Italienische Reise: Unterschied zwischen den Versionen
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J.W. Goethes '''Italienische Reise''' ist primär der Bericht über das {{wpde|Bildung|Bildungserlebnis}}, das er nach seiner ersten Weimarer Zeit suchte, um die Erfahrungen zu sammeln, die seine von Kindheit durch die Berichte des Vaters angeregte {{wpde|Italiensehnsucht|Italiensehnsucht}} zu befriedigen und die eine wichtige Voraussetzung für die {{wpde|Weimarer Klassik|Weimarer Klassik}} bedeutete. | |||
Für diese Reise musste er seine Aufgaben als Minister seines Herzogs {{wpde|Karl August (Sachsen-Weimar-Eisenach)|Karl Augusts}} im Stich lassen. Er entschied sich aber dafür, weil ihm klar geworden war, dass sein Ministeramt seine dichterische Produktivität lähmte. Er hatte zehn Jahre nichts Neues mehr veröffentlicht. Er erbat und erhielt vom Herzog Urlaub auf unbestimmte Zeit, doch hatte er ihm sein Reiseziel nicht verraten und reiste inkognito. | Für diese Reise musste er seine Aufgaben als Minister seines Herzogs {{wpde|Karl August (Sachsen-Weimar-Eisenach)|Karl Augusts}} im Stich lassen. Er entschied sich aber dafür, weil ihm klar geworden war, dass sein Ministeramt seine dichterische Produktivität lähmte. Er hatte zehn Jahre nichts Neues mehr veröffentlicht. Er erbat und erhielt vom Herzog Urlaub auf unbestimmte Zeit, doch hatte er ihm sein Reiseziel nicht verraten und reiste inkognito. | ||
Eine Karte von Goethes Reise und der vollständige Text seines Reisebuchs findet sich bei [http://gutenberg.spiegel.de/goethe/italien/italien.htm Gutenberg.de]. | Eine Karte von Goethes Reise und der vollständige Text seines Reisebuchs findet sich bei [http://gutenberg.spiegel.de/goethe/italien/italien.htm Gutenberg.de]. Goethe hat dieses Reisebuch erst 1815 herausgegeben, also erst lange nach drei Schriften über italienische Kunst und über seine Reise ([[Reisen eines Deutschen in Italien]]) von '''Karl Philipp Moritz''' und auch lange nach '''Johann Gottfried Seumes''' 1803 erschienenem Reisebericht [[Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802]]. | ||
== Auszüge == | == Auszüge == | ||
==={{wpde|Verona}}=== | |||
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Verona, den 16. September. | Verona, den 16. September. | ||
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Wegen der Unterhaltung dieses Werks müssen die Veroneser gelobt werden. Es ist von einem rötlichen Marmor gebaut, den die Witterung angreift, daher stellt man der Reihe nach die ausgefressenen Stufen immer wieder her, und sie scheinen fast alle ganz neu. Eine Inschrift gedenkt eines Hieronymus Maurigenus und seines auf dieses Monument verwendeten unglaublichen Fleißes. Von der äußern Mauer steht nur ein Stück, und ich zweifele, ob sie je ganz fertig geworden. Die untern Gewölbe, die an den großen Platz, il Brà genannt, stoßen, sind an Handwerker vermietet, und es sieht lustig genug aus, diese Höhlungen wieder belebt zu sehen. | Wegen der Unterhaltung dieses Werks müssen die Veroneser gelobt werden. Es ist von einem rötlichen Marmor gebaut, den die Witterung angreift, daher stellt man der Reihe nach die ausgefressenen Stufen immer wieder her, und sie scheinen fast alle ganz neu. Eine Inschrift gedenkt eines Hieronymus Maurigenus und seines auf dieses Monument verwendeten unglaublichen Fleißes. Von der äußern Mauer steht nur ein Stück, und ich zweifele, ob sie je ganz fertig geworden. Die untern Gewölbe, die an den großen Platz, il Brà genannt, stoßen, sind an Handwerker vermietet, und es sieht lustig genug aus, diese Höhlungen wieder belebt zu sehen. | ||
==={{ | Quelle: [https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital131.html Bibliothek Gutenberg] | ||
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[Venedig] | |||
* [https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital131.html Die Arena in Verona] | |||
==={{wpde|Venedig}}=== | |||
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[Venedig] Den 6. Oktober. | |||
Auf heute abend hatte ich mir den famosen Gesang der Schiffer bestellt, die den Tasso und Ariost auf ihre eignen Melodien singen. Dieses muß wirklich bestellt werden, es kommt nicht gewöhnlich vor, es gehört vielmehr zu den halb verklungenen Sagen der Vorzeit. Bei Mondenschein bestieg ich eine Gondel, den einen Sänger vorn, den andern hinten; sie fingen ihr Lied an und sangen abwechselnd Vers für Vers. Die Melodie, welche wir durch Rousseau kennen, ist eine Mittelart zwischen Choral und Rezitativ, sie behält immer denselbigen Gang, ohne Takt zu haben; die Modulation ist auch dieselbige, nur verändern sie nach dem Inhalt des Verses mit einer Art von Deklamation sowohl Ton als Maß; der Geist aber, das Leben davon, läßt sich begreifen, wie folgt. | Auf heute abend hatte ich mir den famosen Gesang der Schiffer bestellt, die den Tasso und Ariost auf ihre eignen Melodien singen. Dieses muß wirklich bestellt werden, es kommt nicht gewöhnlich vor, es gehört vielmehr zu den halb verklungenen Sagen der Vorzeit. Bei Mondenschein bestieg ich eine Gondel, den einen Sänger vorn, den andern hinten; sie fingen ihr Lied an und sangen abwechselnd Vers für Vers. Die Melodie, welche wir durch Rousseau kennen, ist eine Mittelart zwischen Choral und Rezitativ, sie behält immer denselbigen Gang, ohne Takt zu haben; die Modulation ist auch dieselbige, nur verändern sie nach dem Inhalt des Verses mit einer Art von Deklamation sowohl Ton als Maß; der Geist aber, das Leben davon, läßt sich begreifen, wie folgt. | ||
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Um dieses mich vernehmen zu lassen, stiegen sie am Ufer der Giudecca aus, sie teilten sich am Kanal hin, ich ging zwischen ihnen auf und ab, so daß ich immer den verließ, der zu singen anfangen sollte, und mich demjenigen wieder näherte, der aufgehört hatte. Da ward mir der Sinn des Gesangs erst aufgeschlossen. Als Stimme aus der Ferne klingt es höchst sonderbar, wie eine Klage ohne Trauer; es ist darin etwas unglaublich, bis zu Tränen Rührendes. Ich schrieb es meiner Stimmung zu; aber mein Alter sagte: »È singolare, come quel canto intenerisce, e molto piè, quando è piè ben cantato.« Er wünschte, daß ich die Weiber vom Lido, besonders die von Malamocco und Pelestrina hören möchte, auch diese sängen den Tasso auf gleiche und ähnliche Melodien. Er sagte ferner: »Sie haben die Gewohnheit, wenn ihre Männer aufs Fischen ins Meer sind, sich ans Ufer zu setzen und mit durchdringender Stimme abends diese Gesänge erschallen zu lassen, bis sie auch von ferne die Stimme der Ihrigen vernehmen und sich so mit ihnen unterhalten.« Ist das nicht sehr schön? Und doch läßt sich wohl denken, daß ein Zuhörer in der Nähe wenig Freude an solchen Stimmen haben möchte, die mit den Wellen des Meeres kämpfen. Menschlich aber und wahr wird der Begriff dieses Gesanges, lebendig wird die Melodie, über deren tote Buchstaben wir uns sonst den Kopf zerbrochen haben. Gesang ist es eines Einsamen in die Ferne und Weite, damit ein anderer, Gleichgestimmter höre und antworte. | Um dieses mich vernehmen zu lassen, stiegen sie am Ufer der Giudecca aus, sie teilten sich am Kanal hin, ich ging zwischen ihnen auf und ab, so daß ich immer den verließ, der zu singen anfangen sollte, und mich demjenigen wieder näherte, der aufgehört hatte. Da ward mir der Sinn des Gesangs erst aufgeschlossen. Als Stimme aus der Ferne klingt es höchst sonderbar, wie eine Klage ohne Trauer; es ist darin etwas unglaublich, bis zu Tränen Rührendes. Ich schrieb es meiner Stimmung zu; aber mein Alter sagte: »È singolare, come quel canto intenerisce, e molto piè, quando è piè ben cantato.« Er wünschte, daß ich die Weiber vom Lido, besonders die von Malamocco und Pelestrina hören möchte, auch diese sängen den Tasso auf gleiche und ähnliche Melodien. Er sagte ferner: »Sie haben die Gewohnheit, wenn ihre Männer aufs Fischen ins Meer sind, sich ans Ufer zu setzen und mit durchdringender Stimme abends diese Gesänge erschallen zu lassen, bis sie auch von ferne die Stimme der Ihrigen vernehmen und sich so mit ihnen unterhalten.« Ist das nicht sehr schön? Und doch läßt sich wohl denken, daß ein Zuhörer in der Nähe wenig Freude an solchen Stimmen haben möchte, die mit den Wellen des Meeres kämpfen. Menschlich aber und wahr wird der Begriff dieses Gesanges, lebendig wird die Melodie, über deren tote Buchstaben wir uns sonst den Kopf zerbrochen haben. Gesang ist es eines Einsamen in die Ferne und Weite, damit ein anderer, Gleichgestimmter höre und antworte. | ||
{{ | Quelle: [https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital144.html Bibliothek Gutenberg] | ||
|Zitat}} | |||
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[Venedig] Den 12. Oktober. | [Venedig] Den 12. Oktober. | ||
[...] | [...] | ||
Gott sei Dank, wie mir alles wieder lieb wird, was mir von Jugend auf wert war! Wie glücklich befinde ich mich, daß ich den alten Schriftstellern wieder näherzutreten wage! Denn jetzt darf ich es sagen, darf meine Krankheit und Torheit bekennen. Schon einige Jahre her durft' ich keinen lateinischen Autor ansehen, nichts betrachten, was mir ein Bild Italiens erneute. Geschah es zufällig, so erduldete ich die entsetzlichsten Schmerzen. Herder spottete oft über mich, daß ich all mein Latein aus dem Spinoza lerne, denn er hatte bemerkt, daß dies das einzige lateinische Buch war, das ich las; er wußte aber nicht, wie sehr ich mich vor den Alten hüten mußte, wie ich mich in jene abstrusen Allgemeinheiten nur ängstlich flüchtete. Noch zuletzt hat mich die Wielandsche Übersetzung der »Satiren« höchst unglücklich gemacht; ich hatte kaum zwei gelesen, so war ich schon verrückt. | Gott sei Dank, wie mir alles wieder lieb wird, was mir von Jugend auf wert war! Wie glücklich befinde ich mich, daß ich den alten Schriftstellern wieder näherzutreten wage! Denn jetzt darf ich es sagen, darf meine Krankheit und Torheit bekennen. Schon einige Jahre her durft' ich keinen lateinischen Autor ansehen, nichts betrachten, was mir ein Bild Italiens erneute. Geschah es zufällig, so erduldete ich die entsetzlichsten Schmerzen. Herder spottete oft über mich, daß ich all mein Latein aus dem Spinoza lerne, denn er hatte bemerkt, daß dies das einzige lateinische Buch war, das ich las; er wußte aber nicht, wie sehr ich mich vor den Alten hüten mußte, wie ich mich in jene abstrusen Allgemeinheiten nur ängstlich flüchtete. Noch zuletzt hat mich die Wielandsche Übersetzung der »Satiren« höchst unglücklich gemacht; ich hatte kaum zwei gelesen, so war ich schon verrückt. | ||
Hätte ich nicht den Entschluß gefaßt, den ich jetzt ausführe, so wär' ich rein zugrunde gegangen: zu einer solchen Reife war die Begierde, diese Gegenstände mit Augen zu sehen, in meinem Gemüt gestiegen. [...] | Hätte ich nicht den Entschluß gefaßt, den ich jetzt ausführe, so wär' ich rein zugrunde gegangen: zu einer solchen Reife war die Begierde, diese Gegenstände mit Augen zu sehen, in meinem Gemüt gestiegen. [...] | ||
Quelle: [https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital144.html Bibliothek Gutenberg] | |||
|Zitat}} | |||
==={{ | ==={{wpde|Bologna}}=== | ||
'''Goethes Plan zur Fortsetzung der {{wpde|Iphigenie auf Tauris|Iphigenie auf Tauris}}''' | '''Goethes Plan zur Fortsetzung der {{wpde|Iphigenie auf Tauris|Iphigenie auf Tauris}}''' | ||
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Bologna, den 19. Oktober, abends. | Bologna, den 19. Oktober, abends. | ||
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Indessen sind Iphigenie, Orest und Pylades gleichfalls zu Delphi angekommen. Iphigeniens heilige Ruhe kontrastiert gar merkwürdig mit Elektrens irdischer Leidenschaft, als die beiden Gestalten wechselseitig unerkannt zusammentreffen. Der entflohene Grieche erblickt Iphigenien, erkennt die Priesterin, welche die Freunde geopfert, und entdeckt es Elektren. Diese ist im Begriff, mit demselbigen Beil, welches sie dem Altar wieder entreißt, Iphigenien zu ermorden, als eine glückliche Wendung dieses letzte schreckliche Übel von den Geschwistern abwendet. Wenn diese Szene gelingt, so ist nicht leicht etwas Größeres und Rührenderes auf dem Theater gesehen worden. Wo soll man aber Hände und Zeit hernehmen, wenn auch der Geist willig wäre! | Indessen sind Iphigenie, Orest und Pylades gleichfalls zu Delphi angekommen. Iphigeniens heilige Ruhe kontrastiert gar merkwürdig mit Elektrens irdischer Leidenschaft, als die beiden Gestalten wechselseitig unerkannt zusammentreffen. Der entflohene Grieche erblickt Iphigenien, erkennt die Priesterin, welche die Freunde geopfert, und entdeckt es Elektren. Diese ist im Begriff, mit demselbigen Beil, welches sie dem Altar wieder entreißt, Iphigenien zu ermorden, als eine glückliche Wendung dieses letzte schreckliche Übel von den Geschwistern abwendet. Wenn diese Szene gelingt, so ist nicht leicht etwas Größeres und Rührenderes auf dem Theater gesehen worden. Wo soll man aber Hände und Zeit hernehmen, wenn auch der Geist willig wäre! | ||
Quelle: [https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital152.html Bibliothek Gutenberg] | |||
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Den 25. abends. Perugia. | {{Zitat|'''Den 25. abends. Perugia.''' | ||
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Den Dreiundzwanzigsten früh, unserer Uhr um zehne, kamen wir aus den Apenninen hervor und sahen {{wpde|Florenz|Florenz}} liegen in einem weiten Tal, das unglaublich bebaut und ins Unendliche mit Villen und Häusern besät ist. | Den Dreiundzwanzigsten früh, unserer Uhr um zehne, kamen wir aus den Apenninen hervor und sahen {{wpde|Florenz|Florenz}} liegen in einem weiten Tal, das unglaublich bebaut und ins Unendliche mit Villen und Häusern besät ist. | ||
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Wenn ich neulich von den Apenninen sagte, was sie sein könnten, das ist nun {{wpde|Toskana|Toskana}}: weil es so viel tiefer lag, so hat das alte Meer recht seine Schuldigkeit getan und tiefen Lehmboden aufgehäuft. Er ist heugelb und leicht zu verarbeiten. Sie pflügen tief, aber noch recht auf die ursprüngliche Art: ihr Pflug hat keine Räder, und die Pflugschar ist nicht beweglich. So schleppt sie der Bauer, hinter seinen Ochsen gebückt, einher und wühlt die Erde auf. Es wird bis fünfmal gepflügt, wenigen und nur sehr leichten Dünger streuen sie mit den Händen. Endlich säen sie den Weizen, dann häufen sie schmale Sotteln auf, dazwischen entstehen tiefe Furchen, alles so gerichtet, daß das Regenwasser ablaufen muß. Die Frucht wächst nun auf den Sotteln in die Höhe, in den Furchen gehen sie hin und her, wenn sie jäten. Diese Verfahrungsart ist begreiflich, wo Nässe zu fürchten ist; warum sie es aber auf den schönsten Gebreiten tun, kann ich nicht einsehen. Diese Betrachtung machte ich bei Arezzo, wo sich eine herrliche Plaine auftut. Reiner kann man kein Feld sehen, nirgends auch nur eine Erdscholle, alles klar wie gesiebt. Der Weizen gedeiht hier recht schön, und er scheint hier alle seiner Natur gemäßen Bedingungen zu finden. Das zweite Jahr bauen sie Bohnen für die Pferde, die hier keinen Hafer bekommen. Es werden auch Lupinen gesäet, die jetzt schon vortrefflich grün stehen und im März Früchte bringen. Auch der {{wpde|Lein|Lein}} hat schon gekeimt, er bleibt den Winter über und wird durch den Frost nur dauerhafter. | Wenn ich neulich von den Apenninen sagte, was sie sein könnten, das ist nun {{wpde|Toskana|Toskana}}: weil es so viel tiefer lag, so hat das alte Meer recht seine Schuldigkeit getan und tiefen Lehmboden aufgehäuft. Er ist heugelb und leicht zu verarbeiten. Sie pflügen tief, aber noch recht auf die ursprüngliche Art: ihr Pflug hat keine Räder, und die Pflugschar ist nicht beweglich. So schleppt sie der Bauer, hinter seinen Ochsen gebückt, einher und wühlt die Erde auf. Es wird bis fünfmal gepflügt, wenigen und nur sehr leichten Dünger streuen sie mit den Händen. Endlich säen sie den Weizen, dann häufen sie schmale Sotteln auf, dazwischen entstehen tiefe Furchen, alles so gerichtet, daß das Regenwasser ablaufen muß. Die Frucht wächst nun auf den Sotteln in die Höhe, in den Furchen gehen sie hin und her, wenn sie jäten. Diese Verfahrungsart ist begreiflich, wo Nässe zu fürchten ist; warum sie es aber auf den schönsten Gebreiten tun, kann ich nicht einsehen. Diese Betrachtung machte ich bei Arezzo, wo sich eine herrliche Plaine auftut. Reiner kann man kein Feld sehen, nirgends auch nur eine Erdscholle, alles klar wie gesiebt. Der Weizen gedeiht hier recht schön, und er scheint hier alle seiner Natur gemäßen Bedingungen zu finden. Das zweite Jahr bauen sie Bohnen für die Pferde, die hier keinen Hafer bekommen. Es werden auch Lupinen gesäet, die jetzt schon vortrefflich grün stehen und im März Früchte bringen. Auch der {{wpde|Lein|Lein}} hat schon gekeimt, er bleibt den Winter über und wird durch den Frost nur dauerhafter. | ||
|aus:'' [https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital153.html Projekt Gutenberg.de] 15.07.2006}} | |||
=== {{ | === {{wpde|Perugia}} === | ||
{{Zitat| | {{Zitat| | ||
[Perugia, 25.10.86] | [Perugia, 25.10.86] | ||
Mit den Vetturinen ist es eine leidige Fahrt; das Beste, daß man ihnen bequem zu Fuße folgen kann. Von Ferrara lass' ich mich nun immer bis hieher so fortschleppen. Dieses Italien, von Natur höchlich begünstiget, blieb in allem Mechanischen und Technischen, worauf doch eine bequemere und frischere Lebensweise gegründet ist, gegen alle Länder unendlich zurück. Das Fuhrwerk der Vetturine, welches noch Sedia, ein Sessel, heißt, ist gewiß aus den alten Tragsesseln entstanden, in welchen sich Frauen, ältere und vornehmere Personen von Maultieren tragen ließen. Statt des hintern Maultiers, das man hervor neben die Gabel spannte, setzte man zwei Räder unter, und an keine weitere Verbesserung ward gedacht. Man wird wie vor Jahrhunderten noch immer fortgeschaukelt, und so sind sie in ihren Wohnungen und allem. | Mit den Vetturinen ist es eine leidige Fahrt; das Beste, daß man ihnen bequem zu Fuße folgen kann. Von Ferrara lass' ich mich nun immer bis hieher so fortschleppen. Dieses Italien, von Natur höchlich begünstiget, blieb in allem Mechanischen und Technischen, worauf doch eine bequemere und frischere Lebensweise gegründet ist, gegen alle Länder unendlich zurück. Das Fuhrwerk der Vetturine, welches noch Sedia, ein Sessel, heißt, ist gewiß aus den alten Tragsesseln entstanden, in welchen sich Frauen, ältere und vornehmere Personen von Maultieren tragen ließen. Statt des hintern Maultiers, das man hervor neben die Gabel spannte, setzte man zwei Räder unter, und an keine weitere Verbesserung ward gedacht. Man wird wie vor Jahrhunderten noch immer fortgeschaukelt, und so sind sie in ihren Wohnungen und allem. | ||
| | |https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital153.html 15.07.2006}} | ||
==={{ | ==={{wpde|Terni}}=== | ||
{{Zitat|'''Terni, den 27. Oktober, abends.''' | |||
Terni, den 27. Oktober, abends. | |||
Wieder in einer Höhle sitzend, die vor einem Jahr vom Erdbeben gelitten; das Städtchen liegt in einer köstlichen Gegend, die ich auf einem Rundgange um dasselbe her mit Freuden beschaute, am Anfang einer schönen Plaine zwischen Bergen, die alle noch Kalk sind. Wie Bologna drüben, so ist Terni hüben an den Fuß des Gebirgs gesetzt. [...] | Wieder in einer Höhle sitzend, die vor einem Jahr vom Erdbeben gelitten; das Städtchen liegt in einer köstlichen Gegend, die ich auf einem Rundgange um dasselbe her mit Freuden beschaute, am Anfang einer schönen Plaine zwischen Bergen, die alle noch Kalk sind. Wie Bologna drüben, so ist Terni hüben an den Fuß des Gebirgs gesetzt. [...] | ||
{{wpde|Spoleto|Spoleto}} hab' ich bestiegen und war auf der {{wpde|Aquädukt|Wasserleitung}}, die zugleich Brücke von einem Berg zu einem andern ist. Die zehen Bogen, welche über das Tal reichen, stehen von Backsteinen ihre Jahrhunderte so ruhig da, und das Wasser quillt immer noch in Spoleto an allen Orten und Enden. Das ist nun das dritte Werk der Alten, das ich sehe, und immer derselbe große Sinn. Eine zweite Natur, die zu bürgerlichen Zwecken handelt, das ist ihre Baukunst, so steht das Amphitheater, der Tempel und der Aquadukt. Nun fühle ich erst, wie mir mit Recht alle Willkürlichkeiten verhaßt waren, wie z. B. der Winterkasten auf dem Weißenstein, ein Nichts um Nichts, ein ungeheurer Konfektaufsatz, und so mit tausend andern Dingen. Das steht nun alles totgeboren da, denn was nicht eine wahre innere Existenz hat, hat kein Leben und kann nicht groß sein und nicht groß werden. [...] | {{wpde|Spoleto|Spoleto}} hab' ich bestiegen und war auf der {{wpde|Aquädukt|Wasserleitung}}, die zugleich Brücke von einem Berg zu einem andern ist. Die zehen Bogen, welche über das Tal reichen, stehen von Backsteinen ihre Jahrhunderte so ruhig da, und das Wasser quillt immer noch in Spoleto an allen Orten und Enden. Das ist nun das dritte Werk der Alten, das ich sehe, und immer derselbe große Sinn. Eine zweite Natur, die zu bürgerlichen Zwecken handelt, das ist ihre Baukunst, so steht das Amphitheater, der Tempel und der Aquadukt. Nun fühle ich erst, wie mir mit Recht alle Willkürlichkeiten verhaßt waren, wie z. B. der Winterkasten auf dem Weißenstein, ein Nichts um Nichts, ein ungeheurer Konfektaufsatz, und so mit tausend andern Dingen. Das steht nun alles totgeboren da, denn was nicht eine wahre innere Existenz hat, hat kein Leben und kann nicht groß sein und nicht groß werden. [...] | ||
|aus:'' https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital154.html 16.07.2006}} | |||
=== {{ | === {{wpde|Rom}} === | ||
{{Zitat|'''Rom, den 1. November 1786.''' | |||
Rom, den 1. November 1786. | |||
[...] | [...] | ||
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[...] | [...] | ||
| aus:'' https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital161.html 16.07.2006}} | |||
(Rom, 18. Januar 1787) | (Rom, 18. Januar 1787) | ||
{{Zitat| | |||
[...] {{wpde|Antonius der Große|Sankt Anton}}, der Abt oder Bischof, ist Patron der vierfüßigen Geschöpfe, sein Fest ein saturnalischer Feiertag für die sonst belasteten Tiere sowie für ihre Wärter und Lenker. Alle Herrschaften müssen heute zu Hause bleiben oder zu Fuß gehen, man verfehlt niemals, bedenkliche Geschichten zu erzählen, wie ungläubige Vornehme, welche ihre Kutscher an diesem Tage zu fahren genötigt, durch große Unfälle gestraft worden. | [...] {{wpde|Antonius der Große|Sankt Anton}}, der Abt oder Bischof, ist Patron der vierfüßigen Geschöpfe, sein Fest ein saturnalischer Feiertag für die sonst belasteten Tiere sowie für ihre Wärter und Lenker. Alle Herrschaften müssen heute zu Hause bleiben oder zu Fuß gehen, man verfehlt niemals, bedenkliche Geschichten zu erzählen, wie ungläubige Vornehme, welche ihre Kutscher an diesem Tage zu fahren genötigt, durch große Unfälle gestraft worden. | ||
Die Kirche liegt an einem so weitschichtigen Platz, daß er beinahe für öde gelten könnte, heute ist er aber auf das lustigste belebt, Pferde und Maultiere, deren Mähnen und Schweife mit Bändern schön, ja prächtig eingeflochten zu schauen, werden vor die kleine, von der Kirche etwas abstehende Kapelle geführt, wo ein Priester, mit einem großen Wedel versehen, das Weihwasser, das in Butten und Kübeln vor ihm steht, nicht schonend, auf die muntern Geschöpfe derb losspritzt, manchmal sogar schalkhaft, um sie zu reizen. Andächtige Kutscher bringen größere oder kleinere Kerzen, die Herrschaften senden Almosen und Geschenke, damit die kostbaren, nützlichen Tiere ein Jahr über vor allem Unfall sicher bleiben mögen. Esel und Hornvieh, ihren Besitzern ebenso nützlich und wert, nehmen gleichfalls an diesem Segen ihr beschieden Teil. | Die Kirche liegt an einem so weitschichtigen Platz, daß er beinahe für öde gelten könnte, heute ist er aber auf das lustigste belebt, Pferde und Maultiere, deren Mähnen und Schweife mit Bändern schön, ja prächtig eingeflochten zu schauen, werden vor die kleine, von der Kirche etwas abstehende Kapelle geführt, wo ein Priester, mit einem großen Wedel versehen, das Weihwasser, das in Butten und Kübeln vor ihm steht, nicht schonend, auf die muntern Geschöpfe derb losspritzt, manchmal sogar schalkhaft, um sie zu reizen. Andächtige Kutscher bringen größere oder kleinere Kerzen, die Herrschaften senden Almosen und Geschenke, damit die kostbaren, nützlichen Tiere ein Jahr über vor allem Unfall sicher bleiben mögen. Esel und Hornvieh, ihren Besitzern ebenso nützlich und wert, nehmen gleichfalls an diesem Segen ihr beschieden Teil. | ||
| aus:'' https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital167.html 16.07.2006}} | |||
=== Vesuv === | === Vesuv === | ||
{{Zitat|'''Neapel, den 6. März 1787.''' | |||
Neapel, den 6. März 1787. | |||
Obgleich ungern, doch aus treuer Geselligkeit, begleitete | Obgleich ungern, doch aus treuer Geselligkeit, begleitete Tischbein mich heute auf den {{wpde|Vesuv|Vesuv}}. Ihm, dem bildenden Künstler, der sich nur immer mit den schönsten Menschen- und Tierformen beschäftigt, ja das Ungeformte selbst, Felsen und Landschaften, durch Sinn und Geschmack vermenschlicht, ihm wird eine solche furchtbare, ungestalte Aufhäufung, die sich immer wieder selbst verzehrt und allem Schönheitsgefühl den Krieg ankündigt, ganz abscheulich vorkommen. | ||
Wir fuhren auf zwei Kalessen, weil wir uns als Selbstführer durch das Gewühl der Stadt nicht durchzuwinden getrauten. Der Fahrende schreit unaufhörlich: »Platz, Platz!«, damit Esel, Holz oder Kehricht Tragende, entgegenrollende Kalessen, lastschleppende oder frei wandelnde Menschen, Kinder und Greise sich vorsehen, ausweichen, ungehindert aber der scharfe Trab fortgesetzt werde. | Wir fuhren auf zwei Kalessen, weil wir uns als Selbstführer durch das Gewühl der Stadt nicht durchzuwinden getrauten. Der Fahrende schreit unaufhörlich: »Platz, Platz!«, damit Esel, Holz oder Kehricht Tragende, entgegenrollende Kalessen, lastschleppende oder frei wandelnde Menschen, Kinder und Greise sich vorsehen, ausweichen, ungehindert aber der scharfe Trab fortgesetzt werde. | ||
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Auf unserer Rückkehr nach {{wpde|Neapel|Neapel}} wurden mir kleine Häuser merkwürdig, einstöckig, sonderbar gebaut, ohne Fenster, die Zimmer nur durch die auf die Straße gehende Türe erleuchtet. Von früher Tageszeit bis in die Nacht sitzen die Bewohner davor, da sie sich denn zuletzt in ihre Höhlen zurückziehen. | Auf unserer Rückkehr nach {{wpde|Neapel|Neapel}} wurden mir kleine Häuser merkwürdig, einstöckig, sonderbar gebaut, ohne Fenster, die Zimmer nur durch die auf die Straße gehende Türe erleuchtet. Von früher Tageszeit bis in die Nacht sitzen die Bewohner davor, da sie sich denn zuletzt in ihre Höhlen zurückziehen. | ||
Die auf eine etwas verschiedene Weise am Abend tumultuierende Stadt entlockte mir den Wunsch, einige Zeit hier verweilen zu können, um das bewegliche Bild nach Kräften zu entwerfen. Es wird mir nicht so wohl werden. | Die auf eine etwas verschiedene Weise am Abend tumultuierende Stadt entlockte mir den Wunsch, einige Zeit hier verweilen zu können, um das bewegliche Bild nach Kräften zu entwerfen. Es wird mir nicht so wohl werden.|aus:'' https://www.projekt-gutenberg.org//goethe/italien/ital173.html 16.07.2006}} | ||
=== Kornkammer Sizilien === | === Kornkammer Sizilien === | ||
{{Zitat|'''{{wpde|Agrigent|Girgenti}}, Freitag, den 27. April 1787''' | |||
{{wpde|Agrigent|Girgenti}}, Freitag, den 27. April 1787 | |||
[...] | [...] | ||
Ich hatte nämlich auf dem bisherigen Wege in {{ | Ich hatte nämlich auf dem bisherigen Wege in {{wpde|Sizilien}} wenig kornreiche Gegenden gesehen, sodann war der Horizont überall von nahen und fernen Bergen beschränkt, so daß es der Insel ganz an Flächen zu fehlen schien und man nicht begriff, wie {{wpde|Ceres}} dieses Land so vorzüglich begünstigt haben sollte. Als ich mich darnach erkundigte, erwiderte man mir, daß ich, um dieses einzusehen, statt über {{wpde|Syrakus}}, quer durchs Land gehen müsse, wo ich denn der Weizenstriche genug antreffen würde. Wir folgten dieser Lockung, Syrakus aufzugeben, indem uns nicht unbekannt war, daß von dieser herrlichen Stadt wenig mehr als der prächtige Name geblieben sei. Allenfalls war sie von {{wpde|Catania}} aus leicht zu besuchen. | ||
{{wpde|Caltanissetta|Caltanisetta}}, Sonnabend, den 28. April 1787 | {{wpde|Caltanissetta|Caltanisetta}}, Sonnabend, den 28. April 1787 | ||
Heute können wir denn endlich sagen, daß uns ein anschaulicher Begriff geworden, wie Sizilien den Ehrennamen einer {{wpde|Geschichte_Siziliens#Sizilien_als_r.C3.B6mische_Provinz|Kornkammer Italiens}} erlangen können. Eine Strecke, nachdem wir Girgent verlassen, fing der fruchtbare Boden an. Es sind keine großen Flächen, aber sanft gegeneinander laufende Berg- und Hügelrücken, durchgängig mit Weizen und Gerste bestellt, die eine ununterbrochene Masse von Fruchtbarkeit dem Auge darbieten. Der diesen Pflanzen geeignete Boden wird so genutzt und so geschont, daß man nirgends einen Baum sieht, ja, alle die kleinen Ortschaften und Wohnungen liegen auf Rücken der Hügel, wo eine hinstreichende Reihe Kalkfelsen den Boden ohnehin unbrauchbar macht. Dort wohnen die Weiber das ganze Jahr, mit Spinnen und Weben beschäftigt, die Männer hingegen bringen zur eigentlichen Epoche der Feldarbeit nur Sonnabend und Sonntag bei ihnen zu, die übrigen Tage bleiben sie unten und ziehen sich nachts in Rohrhütten zurück. Und so war denn unser Wunsch bis zum Überdruß erfüllt, wir hätten uns {{wpde|Triptolemos|Triptolems}} Flügelwagen gewünscht, um dieser Einförmigkeit zu entfliehen. | Heute können wir denn endlich sagen, daß uns ein anschaulicher Begriff geworden, wie Sizilien den Ehrennamen einer {{wpde|Geschichte_Siziliens#Sizilien_als_r.C3.B6mische_Provinz|Kornkammer Italiens}} erlangen können. Eine Strecke, nachdem wir Girgent verlassen, fing der fruchtbare Boden an. Es sind keine großen Flächen, aber sanft gegeneinander laufende Berg- und Hügelrücken, durchgängig mit Weizen und Gerste bestellt, die eine ununterbrochene Masse von Fruchtbarkeit dem Auge darbieten. Der diesen Pflanzen geeignete Boden wird so genutzt und so geschont, daß man nirgends einen Baum sieht, ja, alle die kleinen Ortschaften und Wohnungen liegen auf Rücken der Hügel, wo eine hinstreichende Reihe Kalkfelsen den Boden ohnehin unbrauchbar macht. Dort wohnen die Weiber das ganze Jahr, mit Spinnen und Weben beschäftigt, die Männer hingegen bringen zur eigentlichen Epoche der Feldarbeit nur Sonnabend und Sonntag bei ihnen zu, die übrigen Tage bleiben sie unten und ziehen sich nachts in Rohrhütten zurück. Und so war denn unser Wunsch bis zum Überdruß erfüllt, wir hätten uns {{wpde|Triptolemos|Triptolems}} Flügelwagen gewünscht, um dieser Einförmigkeit zu entfliehen.| | ||
aus:''https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital18a.html}} | |||
===Bevölkerung Neapels=== | ===Bevölkerung Neapels=== | ||
{{Zitat|'''Neapel, den 28. Mai 1987. ''' | |||
Neapel, den 28. Mai 1987. | |||
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Dies alles konnte von diesem Standpunkt das Auge mit einmal fassen, und wenn es auch die einzelnen Gegenstände zu mustern nicht imstande war, so verlor es doch niemals den Eindruck des großen Ganzen. War unser Gespräch durch dieses Schauspiel unterbrochen, so nahm es eine desto gemütlichere Wendung. Wir hatten nun einen Text vor uns, welchen Jahrtausende zu kommentieren nicht hinreichen. Je mehr die Nacht wuchs, desto mehr schien die Gegend an Klarheit zu gewinnen; der Mond leuchtete wie eine zweite Sonne; die Säulen des Rauchs, dessen Streifen und Massen durchleuchtet bis ins einzelne deutlich, ja, man glaubte mit halbweg bewaffnetem Auge die glühend ausgeworfenen Felsklumpen auf der Nacht des Kegelberges zu unterscheiden. [...] | Dies alles konnte von diesem Standpunkt das Auge mit einmal fassen, und wenn es auch die einzelnen Gegenstände zu mustern nicht imstande war, so verlor es doch niemals den Eindruck des großen Ganzen. War unser Gespräch durch dieses Schauspiel unterbrochen, so nahm es eine desto gemütlichere Wendung. Wir hatten nun einen Text vor uns, welchen Jahrtausende zu kommentieren nicht hinreichen. Je mehr die Nacht wuchs, desto mehr schien die Gegend an Klarheit zu gewinnen; der Mond leuchtete wie eine zweite Sonne; die Säulen des Rauchs, dessen Streifen und Massen durchleuchtet bis ins einzelne deutlich, ja, man glaubte mit halbweg bewaffnetem Auge die glühend ausgeworfenen Felsklumpen auf der Nacht des Kegelberges zu unterscheiden. [...] | ||
| | |https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital194.html 16.07.2006}} | ||
'''September 1787''' | '''September 1787''' | ||
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Der dritte September war mir heute doppelt und dreifach merkwürdig, um ihn zu feiern. Es war der Geburtstag meines Fürsten, welcher eine treue Neigung mit so mannigfaltigem Guten zu erwidern wußte; es war der Jahrestag meiner {{wpde|Hidschra|Hegire}} <hier: Aufbruch zum Italienaufenthalt> von Karlsbad, und noch durfte ich nicht zurückschauen, was ein so bedeutend durchlebter, völlig fremder Zustand auf mich gewirkt, mir gebracht und verliehen; wie mir auch nicht Raum zu vielem Nachdenken übrigblieb. | Der dritte September war mir heute doppelt und dreifach merkwürdig, um ihn zu feiern. Es war der Geburtstag meines Fürsten, welcher eine treue Neigung mit so mannigfaltigem Guten zu erwidern wußte; es war der Jahrestag meiner {{wpde|Hidschra|Hegire}} <hier: Aufbruch zum Italienaufenthalt> von Karlsbad, und noch durfte ich nicht zurückschauen, was ein so bedeutend durchlebter, völlig fremder Zustand auf mich gewirkt, mir gebracht und verliehen; wie mir auch nicht Raum zu vielem Nachdenken übrigblieb. | ||
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Nun aber mußte des nächsten Tages uns zu scherzhaften Unterhaltungen dienen, daß gerade das, was wir bei dem Künstler Großes und Grenzenloses gesehen, uns in eine niedrige, unwürdige Enge zu begeben veranlassen sollte. Die herrlichen ägyptischen Denkmale erinnerten uns an den mächtigen Obelisk, der auf dem Marsfelde, durch August errichtet, als Sonnenweiser diente, nunmehr aber in Stücken, umzäunt von einem Bretterverschlag, in einem schmutzigen Winkel auf den kühnen Architekten wartete, der ihn aufzuerstehen berufen möchte. (NB. Jetzt ist er auf dem Platz Monte Citorio wieder aufgerichtet und dient wie zur Römerzeit abermals als Sonnenweiser.) Er ist aus dem echtesten ägyptischen Granit gehauen, überall mit zierlichen naiven Figuren, obgleich in dem bekannten Stil, übersäet. Merkwürdig war es, als wir neben der sonst in die Luft gerichteten Spitze standen, auf den Zuschärfungen derselben Sphinx nach Sphinxen auf das zierlichste abgebildet zu sehen, früher keinem menschlichen Auge, sondern nur den Strahlen der Sonne erreichbar. Hier tritt der Fall ein, daß das Gottesdienstliche der Kunst nicht auf einen Effekt berechnet ist, den es auf den menschlichen Anblick machen soll. Wir machten Anstalt, diese heiligen Bilder abgießen zu lassen, um das bequem nah vor Augen zu sehen, was sonst gegen die Wolkenregion hinaufgerichtet war. | Nun aber mußte des nächsten Tages uns zu scherzhaften Unterhaltungen dienen, daß gerade das, was wir bei dem Künstler Großes und Grenzenloses gesehen, uns in eine niedrige, unwürdige Enge zu begeben veranlassen sollte. Die herrlichen ägyptischen Denkmale erinnerten uns an den mächtigen Obelisk, der auf dem Marsfelde, durch August errichtet, als Sonnenweiser diente, nunmehr aber in Stücken, umzäunt von einem Bretterverschlag, in einem schmutzigen Winkel auf den kühnen Architekten wartete, der ihn aufzuerstehen berufen möchte. (NB. Jetzt ist er auf dem Platz Monte Citorio wieder aufgerichtet und dient wie zur Römerzeit abermals als Sonnenweiser.) Er ist aus dem echtesten ägyptischen Granit gehauen, überall mit zierlichen naiven Figuren, obgleich in dem bekannten Stil, übersäet. Merkwürdig war es, als wir neben der sonst in die Luft gerichteten Spitze standen, auf den Zuschärfungen derselben Sphinx nach Sphinxen auf das zierlichste abgebildet zu sehen, früher keinem menschlichen Auge, sondern nur den Strahlen der Sonne erreichbar. Hier tritt der Fall ein, daß das Gottesdienstliche der Kunst nicht auf einen Effekt berechnet ist, den es auf den menschlichen Anblick machen soll. Wir machten Anstalt, diese heiligen Bilder abgießen zu lassen, um das bequem nah vor Augen zu sehen, was sonst gegen die Wolkenregion hinaufgerichtet war. | ||
|aus:'' https://www.projekt-gutenberg.org/goethe/italien/ital2421.html}} | |||
== | == Weblinks == | ||
* {{ | * {{wpde|Italienische Reise}} | ||
* [http://www.zeit.de/reisen/2013-06/fs-grand-tour-italien-goethe-2/seite-1 Historische Fotos (um 1900) zu Texten aus Goethes "Italienischer Reise"] aus: ''Grand Tour - Mit Goethe durch das alte Italien'', 2013 ([http://www.versalia.de/Rezension.Amerio_Andrea_.1433.html Rezension]) | * [http://www.zeit.de/reisen/2013-06/fs-grand-tour-italien-goethe-2/seite-1 Historische Fotos (um 1900) zu Texten aus Goethes "Italienischer Reise"] aus: ''Grand Tour - Mit Goethe durch das alte Italien'', 2013 ([http://www.versalia.de/Rezension.Amerio_Andrea_.1433.html Rezension]) | ||
== Siehe auch == | == Siehe auch == | ||
* [[Wilhelm_Meisters_Lehrjahre|J.W.Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre]] | * [[Wilhelm_Meisters_Lehrjahre|J.W.Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre]] | ||
* [[Reisen_eines_Deutschen_in_Italien| Karl Philipp Moritz: Reisen eines Deutschen in Italien]] | * [[Reisen_eines_Deutschen_in_Italien| Karl Philipp Moritz: Reisen eines Deutschen in Italien]] | ||
* | * Johann Gottfried Seume: [[Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802]] | ||
* | * Friedrich Christian Delius: [[Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus]] | ||
* [[Geschichte des Reisens]] | * [[Geschichte des Reisens]] | ||
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Aktuelle Version vom 17. Mai 2022, 03:23 Uhr
J.W. Goethes Italienische Reise ist primär der Bericht über das Bildungserlebnis, das er nach seiner ersten Weimarer Zeit suchte, um die Erfahrungen zu sammeln, die seine von Kindheit durch die Berichte des Vaters angeregte Italiensehnsucht zu befriedigen und die eine wichtige Voraussetzung für die Weimarer Klassik bedeutete.
Für diese Reise musste er seine Aufgaben als Minister seines Herzogs Karl Augusts im Stich lassen. Er entschied sich aber dafür, weil ihm klar geworden war, dass sein Ministeramt seine dichterische Produktivität lähmte. Er hatte zehn Jahre nichts Neues mehr veröffentlicht. Er erbat und erhielt vom Herzog Urlaub auf unbestimmte Zeit, doch hatte er ihm sein Reiseziel nicht verraten und reiste inkognito.
Eine Karte von Goethes Reise und der vollständige Text seines Reisebuchs findet sich bei Gutenberg.de. Goethe hat dieses Reisebuch erst 1815 herausgegeben, also erst lange nach drei Schriften über italienische Kunst und über seine Reise (Reisen eines Deutschen in Italien) von Karl Philipp Moritz und auch lange nach Johann Gottfried Seumes 1803 erschienenem Reisebericht Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802.
Auszüge
Verona
Verona, den 16. September.
Das Amphitheater ist also das erste bedeutende Monument der alten Zeit, das ich sehe, und so gut erhalten! Als ich hineintrat, mehr noch aber, als ich oben auf dem Rande umherging, schien es mir seltsam, etwas Großes und doch eigentlich nichts zu sehen. Auch will es leer nicht gesehen sein, sondern ganz voll von Menschen, wie man es neuerer Zeit Joseph dem Zweiten und Pius dem Sechsten zu Ehren veranstaltet. Der Kaiser, der doch auch Menschenmassen vor Augen gewohnt war, soll darüber erstaunt sein. Doch nur in der frühesten Zeit tat es seine ganze Wirkung, da das Volk noch mehr Volk war, als es jetzt ist. Denn eigentlich ist so ein Amphitheater recht gemacht, dem Volk mit sich selbst zu imponieren, das Volk mit sich selbst zum besten zu haben.
Wenn irgend etwas Schauwürdiges auf flacher Erde vorgeht und alles zuläuft, suchen die Hintersten auf alle mögliche Weise sich über die Vordersten zu erheben: man tritt auf Bänke, rollt Fässer herbei, fährt mit Wagen heran, legt Bretter hinüber und herüber, besetzt einen benachbarten Hügel, und es bildet sich in der Geschwindigkeit ein Krater.
Kommt das Schauspiel öfter auf derselben Stelle vor, so baut man leichte Gerüste für die, so bezahlen können, und die übrige Masse behilft sich, wie sie mag. Dieses allgemeine Bedürfnis zu befriedigen, ist hier die Aufgabe des Architekten. Er bereitet einen solchen Krater durch Kunst, so einfach als nur möglich, damit dessen Zierat das Volk selbst werde. Wenn es sich so beisammen sah, mußte es über sich selbst erstaunen; denn da es sonst nur gewohnt, sich durcheinander laufen zu sehen, sich in einem Gewühle ohne Ordnung und sonderliche Zucht zu finden, so sieht das vielköpfige, vielsinnige, schwankende, hin und her irrende Tier sich zu einem edlen Körper vereinigt, zu einer Einheit bestimmt, in eine Masse verbunden und befestigt, als eine Gestalt, von einem Geiste belebt. Die Simplizität des Oval ist jedem Auge auf die angenehmste Weise fühlbar, und jeder Kopf dient zum Maße, wie ungeheuer das Ganze sei. Jetzt, wenn man es leer sieht, hat man keinen Maßstab, man weiß nicht, ob es groß oder klein ist.
Wegen der Unterhaltung dieses Werks müssen die Veroneser gelobt werden. Es ist von einem rötlichen Marmor gebaut, den die Witterung angreift, daher stellt man der Reihe nach die ausgefressenen Stufen immer wieder her, und sie scheinen fast alle ganz neu. Eine Inschrift gedenkt eines Hieronymus Maurigenus und seines auf dieses Monument verwendeten unglaublichen Fleißes. Von der äußern Mauer steht nur ein Stück, und ich zweifele, ob sie je ganz fertig geworden. Die untern Gewölbe, die an den großen Platz, il Brà genannt, stoßen, sind an Handwerker vermietet, und es sieht lustig genug aus, diese Höhlungen wieder belebt zu sehen.
Quelle: Bibliothek Gutenberg
Venedig
[Venedig] Den 6. Oktober.
Auf heute abend hatte ich mir den famosen Gesang der Schiffer bestellt, die den Tasso und Ariost auf ihre eignen Melodien singen. Dieses muß wirklich bestellt werden, es kommt nicht gewöhnlich vor, es gehört vielmehr zu den halb verklungenen Sagen der Vorzeit. Bei Mondenschein bestieg ich eine Gondel, den einen Sänger vorn, den andern hinten; sie fingen ihr Lied an und sangen abwechselnd Vers für Vers. Die Melodie, welche wir durch Rousseau kennen, ist eine Mittelart zwischen Choral und Rezitativ, sie behält immer denselbigen Gang, ohne Takt zu haben; die Modulation ist auch dieselbige, nur verändern sie nach dem Inhalt des Verses mit einer Art von Deklamation sowohl Ton als Maß; der Geist aber, das Leben davon, läßt sich begreifen, wie folgt.
Auf welchem Wege sich die Melodie gemacht hat, will ich nicht untersuchen, genug, sie paßt gar trefflich für einen müßigen Menschen, der sich etwas vormoduliert und Gedichte, die er auswendig kann, solchem Gesang unterschiebt.
Mit einer durchdringenden Stimme - das Volk schätzt Stärke vor allem - sitzt er am Ufer einer Insel, eines Kanals auf einer Barke und läßt sein Lied schallen, so weit er kann. Über den stillen Spiegel verbreitet sich's. In der Ferne vernimmt es ein anderer, der die Melodie kennt, die Worte versteht und mit dem folgenden Verse antwortet; hierauf erwidert der erste, und so ist einer immer das Echo des andern. Der Gesang währt Nächte durch, unterhält sie, ohne zu ermüden. Je ferner sie also voneinander sind, desto reizender kann das Lied werden: wenn der Hörer alsdann zwischen beiden steht, so ist er am rechten Flecke.
Um dieses mich vernehmen zu lassen, stiegen sie am Ufer der Giudecca aus, sie teilten sich am Kanal hin, ich ging zwischen ihnen auf und ab, so daß ich immer den verließ, der zu singen anfangen sollte, und mich demjenigen wieder näherte, der aufgehört hatte. Da ward mir der Sinn des Gesangs erst aufgeschlossen. Als Stimme aus der Ferne klingt es höchst sonderbar, wie eine Klage ohne Trauer; es ist darin etwas unglaublich, bis zu Tränen Rührendes. Ich schrieb es meiner Stimmung zu; aber mein Alter sagte: »È singolare, come quel canto intenerisce, e molto piè, quando è piè ben cantato.« Er wünschte, daß ich die Weiber vom Lido, besonders die von Malamocco und Pelestrina hören möchte, auch diese sängen den Tasso auf gleiche und ähnliche Melodien. Er sagte ferner: »Sie haben die Gewohnheit, wenn ihre Männer aufs Fischen ins Meer sind, sich ans Ufer zu setzen und mit durchdringender Stimme abends diese Gesänge erschallen zu lassen, bis sie auch von ferne die Stimme der Ihrigen vernehmen und sich so mit ihnen unterhalten.« Ist das nicht sehr schön? Und doch läßt sich wohl denken, daß ein Zuhörer in der Nähe wenig Freude an solchen Stimmen haben möchte, die mit den Wellen des Meeres kämpfen. Menschlich aber und wahr wird der Begriff dieses Gesanges, lebendig wird die Melodie, über deren tote Buchstaben wir uns sonst den Kopf zerbrochen haben. Gesang ist es eines Einsamen in die Ferne und Weite, damit ein anderer, Gleichgestimmter höre und antworte.
Quelle: Bibliothek Gutenberg
[Venedig] Den 12. Oktober.
[...] Gott sei Dank, wie mir alles wieder lieb wird, was mir von Jugend auf wert war! Wie glücklich befinde ich mich, daß ich den alten Schriftstellern wieder näherzutreten wage! Denn jetzt darf ich es sagen, darf meine Krankheit und Torheit bekennen. Schon einige Jahre her durft' ich keinen lateinischen Autor ansehen, nichts betrachten, was mir ein Bild Italiens erneute. Geschah es zufällig, so erduldete ich die entsetzlichsten Schmerzen. Herder spottete oft über mich, daß ich all mein Latein aus dem Spinoza lerne, denn er hatte bemerkt, daß dies das einzige lateinische Buch war, das ich las; er wußte aber nicht, wie sehr ich mich vor den Alten hüten mußte, wie ich mich in jene abstrusen Allgemeinheiten nur ängstlich flüchtete. Noch zuletzt hat mich die Wielandsche Übersetzung der »Satiren« höchst unglücklich gemacht; ich hatte kaum zwei gelesen, so war ich schon verrückt.
Hätte ich nicht den Entschluß gefaßt, den ich jetzt ausführe, so wär' ich rein zugrunde gegangen: zu einer solchen Reife war die Begierde, diese Gegenstände mit Augen zu sehen, in meinem Gemüt gestiegen. [...] Quelle: Bibliothek Gutenberg
Bologna
Goethes Plan zur Fortsetzung der Iphigenie auf Tauris
Bologna, den 19. Oktober, abends.
[...] Von Cento herüber wollte ich meine Arbeit an »Iphigenia« fortsetzen, aber was geschah? Der Geist führte mir das Argument der »Iphigenia von Delphi« vor die Seele, und ich mußte es ausbilden. So kurz als möglich sei es hier verzeichnet:
Elektra, in gewisser Hoffnung, daß Orest das Bild der Taurischen Diana nach Delphi bringen werde, erscheint in dem Tempel des Apoll und widmet die grausame Axt, die so viel Unheil in Pelops' Hause angerichtet, als schließliches Sühnopfer dem Gotte. Zu ihr tritt, leider, einer der Griechen und erzählt, wie er Orest und Pylades nach Tauris begleitet, die beiden Freunde zum Tode führen sehen und sich glücklich gerettet. Die leidenschaftliche Elektra kennt sich selbst nicht und weiß nicht, ob sie gegen Götter oder Menschen ihre Wut richten soll.
Indessen sind Iphigenie, Orest und Pylades gleichfalls zu Delphi angekommen. Iphigeniens heilige Ruhe kontrastiert gar merkwürdig mit Elektrens irdischer Leidenschaft, als die beiden Gestalten wechselseitig unerkannt zusammentreffen. Der entflohene Grieche erblickt Iphigenien, erkennt die Priesterin, welche die Freunde geopfert, und entdeckt es Elektren. Diese ist im Begriff, mit demselbigen Beil, welches sie dem Altar wieder entreißt, Iphigenien zu ermorden, als eine glückliche Wendung dieses letzte schreckliche Übel von den Geschwistern abwendet. Wenn diese Szene gelingt, so ist nicht leicht etwas Größeres und Rührenderes auf dem Theater gesehen worden. Wo soll man aber Hände und Zeit hernehmen, wenn auch der Geist willig wäre!
Quelle: Bibliothek Gutenberg
Perugia
Terni
Rom
(Rom, 18. Januar 1787)
Vesuv
Kornkammer Sizilien
Bevölkerung Neapels
Vesuv (2. Juni 1787.)
September 1787
Weblinks
- Italienische Reise
- Historische Fotos (um 1900) zu Texten aus Goethes "Italienischer Reise" aus: Grand Tour - Mit Goethe durch das alte Italien, 2013 (Rezension)
Siehe auch
- J.W.Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre
- Karl Philipp Moritz: Reisen eines Deutschen in Italien
- Johann Gottfried Seume: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
- Friedrich Christian Delius: Der Spaziergang von Rostock nach Syrakus
- Geschichte des Reisens