Boden. Wie der Fabrikant jenes aussucht, auswählt und vorerst im allgemeinen abschätzt, um es nur nicht über seinem wahren Wert zu bezahlen, so auch der Landwirt. Einmal im Besitz desselben untersucht er es aber genauer, sortiert und bestimmt für jede Sorte die richtige Waare, durch welche das Material nicht nur, sondern auch die darauf zu verwendende Arbeit am höchsten bezahlt wird. Er würde Arbeit verschwenden, wenn er aus haariger Volle feines Tuch verfertigen wollte, und Material, wenn er aus feinem grobes wirkte. Zu dieser Aussonderung ist eine weit genauere Sachkenntnis nöthig, wie nur zum Ankauf der Masse.
Quelle:Albrecht ThaerGrundsätze der rationellen Landwirtschaft/Zweiter Band. Drittes Hauptstück: Agronomie oder die Lehre von den Bestandtheilen, physikalischen Eigenschaften, der Beurtheilung und Werthschätzung des Bodens Berlin 1810 und Grundsätze der rationellen Landwirthschaft

Von Albrecht Daniel Thaer, Guido Krafft Veröffentlicht von Wiegant, Hempel, & Parey, 1880 Original von University of Wisconsin - Madison Digitalisiert am 10. Juni 2008 1100 Seiten hier:Seite 350

In das Thaersche Bewertungssystem sind physikalische und chemische Eigenschaften der Böden miteinbezogen, Faktoren, die heute Bodenart und Bodenzustand genannt werden. Sein System ist viel differenzierter als das alte preußische Bodenbeurteilungssystem.

Altes preußisches System
Weizenboden a) stärker b)schwächer
Gerstenboden a) stärker b)schwächer
Haferboden a) stärker b)schwächer
dreijähriger Roggenboden a) stärker b)schwächer
Das Thaersche System berücksichtigte folgende Punkte
  1. Bodenart
  2. Beschaffung des Untergrundes
  3. Oberflächengestaltung
  4. Bodenfeuchtigkeit
  5. Klimaverhältnisse
  6. Konzentration
  7. Lage der Fläche zum Markt

Wir haben in Deutschland das Thaersche Bodenbeurteilungssystes, das über 150 Jahre alt ist, teilweise in die heutige Bodenschätzung übernommen. Was in der alten Taxonomie gänzlich fehlte, das war die Berücksichtigung der Bodenentstehung (alluviale Böden, diluviale Böden etc.). Ausgehend vom ökonomischen Ansatz, stellte Thaer Wertproportionalzahlen nach dem Grad der Bodenfruchtbarkeit auf. Diese Zahlen sind dem Punktiersystem der Reichsbodenschätzung (100 Punkte—System) ähnlich.


Thaersche Humuswirtschaft

Sie wurde nicht von Thaer erfunden. Es war eine Richtung in der Bodenbewirtschaftung der vergangenen 250 Jahre, die überwiegend aus der praktischen Erfahrung resultierte, wobei die Wissenschaft erst nachträglich Begründungen und Erklärungen lieferte. Da Albrecht Thaer der Agrarwissenschaftler seiner Zeit war, hat sein Werben für eine geregelte Humuswirtschaft zu einer weiteren Verbreitung dieser Ackerbaumethode beigetragen. Seine Grundauffassung über die Entstehung des Humus lautete: “Die vegetablische und animalische Materie wird, wenn das Leben sie verlassen hat, durch den fauligen Gärungsprozeß zersetzt und das Produkt desselben ist der Moder.“ (Mit Moder bezeichnetete Thaer den Humus). Dass Bakterien die organische Substanz zersetzen, war Anfang des 19. Jahrhunderts noch unbekannt. Er sah nur den chemischen Prozess.

Als chemische Bestandteil im Humus vermutete Thaer eine Verbindung von Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Sauerstoff nebst geringen Mengen an Phosphor, Schwefel und einigen weiteren Salzen. Er glaubte, weil der Humus sich verhältnismäßig einfach chemisch zersetzen ließ, dass der Humusextrakt für das Leben der Pflanzen eine entscheidende Rolle spielen müsse, neben den bekannten physikalisch wirkenden Eigenschaften (Wasserhaltefähigkeit etc.). "Es (gemeint ist der Extraktivstoff) scheint also wohl diejenige Form zu sein, in welcher die Nahrung und insbesondere der Kohlenstoff den Pflanzen zugeführt wird.Beweise für die Nährwirkung gab es im strengeren Sinn noch nicht; sie sind der jüngeren Forschung vorbehalten.

Die Vermutungen Thaers waren eher eine Anlehnung an alte Theorien, insbesondere an die Kohlenstofftheorie und die Erdtheorie. Der Kern der Humustheorie war die Annahme, dass der lösliche Teil des Humus (Extraktivstoff genannt)‚ dabei insbesondere der Kohlenstoffanteil, als Nährstoffe angesehen wurden, während die mineralischen Bodenbestandteile nur der Pflanze den nötigen Halt geben sollten.

Eine Möglichkeit, die Bildung von möglichst viel Extraktivstoff im Boden zu beeinflussen, sah Thaer in einer Förderung der Bodentätigkeit, womit er nicht die biologische, sondern die chemische Aktivität im Boden meinte. Auch andere Forscher maßen den im Humus enthaltenen Kohlenstoff eine außerordentliche Bedeutung bei. Humphry DavyWikipedia-logo.png[3] (geb. 1778):

Zitat
"Die extraktive Substanz der Gartenerde, von zersetzenden Vegetablien herrührend, wird aus der Erde von Wasser angezogen und scheint eine der vorzüglichsten Ursachen der Bodenfruchtbarkeit auszumachen."
Quelle: "Elemente der Agrikultur-Chemie in einer Reihe von Vorlesungen gehalten vor der Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues". Aus dem Englischen übersetzt von Friedrich Wolff, mit Anmerkungen und einer Vorrede begleitet von dem Königlich Preußischen Staatsrath Albrecht Thaer. Berlin 1814."

Thaers Empfehlungen an die Ackerbauern, den Hackfruchtanbau und den Leguminosenanbau auszuweiten, die Empfehlung, mit Stallmist zu düngen und Kalk und Mergel zu streuen, laufen sowohl auf eine biologische als auch chemische Bodenaktivierung hinaus. Sie wurden von der Praxis angenommen und sind auch heute noch durchaus aktuell.

Thaers Ansichten über mineralische Bodenstoffe

Die Arbeiten des Schweizer Pflanzenphysioloqen Nicolas-Théodore de Saussure (1768-1845)Wikipedia-logo.png waren dem Wissenschaftler Thaer wahrscheinlich bekannt, denn sein Mitarbeiter Schrader arbeitete auf dem gleichen Gebiet, indem er versuchte, Mineralstoffe aus den Pflanzenaschen zu analysieren. Offensichtlich stimulierten Aschen das Pflanzenwachstum. Thaer führte die Wirkung auf eine indirekte Beeinflussung der Pflanzen zurück, ähnlich der Wirkung eines Katalysators sollten die Aschensalze wirken. Gleichzeitig sollten die Mineralstoffe die Zersetzung des Humus in "Extraktivstoff" beschleunigen. Zu den mineralischen Düngemitteln rechnete Thaer: KalkWikipedia-logo.png, MergelWikipedia-logo.png, GipsWikipedia-logo.png, KochsalzWikipedia-logo.png, SalpeterWikipedia-logo.png, EisenvitriolWikipedia-logo.png, Säuren und verschiedene Aschenarten. Auf seinen Reisen durch Schleswig—Holstein hatte Thaer die Mergeldüngung kennengelernt. Er empfahl selbst die Anwendung von Kalk auf den kalkarmen, sauren Böden der Mark Brandenburg und warnte gleichzeitig vor einer Überkalkung. Mergel sollte seiner Meinung nach nach Möglichkeit bei der Anwendung auf leichten Böden mit einer Mist— oder Gründüngung verbunden werden.

Die Erfolge der Kalkdüngung lösten bei Thaer dann doch den Verdacht aus, dass auch mineralische Stoffe direkt als Nährstoffe wirksam werden könnten. Er rang sich zu der Meinung durch, kohlensaurer Kalk sei ebenfalls ein Pflanzendünger, wobei er die Hauptwirkung dem Kohlensäuregehalt zusprach.

Obere Skizze: Basenverarmung als natürliche Tendenz im humiden Klima

Thaers Vorstellungen über die Bodenchemie waren noch recht lückenhaft (dem Stand der Wissenschaft in seiner Zeit entsprechend), und Kenntnisse der Bodenbiologie waren vermutlich kaum vorhanden. Sein Schüler Carl Sprengel (1787 — 1859)Wikipedia-logo.png konnte aber den Erkenntnisstand ausbauen. Er wurde zum Wegbereiter der Liebigschen Mineralstofflehre. Thaer bestritt die Nährwirkung der Mineralstoffe. Liebig bestritt 30 Jahre später die Nährwirkung des Humus. Heute wissen wir, dass beide Stoffe nährend wirken.

Anmerkungen

  1. Sinclair, J. (1796). Account of the origin of the Board of Agriculture and its progress for three years after its establishment. London: W. Bulmer and Co.
  2. Volker Klemm und Günther Meyer: Albrecht Thaer - Pionier der Landwirtschaftswissenschaften in Deutschland - VEB Max Niemeyer Verlag Halle 1968 S. 197 ff.
  3. Sir Humphry Davy (* 17. Dezember 1778 in Penzance, England; † 29. Mai 1829 in Genf, Schweiz) war ein englischer Chemiker