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==Gedichte formen==
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in Form gebrachte Sprache.
Gedichte sind in Form gebrachte Sprache.
:Gedichte sind zuallererst durch ihr äußeres Erscheinungsbild gekennzeichnet, durch gebrochene Zeilen, unterschiedliche Zeilenlängen, durch die Gruppierung von Zeilen zu Strophen.  
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:Indem der Verfasser/die Verfasserin dem Wortmaterial eine eigene Ordnung gibt, also indem er/sie Worte zu Zeilen gruppiert oder auch isoliert, können diese mit zusätzlicher Bedeutung angereichert werden.
:Indem der Verfasser/die Verfasserin dem Wortmaterial eine eigene Ordnung gibt, also indem er/sie Worte zu Zeilen gruppiert oder auch isoliert, können diese mit zusätzlicher Bedeutung angereichert werden.
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Probieren Sie's mal aus.
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{{Box|Vom Gedicht zum Fließtext und zurück|
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Man präsentiere ein Gedicht als Fließtext und lasse diesen zu einem Gedicht formen. Geeignet sind reimlose Gedichte, damit die Überlegungen zur Gestaltung sich auf eine innere, gedankliche Struktur konzentrieren. Also nicht ein romantisches Gedicht in Volksliedstrophen. Aber z.B. das Gedicht "Hälfte des Lebens" von Friedrich Hölderlin:
Man präsentiere ein Gedicht als Fließtext und lasse diesen zu einem Gedicht formen. Geeignet sind reimlose Gedichte, damit die Überlegungen zur Gestaltung sich auf eine innere, gedankliche Struktur konzentrieren. Also nicht ein romantisches Gedicht in Volksliedstrophen. Aber z.B. das Gedicht "Hälfte des Lebens" von Friedrich Hölderlin:
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:'' Mit gelben Birnen hänget und voll mit wilden Rosen das Land in den See, Ihr holden Schwäne, und trunken von Küssen tunkt ihr das Haupt ins heilig-nüchterne Wasser. Weh mir, wo nehm ich, wenn es Winter ist, die Blumen, und wo den Sonnenschein, und Schatten der Erde? Die Mauern stehn sprachlos und kalt, im Winde klirren die Fahnen.''   
:'' Mit gelben Birnen hänget und voll mit wilden Rosen das Land in den See, Ihr holden Schwäne, und trunken von Küssen tunkt ihr das Haupt ins heilig-nüchterne Wasser. Weh mir, wo nehm ich, wenn es Winter ist, die Blumen, und wo den Sonnenschein, und Schatten der Erde? Die Mauern stehn sprachlos und kalt, im Winde klirren die Fahnen.''   


Der Vergleich mit dem 'Original' kann dann zu interessanten Interpretationsgesprächen führen, in denen nicht zwingend das Original besser wegkommen muss. Gedichte von Bertolt Brecht - ohne Reim und Metrum - sind ebenfalls gut geeignet.
Der Vergleich mit dem 'Original' kann dann zu interessanten Interpretationsgesprächen führen, in denen nicht zwingend das Original besser wegkommen muss. (Bei Hölderlin allerdings schon. K.D.)
 
Gedichte von '''Bertolt Brecht''' - solche ohne Reim und Metrum - sind ebenfalls gut geeignet für derartige Interpretationsgespräche. Nehmen wir als Beispiel das wohl bekannteste und daraus die letzten Zeilen:
 
:''Ihr aber, wenn es so weit sein wird, daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist, gedenkt unsrer mit Nachsicht.''
 
Welche Darstellungsformen sind möglich und bedeutungsvoll, und welche wählte Bertolt Brecht?
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<pre>  Ihr aber, wenn es so weit sein wird
  Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
  Gedenkt unsrer
  Mit Nachsicht.
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<small>Bertolt Brecht: An die Nachgeborenen (1938)</small>
|2= B. Brechts Gedicht |3=schließen}}
 
Noch etwas ergiebiger könnte die Arbeit an diesem Gedicht von '''Günter Kunert''' (* 1929) werden, weil darin auf eigenwillige Art mit dem Mittel der Wiederholung (hier: Parallelismus) verfahren wird.
 
:''Auf der Schwelle des Hauses''
:''In den Dünen sitzen. Nichts sehen als Sonne. Nichts fühlen als Wärme. Nichts hören als Brandung. Zwischen zwei Herzschlägen glauben: Nun ist Frieden.''
 
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<pre>  In den Dünen sitzen. Nichts sehen
  Als Sonne. Nichts fühlen als
  Wärme. Nichts hören
  Als Brandung. Zwischen zwei
  Herzschlägen glauben: Nun
  Ist Frieden.
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<small>Günter Kunert: Erinnerung an einen Planeten. München 1980, S. 87</small>
|2= G. Kunerts Gedicht |3=schließen}}
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==Siehe auch==
==Siehe auch==
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*[[Mit Gedichten arbeiten: W-Fragen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: W-Fragen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Verdichten]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Verdichten]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Wiederholen, verändern, fortsetzen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Vergleichen]]
*[[Mit Gedichten arbeiten: Gestalten]]


[[Kategorie: Deutsch]][[Kategorie: Lyrik]]
[[Kategorie: Deutsch]][[Kategorie: Lyrik]]

Aktuelle Version vom 17. Januar 2019, 06:00 Uhr

Teil der Serie: Mit Gedichten arbeiten

Gedichte formen

Gedichte sind in Form gebrachte Sprache.

Gedichte sind zuallererst durch ihr äußeres Erscheinungsbild gekennzeichnet, durch gebrochene Zeilen, unterschiedliche Zeilenlängen, durch die Gruppierung von Zeilen zu Strophen.
Indem der Verfasser/die Verfasserin dem Wortmaterial eine eigene Ordnung gibt, also indem er/sie Worte zu Zeilen gruppiert oder auch isoliert, können diese mit zusätzlicher Bedeutung angereichert werden.

Unterrichtsidee

Vom Fließtext zur Gedichtform

1. Der Gedichtband Zaubersprüche von Sarah Kirsch (Ebenhausen bei München, 1974, S. 5) beginnt mit diesem Fließ-Text:

Anziehung

Der Nebel zieht auf, das Wetter schlägt um. Der Mond versammelt Wolken im Kreis. Das Eis auf dem See hat Risse und reibt sich. Komm über den See.

Die Aufgabe lautet:

Bringt diesen Text in die Gestalt eines Gedichtes. Verwendet dazu ein DIN A4 Papier - oder größer.
Alles ist möglich, nur nicht das Weglassen oder Hinzufügen von Wörtern.
Gebt anschließend über eure Überlegungen Auskunft.
Umformungen: vom Fließtext zum Gedicht

Hier mögliche Umsetzungen →→→

Kurzkommentar:

Das ist zunächst keine schwierige Aufgabe. Ihre Durchführung kann aber Interpretationsgespräche auslösen und die Aufmerksamkeit auf Wortbedeutungen lenken. Dadurch kann sich des Weiteren die Sinnhaftigkeit von - scheinbar willkürlichen - Zeilenbrüchen erschließen.

Auch die ästhetische Gestaltung spielt eine Rolle: Die Farbe, die Schrift, die Platzierung auf dem Papier, eventuell auch die Umrandungen und Hintergründe. Wird diese Aufgabe mit Computer oder Tablet bearbeitet, dann kommen noch weitere typografische Aspekte hinzu wie z.B. die Wahl der Schriftfamilie (→ Typografie-Tipps).

Probieren Sie's mal aus.

Weiteres

Vom Gedicht zum Fließtext und zurück

Man präsentiere ein Gedicht als Fließtext und lasse diesen zu einem Gedicht formen. Geeignet sind reimlose Gedichte, damit die Überlegungen zur Gestaltung sich auf eine innere, gedankliche Struktur konzentrieren. Also nicht ein romantisches Gedicht in Volksliedstrophen. Aber z.B. das Gedicht "Hälfte des Lebens" von Friedrich Hölderlin:

Mit gelben Birnen hänget und voll mit wilden Rosen das Land in den See, Ihr holden Schwäne, und trunken von Küssen tunkt ihr das Haupt ins heilig-nüchterne Wasser. Weh mir, wo nehm ich, wenn es Winter ist, die Blumen, und wo den Sonnenschein, und Schatten der Erde? Die Mauern stehn sprachlos und kalt, im Winde klirren die Fahnen.

Der Vergleich mit dem 'Original' kann dann zu interessanten Interpretationsgesprächen führen, in denen nicht zwingend das Original besser wegkommen muss. (Bei Hölderlin allerdings schon. K.D.)

Gedichte von Bertolt Brecht - solche ohne Reim und Metrum - sind ebenfalls gut geeignet für derartige Interpretationsgespräche. Nehmen wir als Beispiel das wohl bekannteste und daraus die letzten Zeilen:

Ihr aber, wenn es so weit sein wird, daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist, gedenkt unsrer mit Nachsicht.

Welche Darstellungsformen sind möglich und bedeutungsvoll, und welche wählte Bertolt Brecht?

   Ihr aber, wenn es so weit sein wird
   Daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
   Gedenkt unsrer
   Mit Nachsicht.
Bertolt Brecht: An die Nachgeborenen (1938)

Noch etwas ergiebiger könnte die Arbeit an diesem Gedicht von Günter Kunert (* 1929) werden, weil darin auf eigenwillige Art mit dem Mittel der Wiederholung (hier: Parallelismus) verfahren wird.

Auf der Schwelle des Hauses
In den Dünen sitzen. Nichts sehen als Sonne. Nichts fühlen als Wärme. Nichts hören als Brandung. Zwischen zwei Herzschlägen glauben: Nun ist Frieden.

Auf der Schwelle des Hauses

   In den Dünen sitzen. Nichts sehen
   Als Sonne. Nichts fühlen als 
   Wärme. Nichts hören
   Als Brandung. Zwischen zwei 
   Herzschlägen glauben: Nun
   Ist Frieden.
Günter Kunert: Erinnerung an einen Planeten. München 1980, S. 87

Siehe auch